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Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Zweites Vierteljahr.

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Joachim Heinrich Lampe als Vorkämpfer für die Reinheit der Muttersprache.

nicht Vielmehr gehofft habe", durch sein Eintreten für die Herrlichkeit der Mutter¬
sprache die gegen seine vaterländische Gesinnung sich erhebenden Zweifel zu
widerlegen, die welkenden Vorderen seines Ruhmes neu zu beleben? Wir wissen
es nicht; aber die Wahrscheinlichkeit spricht nicht dagegen. Campe war eine
zum Herrschen geeignete, aber auch zum Herrschen geneigte Natur; seine That¬
kraft verlangte darnach, ordnend und gebietend sich geltend zu machen, und er
hatte, getragen von der Bewunderung und dem Beifalle seiner philanthropischen
Gesinnungsgenossen, zu lange die Rolle eines obersten pädagogischen Schieds¬
richters gespielt, um nicht die Minderung seines Einflusses zu empfinden und
nach einem Ersatz für die erlittene Einbuße sich umzusehen.

Wo aber auch immer der Urias; zu Campes sprachwissenschaftlichen Be¬
strebungen zu suchen sein mag: so viel steht fest, daß er den Kampf für die
Reinheit der Muttersprache, nachdem er ihn einmal aufgenommen hatte, mutig
und unermüdlich und in der unverkennbaren Absicht, dein Vaterlande dadurch
einen Dienst zu leisten, weiter geführt hat. Eine stattliche Reihe von Schriften
giebt davon Zeugnis. Den bereits erwähnten "Proben einiger Versuche vou
deutscher Sprachbereicherung" vom Jahre 1790 folgte als eine neue und stark
vermehrte Ausgabe derselben 1792 ein "Zweiter Versuch der deutschen Sprach¬
bereicherung," 1794 eine von der königlichen Akademie der Wissenschaften, oder,
wie Campe sich ausdrückt, von dem königlich preußischen Gelehrtenverein ge¬
krönte Preisschrift "Über die Reinigung und Bereicherung der deutschen Sprache,"
die noch in demselben Jahre durch einen "Nachtrag und Berichtigungen" ver¬
vollständigt wurde. An die Preisschrift schlössen sich von 1795 bis 1797 die
"Beiträge zur weitern Ausbildung der deutschen Sprache," zu deren Heraus¬
gabe sich Campe mit einer "Gesellschaft von Sprachfreundeu" vereinigt hatte
und in denen von ihm selbst, abgesehen von zahlreichen gelegentlichen Zusätzen
und Anmerkungen, etwa zwanzig Aufsätze zum Abdruck gebracht sind. In dem
letzten Hefte der Beiträge -- sie gingen an dem Mangel an Käufern zu Grunde --
wurde bereits ein "Wörterbuch der hochdeutschen Sprache" in Aussicht gestellt.
Campe beabsichtigte es in Verbindung mit einer Anzahl von Gelehrten heraus¬
zugeben, daneben aber allein noch ein besondres Wörterbuch zur Bekämpfung
der Fremdwörter zu bearbeiten. Die Ausführung des Planes verzögerte sich.
Erst 1801 erschien sei" "Wörterbuch zur Erklärung und Verdeutschung der
unsrer Sprache aufgedrungenen fremden Ausdrücke," das 1813 zum zweiten
male, und zwar in einer erheblich erweiterten Gestalt, an die Öffentlichkeit
trat. In beiden Ausgaben ist dem Wörterverzeichnis die schon in der Preis¬
schrift enthaltene Abhandlung unter der Überschrift "Grundsätze, Regeln und
Grenzen der Verdeutschung" vorangeschickt. Ein für die Zwecke der Schule
bestimmter Auszug aus dem Verdeutschungswörterbuch folgte 1804 unter dem
Titel "Versuch einer genaueren Bestimmung und Verdeutschung der für unsre
Sprachlehre gehörigen Kunstwörter." Mitten unter den Wirren und Unruhen


