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Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Zweites Vierteljahr.

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Joachim Heinrich Lampe als Vorkämpfer für die Reinheit der Muttersprache.

der Fremdherrschaft, erschien dann endlich von 1807 bis 1811, gleichsam als
Schlußstein des ganzen sprachwissenschaftlichen Gebäudes, in fünf starken Quart¬
bänden das "Wörterbuch der Deutschen Sprache." Zwar hat Campe an der
eigentlichen Ausarbeitung dieses Werkes nur einen geringen Anteil genommen; aber
es geschah doch unter seiner Leitung und nach seinen Anweisungen, daß anfangs
Männer, wie Johann Gottlieb Ratlos (später eine Zeit lang Professor der
Philosophie in Bonn) und in den letzten Bünden hauptsächlich Theodor Bernb
(geht. 1854 als Professor der Diplomatie in Bonn) die 141 277 Artikel des¬
selben zusammengestellt haben. Die Fremdwörter werden zwar darin nicht mit
aufgeführt; gleichwohl steht auch dieses Werk den sprachreinigcnden Bestrebungen
Campes nicht fern, da zahlreiche, zum Ersatz der Ausländer bestimmte Ver¬
deutschungen darin Aufnahme gefunden haben, von Campes eignen Wortbildungen
Wilich. wie in der Vorrede ausdrücklich bemerkt wird, nnr die, welche bereits
u> "gelesenen Schriften" verwendet waren.

Dank hat Campe für seine sprachreinigcnden Bestrebungen wenig erfahren.
Bei der Mitwelt wurde der Beifall und die Anerkennung durch den Widerspruch,
die Anfeindung, nicht zum wenigste" auch durch den Spott und die Gering¬
schätzung der Gegner reichlich aufgewogen. Von den Neueren aber ist es be¬
sonders Jakob Grimm, der über Campes Leistungen auf sprachw.sfeuschaftllchem
Gebiet und insbesondre auch in Rücksicht auf seine Bemühungen um die Nemhci
der Muttersprache ein sehr abfälliges, wenn nicht geradezu wegwerfendes Urteil
gefällt hat. Und wer vermöchte zu leugnen, daß die auf ihn gehäuften Vorwurfe
"> einige" Beziehungen nicht unbegründet sind!

Zunächst ist es der Mangel an gründlicher Gelehrsamkeit, der an Campe
getadelt wird. Jakob Grimm hat ihn in dieser Hinsicht tief unter Adelung
gestellt. Besonders empfindlich macht sich dieser Maiigel be.merkbar. wo es sich
um die deutsche Sprache in ihrer ältern Gestalt und Entwicklung Handel
Hier ist Campe weder mit den. Wortschatze, noch mit den Lai
^esetzen, noch
mit der Grammatik in einer nur einigermaßen zureichende.. Weise vertram
Die Denkmäler der mittelalterlichen Dichtung scheinen ihm vollständig fremd
geblieben zu sein. Wo er einmal ans Etymologien zu sprechen kommt, legt er
eine bemerkenswerte Oberflächlichkeit an den Tag. So fuhrt er z. ^. " HuM,
obwohl ihm das lateinische xeuioillu" bekannt ist. anf "Pinne. /in spitziges
Werkzeug" zurück, und das uralte "Knie" sieht er als euie Ableitung von d u
d°es erst im sechzehnten Jahrhundert vorkommenden ..knicken' "n; anch agr
er kein Bedenken bei "Teufel." niederdeutsch ..Düwel." den E...fall von L .b. .^als ob das Wort aus dem bestimmten Artikel und ..übel" entstände se. M
wahrscheinlicher zu halten, als die einzig richtige und ihm auch wohl etauut
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meint er - durch das englische clovil. aus tds und coll. em "°es 3^Gewicht. I" dem großen Wörterbuche ist von Etymologie überhaupt nicht die


Joachim Heinrich Lampe als Vorkämpfer für die Reinheit der Muttersprache.

der Fremdherrschaft, erschien dann endlich von 1807 bis 1811, gleichsam als
Schlußstein des ganzen sprachwissenschaftlichen Gebäudes, in fünf starken Quart¬
bänden das „Wörterbuch der Deutschen Sprache." Zwar hat Campe an der
eigentlichen Ausarbeitung dieses Werkes nur einen geringen Anteil genommen; aber
es geschah doch unter seiner Leitung und nach seinen Anweisungen, daß anfangs
Männer, wie Johann Gottlieb Ratlos (später eine Zeit lang Professor der
Philosophie in Bonn) und in den letzten Bünden hauptsächlich Theodor Bernb
(geht. 1854 als Professor der Diplomatie in Bonn) die 141 277 Artikel des¬
selben zusammengestellt haben. Die Fremdwörter werden zwar darin nicht mit
aufgeführt; gleichwohl steht auch dieses Werk den sprachreinigcnden Bestrebungen
Campes nicht fern, da zahlreiche, zum Ersatz der Ausländer bestimmte Ver¬
deutschungen darin Aufnahme gefunden haben, von Campes eignen Wortbildungen
Wilich. wie in der Vorrede ausdrücklich bemerkt wird, nnr die, welche bereits
u> „gelesenen Schriften" verwendet waren.

Dank hat Campe für seine sprachreinigcnden Bestrebungen wenig erfahren.
Bei der Mitwelt wurde der Beifall und die Anerkennung durch den Widerspruch,
die Anfeindung, nicht zum wenigste» auch durch den Spott und die Gering¬
schätzung der Gegner reichlich aufgewogen. Von den Neueren aber ist es be¬
sonders Jakob Grimm, der über Campes Leistungen auf sprachw.sfeuschaftllchem
Gebiet und insbesondre auch in Rücksicht auf seine Bemühungen um die Nemhci
der Muttersprache ein sehr abfälliges, wenn nicht geradezu wegwerfendes Urteil
gefällt hat. Und wer vermöchte zu leugnen, daß die auf ihn gehäuften Vorwurfe
"> einige» Beziehungen nicht unbegründet sind!

Zunächst ist es der Mangel an gründlicher Gelehrsamkeit, der an Campe
getadelt wird. Jakob Grimm hat ihn in dieser Hinsicht tief unter Adelung
gestellt. Besonders empfindlich macht sich dieser Maiigel be.merkbar. wo es sich
um die deutsche Sprache in ihrer ältern Gestalt und Entwicklung Handel
Hier ist Campe weder mit den. Wortschatze, noch mit den Lai
^esetzen, noch
mit der Grammatik in einer nur einigermaßen zureichende.. Weise vertram
Die Denkmäler der mittelalterlichen Dichtung scheinen ihm vollständig fremd
geblieben zu sein. Wo er einmal ans Etymologien zu sprechen kommt, legt er
eine bemerkenswerte Oberflächlichkeit an den Tag. So fuhrt er z. ^. » HuM,
obwohl ihm das lateinische xeuioillu« bekannt ist. anf »Pinne. /in spitziges
Werkzeug» zurück, und das uralte „Knie" sieht er als euie Ableitung von d u
d°es erst im sechzehnten Jahrhundert vorkommenden ..knicken' »n; anch agr
er kein Bedenken bei „Teufel." niederdeutsch ..Düwel." den E...fall von L .b. .^als ob das Wort aus dem bestimmten Artikel und ..übel" entstände se. M
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_288451/371>, abgerufen am 17.09.2024.