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Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Zweites Vierteljahr.

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Joachim Heinrich Lampe als Vorkämpfer für die Reinheit der Muttersprache.

engeres Vaterland zurückgekehrt, um als Mitglied des unbegründeten Schul¬
direktoriums für das tief darniederliegcnde Schulwesen des Landes ein Refor¬
mator zu werden. Aber die hochfliegenden Erwartungen, welche man auf seine
Wirksamkeit als Schulrat gesetzt hatte, waren - und zwar keineswegs, wie
man oft behauptet hat, ohne Campes eignes Verschulden -- unerfüllt geblieben;
schon 1789 war die neue Behörde, ohne überhaupt je zu wirklichem Leben ge¬
langt zu sein, wieder ins Grab gesunken. Seitdem lebte Campe in der Stadt
Vwunschweig als Privatmann. Eine Stiftsherrnstelle zu Se. Cynac- und die
ungemiuderte Gunst des Landesherrn sicherten ihm eine angesehene bürgerliche
Stellung; die Leitung der Schulbuchhandlung. die seit 1787 aus den Händen
des Staates in seinen Besitz übergangen war, bot ihm. in Verbindung mit
einer ausgedehnten schriftstellerischen Thätigkeit, Beschäftigung und Wohlstand;
in Heimat und Fremde war sein Name bei allen, die den Bestrebungen des
Philanthropinismus huldigten, bekannt und hochgeehrt. Schon 1788 hatte er
w Verein mit Trapp. Stuve und Heusinger das "Vrannschweigische Journal,
"ne Zeitschrift philosophischen, philologischen und pädagogischen Inhalts be¬
gründet. In dem dritten Jahrgange dieses Blattes war es. wo er gegen Ende
des Jahres 1790 mit seiner Erstlingsarbeit auf dem Gebiete der deutschen
Sprachreinigung, den "Proben einiger Versuche von deutscher Sprachbereiche¬
rung," vor die Öffentlichkeit trat.

..^^^Es muß auffallen, daß Campe erst so spät für die Reinheit der Mutter¬
sprache in die Schranken getreten ist, da doch hervorragende Zeitgenossen von
ihm. wie Lessing. Klopstock. Herder - um von weniger bekannten Namen ganz
SU schweigen - längst schon das Umsichgreifen der Verwischung bekämpft
hatten, und obgleich Adelungs Wörterbuch, das in seiner ersten Ausgabe von
bis 1786 erschien, für das deutsche Sprachstudium eine wertvolle Grund-
lage bildete. Bemerkenswerter noch ist es, daß Campe selbst noch bis tief in
das Jahr 1790 hinein seine Schriften mit Fremdwörtern zu zieren Mehl ha.
In seinen "Fragmenten" finden sich Ausdrücke wie: industriös Stupidita
Axiom. Subtilität, Lüxe. intrikat, Constitnent und andre der Ar in große
Zahl, und in einem Briefe vom 31. Angust 1790. nur wenige Monate vor dem
Erscheinen seiner sprachreinigcnden Erstlingsschrift. verwendet er auf dem engen
Raume von wenig mehr als einer Druckseite die Worte: Poltronerie. ^dee.
Jnteresseutin. kommentiren. Ideal, qualifiziren. Monstrum, existiren abstrahiren
Forum, kompetent. Publikum. letzteres sogar in der lateinischen Datlvendung.
Woher diese späte, woher diese plötzliche Wandlung? , .

s^,,Die Autwort auf die erste von diesen beiden Fragen findet sich leicyr,
wenn man bedenkt, wie sehr Campe lange Zeit hindurch teils durch die Aus¬
gaben seines Berufs als Jngenderziehcr. teils durch seine umfangreiche Thätig¬
keit als Schriftsteller in Anspruch genommen wurde. Schwieriger ^se es zu
erklären, wie ein Mann, der Jahrzehnte hindurch gegen die Reinheit der Mutter-


Joachim Heinrich Lampe als Vorkämpfer für die Reinheit der Muttersprache.

engeres Vaterland zurückgekehrt, um als Mitglied des unbegründeten Schul¬
direktoriums für das tief darniederliegcnde Schulwesen des Landes ein Refor¬
mator zu werden. Aber die hochfliegenden Erwartungen, welche man auf seine
Wirksamkeit als Schulrat gesetzt hatte, waren - und zwar keineswegs, wie
man oft behauptet hat, ohne Campes eignes Verschulden — unerfüllt geblieben;
schon 1789 war die neue Behörde, ohne überhaupt je zu wirklichem Leben ge¬
langt zu sein, wieder ins Grab gesunken. Seitdem lebte Campe in der Stadt
Vwunschweig als Privatmann. Eine Stiftsherrnstelle zu Se. Cynac- und die
ungemiuderte Gunst des Landesherrn sicherten ihm eine angesehene bürgerliche
Stellung; die Leitung der Schulbuchhandlung. die seit 1787 aus den Händen
des Staates in seinen Besitz übergangen war, bot ihm. in Verbindung mit
einer ausgedehnten schriftstellerischen Thätigkeit, Beschäftigung und Wohlstand;
in Heimat und Fremde war sein Name bei allen, die den Bestrebungen des
Philanthropinismus huldigten, bekannt und hochgeehrt. Schon 1788 hatte er
w Verein mit Trapp. Stuve und Heusinger das „Vrannschweigische Journal,
«ne Zeitschrift philosophischen, philologischen und pädagogischen Inhalts be¬
gründet. In dem dritten Jahrgange dieses Blattes war es. wo er gegen Ende
des Jahres 1790 mit seiner Erstlingsarbeit auf dem Gebiete der deutschen
Sprachreinigung, den „Proben einiger Versuche von deutscher Sprachbereiche¬
rung," vor die Öffentlichkeit trat.