Joachim Heinrich Lampe als Vorkämpfer für die Reinheit der Muttersprache.

nicht Vielmehr gehofft habe», durch sein Eintreten für die Herrlichkeit der Mutter¬
sprache die gegen seine vaterländische Gesinnung sich erhebenden Zweifel zu
widerlegen, die welkenden Vorderen seines Ruhmes neu zu beleben? Wir wissen
es nicht; aber die Wahrscheinlichkeit spricht nicht dagegen. Campe war eine
zum Herrschen geeignete, aber auch zum Herrschen geneigte Natur; seine That¬
kraft verlangte darnach, ordnend und gebietend sich geltend zu machen, und er
hatte, getragen von der Bewunderung und dem Beifalle seiner philanthropischen
Gesinnungsgenossen, zu lange die Rolle eines obersten pädagogischen Schieds¬
richters gespielt, um nicht die Minderung seines Einflusses zu empfinden und
nach einem Ersatz für die erlittene Einbuße sich umzusehen.

Wo aber auch immer der Urias; zu Campes sprachwissenschaftlichen Be¬
strebungen zu suchen sein mag: so viel steht fest, daß er den Kampf für die
Reinheit der Muttersprache, nachdem er ihn einmal aufgenommen hatte, mutig
und unermüdlich und in der unverkennbaren Absicht, dein Vaterlande dadurch
einen Dienst zu leisten, weiter geführt hat. Eine stattliche Reihe von Schriften
giebt davon Zeugnis. Den bereits erwähnten „Proben einiger Versuche vou
deutscher Sprachbereicherung" vom Jahre 1790 folgte als eine neue und stark
vermehrte Ausgabe derselben 1792 ein „Zweiter Versuch der deutschen Sprach¬
bereicherung," 1794 eine von der königlichen Akademie der Wissenschaften, oder,
wie Campe sich ausdrückt, von dem königlich preußischen Gelehrtenverein ge¬
krönte Preisschrift „Über die Reinigung und Bereicherung der deutschen Sprache,"
die noch in demselben Jahre durch einen „Nachtrag und Berichtigungen" ver¬
vollständigt wurde. An die Preisschrift schlössen sich von 1795 bis 1797 die
„Beiträge zur weitern Ausbildung der deutschen Sprache," zu deren Heraus¬
gabe sich Campe mit einer „Gesellschaft von Sprachfreundeu" vereinigt hatte
und in denen von ihm selbst, abgesehen von zahlreichen gelegentlichen Zusätzen
und Anmerkungen, etwa zwanzig Aufsätze zum Abdruck gebracht sind. In dem
letzten Hefte der Beiträge — sie gingen an dem Mangel an Käufern zu Grunde —
wurde bereits ein „Wörterbuch der hochdeutschen Sprache" in Aussicht gestellt.
Campe beabsichtigte es in Verbindung mit einer Anzahl von Gelehrten heraus¬
zugeben, daneben aber allein noch ein besondres Wörterbuch zur Bekämpfung
der Fremdwörter zu bearbeiten. Die Ausführung des Planes verzögerte sich.
Erst 1801 erschien sei» „Wörterbuch zur Erklärung und Verdeutschung der
unsrer Sprache aufgedrungenen fremden Ausdrücke," das 1813 zum zweiten
male, und zwar in einer erheblich erweiterten Gestalt, an die Öffentlichkeit
trat. In beiden Ausgaben ist dem Wörterverzeichnis die schon in der Preis¬
schrift enthaltene Abhandlung unter der Überschrift „Grundsätze, Regeln und
Grenzen der Verdeutschung" vorangeschickt. Ein für die Zwecke der Schule
bestimmter Auszug aus dem Verdeutschungswörterbuch folgte 1804 unter dem
Titel „Versuch einer genaueren Bestimmung und Verdeutschung der für unsre
Sprachlehre gehörigen Kunstwörter." Mitten unter den Wirren und Unruhen


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_288451/370>, abgerufen am 17.09.2024.