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Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Zweites Vierteljahr.

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Beusts Erinnerungen.

laut zu nehmen sind"; dann aber würde eine solche "maritime Demonstration"
den Ernst Frankreichs gezeigt und doch weder Spanien noch Preußen den
Vorwand zu einer Kriegserklärung gegeben haben. So zu lesen Band II,
Seite 358!

Es wäre von psychologischem Interesse, zu wissen, ob der Verfasser das
alles selbst geglaubt hat, als er es niederschrieb.

Natürlich könnte diese Blütenlese noch aus der Zeit seiner österreichischen
Ministerschaft um ein beträchtliches bereichert werden. Allein da handelt es
sich vielfach um Dinge von lediglich österreichischem Interesse, und dann kommt
noch ein andrer Umstand ins Spiel. Von Wien aus verlautet nämlich, daß
dort das Erscheinen der Beustschen Erinnerungen als "Fall Arnim Nummer 2"
bezeichnet und die Wahrheitsliebe des Verfassers bemängelt werde. Um den
letzteren Vorwurf beurteilen zu können, müßte man den Dingen sehr nahe stehen.
Aber Indiskretionen der stärksten Art, ein mindestens taktloses Hereinziehen der
Person des Kaisers müssen jedem auffallen. Wir wollen von den vielen charak¬
teristischen Beispielen nur eins als Beleg herausheben, und zwar indem wir
die Worte Beusts unverkürzt wiedergeben.

"Das Drama von Queretaro fiel in die Zeit der großen Pariser Aus¬
stellung, welche durch die Gegenwart des Kaisers Alexander von Rußland und
des Königs Wilhelm von Preußen verherrlicht, zugleich auch zu einem europäischen
Rendezvous geworden war. Es war von Anfang an die Ansicht, daß der Kaiser
ebenfalls die Reise nach Paris unternehmen sollte. Nach dem tragischen Ende
des Kaisers Max erhoben sich Bedenken begreiflicher Art. und der Kaiser er¬
blickte mehr noch als in der tiefen Familicntraner einen Grund der Absage
darin, daß Kaiser Napoleon, nachdem er seinen Bruder zur Annahme der Krone
veranlaßt, ihn durch Zurückziehung seiner Truppen im Stiche gelassen habe.
Als der Kaiser in diesem Sinne sich gegen mich äußerte, erinnerte ich mich des
gnädigen Wortes, ich solle ihm stets die Wahrheit sagen. So hatte ich denn
den Mut zu dem Einwurf: "Und Hannover!" Der Kaiser Napoleon konnte
es nicht auf einen Bruch mit den Vereinigten Staaten ankommen lassen, ebenso
War es für den Kaiser >Zranz L°s^ eine Unmöglichkeit, nach Königgrätz für
den König von Hannover einzutreten, trotzdem daß Georg V. aufgefordert
worden war, das zu thun, was das Ende seines Königreiches im Gefolge hatte.
Der Kaiser war groß genug, um mir diese Aufrichtigkeit nicht zu verübeln.
Ich meinerseits war jedoch darauf bedacht, daß der Würde des Kaisers unter
solchen Umständen volle Genüge geschähe, und erklärte es für eine Notwendigkeit,
daß der Kaiser, wenn er nach Paris gehe, dies in Gestalt eines Gegenbesuches
thue" u. s. w. Mag diese Erzählung wahr sein oder nicht, eine Bemerkung
dazu ist wohl überflüssig. Daneben nimmt es sich allerdings sehr gut aus,
wenn Beust sich über die "Gefühllosigkeit" Bismarcks entsetzt, der ihm "im
heitersten Tone" erzählen konnte, wie er den endlosen Reden von Thiers und


Beusts Erinnerungen.

laut zu nehmen sind"; dann aber würde eine solche „maritime Demonstration"
den Ernst Frankreichs gezeigt und doch weder Spanien noch Preußen den
Vorwand zu einer Kriegserklärung gegeben haben. So zu lesen Band II,
Seite 358!

Es wäre von psychologischem Interesse, zu wissen, ob der Verfasser das
alles selbst geglaubt hat, als er es niederschrieb.

Natürlich könnte diese Blütenlese noch aus der Zeit seiner österreichischen
Ministerschaft um ein beträchtliches bereichert werden. Allein da handelt es
sich vielfach um Dinge von lediglich österreichischem Interesse, und dann kommt
noch ein andrer Umstand ins Spiel. Von Wien aus verlautet nämlich, daß
dort das Erscheinen der Beustschen Erinnerungen als „Fall Arnim Nummer 2"
bezeichnet und die Wahrheitsliebe des Verfassers bemängelt werde. Um den
letzteren Vorwurf beurteilen zu können, müßte man den Dingen sehr nahe stehen.
Aber Indiskretionen der stärksten Art, ein mindestens taktloses Hereinziehen der
Person des Kaisers müssen jedem auffallen. Wir wollen von den vielen charak¬
teristischen Beispielen nur eins als Beleg herausheben, und zwar indem wir
die Worte Beusts unverkürzt wiedergeben.

„Das Drama von Queretaro fiel in die Zeit der großen Pariser Aus¬
stellung, welche durch die Gegenwart des Kaisers Alexander von Rußland und
des Königs Wilhelm von Preußen verherrlicht, zugleich auch zu einem europäischen
Rendezvous geworden war. Es war von Anfang an die Ansicht, daß der Kaiser
ebenfalls die Reise nach Paris unternehmen sollte. Nach dem tragischen Ende
des Kaisers Max erhoben sich Bedenken begreiflicher Art. und der Kaiser er¬
blickte mehr noch als in der tiefen Familicntraner einen Grund der Absage
darin, daß Kaiser Napoleon, nachdem er seinen Bruder zur Annahme der Krone
veranlaßt, ihn durch Zurückziehung seiner Truppen im Stiche gelassen habe.
Als der Kaiser in diesem Sinne sich gegen mich äußerte, erinnerte ich mich des
gnädigen Wortes, ich solle ihm stets die Wahrheit sagen. So hatte ich denn
den Mut zu dem Einwurf: »Und Hannover!« Der Kaiser Napoleon konnte
es nicht auf einen Bruch mit den Vereinigten Staaten ankommen lassen, ebenso
War es für den Kaiser >Zranz L°s^ eine Unmöglichkeit, nach Königgrätz für
den König von Hannover einzutreten, trotzdem daß Georg V. aufgefordert
worden war, das zu thun, was das Ende seines Königreiches im Gefolge hatte.
Der Kaiser war groß genug, um mir diese Aufrichtigkeit nicht zu verübeln.
Ich meinerseits war jedoch darauf bedacht, daß der Würde des Kaisers unter
solchen Umständen volle Genüge geschähe, und erklärte es für eine Notwendigkeit,
daß der Kaiser, wenn er nach Paris gehe, dies in Gestalt eines Gegenbesuches
thue" u. s. w. Mag diese Erzählung wahr sein oder nicht, eine Bemerkung
dazu ist wohl überflüssig. Daneben nimmt es sich allerdings sehr gut aus,
wenn Beust sich über die „Gefühllosigkeit" Bismarcks entsetzt, der ihm „im
heitersten Tone" erzählen konnte, wie er den endlosen Reden von Thiers und


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_288451/35>, abgerufen am 17.09.2024.