..^^^Es muß auffallen, daß Campe erst so spät für die Reinheit der Mutter¬
sprache in die Schranken getreten ist, da doch hervorragende Zeitgenossen von
ihm. wie Lessing. Klopstock. Herder - um von weniger bekannten Namen ganz
SU schweigen - längst schon das Umsichgreifen der Verwischung bekämpft
hatten, und obgleich Adelungs Wörterbuch, das in seiner ersten Ausgabe von
bis 1786 erschien, für das deutsche Sprachstudium eine wertvolle Grund-
lage bildete. Bemerkenswerter noch ist es, daß Campe selbst noch bis tief in
das Jahr 1790 hinein seine Schriften mit Fremdwörtern zu zieren Mehl ha.
In seinen „Fragmenten" finden sich Ausdrücke wie: industriös Stupidita
Axiom. Subtilität, Lüxe. intrikat, Constitnent und andre der Ar in große
Zahl, und in einem Briefe vom 31. Angust 1790. nur wenige Monate vor dem
Erscheinen seiner sprachreinigcnden Erstlingsschrift. verwendet er auf dem engen
Raume von wenig mehr als einer Druckseite die Worte: Poltronerie. ^dee.
Jnteresseutin. kommentiren. Ideal, qualifiziren. Monstrum, existiren abstrahiren
Forum, kompetent. Publikum. letzteres sogar in der lateinischen Datlvendung.
Woher diese späte, woher diese plötzliche Wandlung? , .

s^,,Die Autwort auf die erste von diesen beiden Fragen findet sich leicyr,
wenn man bedenkt, wie sehr Campe lange Zeit hindurch teils durch die Aus¬
gaben seines Berufs als Jngenderziehcr. teils durch seine umfangreiche Thätig¬
keit als Schriftsteller in Anspruch genommen wurde. Schwieriger ^se es zu
erklären, wie ein Mann, der Jahrzehnte hindurch gegen die Reinheit der Mutter-


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[0367] Joachim Heinrich Lampe als Vorkämpfer für die Reinheit der Muttersprache. engeres Vaterland zurückgekehrt, um als Mitglied des unbegründeten Schul¬ direktoriums für das tief darniederliegcnde Schulwesen des Landes ein Refor¬ mator zu werden. Aber die hochfliegenden Erwartungen, welche man auf seine Wirksamkeit als Schulrat gesetzt hatte, waren - und zwar keineswegs, wie man oft behauptet hat, ohne Campes eignes Verschulden — unerfüllt geblieben; schon 1789 war die neue Behörde, ohne überhaupt je zu wirklichem Leben ge¬ langt zu sein, wieder ins Grab gesunken. Seitdem lebte Campe in der Stadt Vwunschweig als Privatmann. Eine Stiftsherrnstelle zu Se. Cynac- und die ungemiuderte Gunst des Landesherrn sicherten ihm eine angesehene bürgerliche Stellung; die Leitung der Schulbuchhandlung. die seit 1787 aus den Händen des Staates in seinen Besitz übergangen war, bot ihm. in Verbindung mit einer ausgedehnten schriftstellerischen Thätigkeit, Beschäftigung und Wohlstand; in Heimat und Fremde war sein Name bei allen, die den Bestrebungen des Philanthropinismus huldigten, bekannt und hochgeehrt. Schon 1788 hatte er w Verein mit Trapp. Stuve und Heusinger das „Vrannschweigische Journal, «ne Zeitschrift philosophischen, philologischen und pädagogischen Inhalts be¬ gründet. In dem dritten Jahrgange dieses Blattes war es. wo er gegen Ende des Jahres 1790 mit seiner Erstlingsarbeit auf dem Gebiete der deutschen Sprachreinigung, den „Proben einiger Versuche von deutscher Sprachbereiche¬ rung," vor die Öffentlichkeit trat. ..^^^Es muß auffallen, daß Campe erst so spät für die Reinheit der Mutter¬ sprache in die Schranken getreten ist, da doch hervorragende Zeitgenossen von ihm. wie Lessing. Klopstock. Herder - um von weniger bekannten Namen ganz SU schweigen - längst schon das Umsichgreifen der Verwischung bekämpft hatten, und obgleich Adelungs Wörterbuch, das in seiner ersten Ausgabe von bis 1786 erschien, für das deutsche Sprachstudium eine wertvolle Grund- lage bildete. Bemerkenswerter noch ist es, daß Campe selbst noch bis tief in das Jahr 1790 hinein seine Schriften mit Fremdwörtern zu zieren Mehl ha. In seinen „Fragmenten" finden sich Ausdrücke wie: industriös Stupidita Axiom. Subtilität, Lüxe. intrikat, Constitnent und andre der Ar in große Zahl, und in einem Briefe vom 31. Angust 1790. nur wenige Monate vor dem Erscheinen seiner sprachreinigcnden Erstlingsschrift. verwendet er auf dem engen Raume von wenig mehr als einer Druckseite die Worte: Poltronerie. ^dee. Jnteresseutin. kommentiren. Ideal, qualifiziren. Monstrum, existiren abstrahiren Forum, kompetent. Publikum. letzteres sogar in der lateinischen Datlvendung. Woher diese späte, woher diese plötzliche Wandlung? , . s^,,Die Autwort auf die erste von diesen beiden Fragen findet sich leicyr, wenn man bedenkt, wie sehr Campe lange Zeit hindurch teils durch die Aus¬ gaben seines Berufs als Jngenderziehcr. teils durch seine umfangreiche Thätig¬ keit als Schriftsteller in Anspruch genommen wurde. Schwieriger ^se es zu erklären, wie ein Mann, der Jahrzehnte hindurch gegen die Reinheit der Mutter-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_288451/367>, abgerufen am 17.09.2024.