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Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Zweites Vierteljahr.

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Verlegenheiten im Zentrum.

le katholische Kirche ist ein Reich, das alte römische Reich ins
Geistliche, Christliche, Priesterliche übersetzt, der Theorie nach
das Reich Gottes auf Erden, regiert durch dessen Stellvertreter,
den Papst. Sie ist als eoolesig. uMwüs ein Heer mit dem
Wesen und den geistigen Bedürfnissen andrer Heere. Als Reich
ist sie eine Monarchie, in welcher der jeweilige Inhaber des Thrones in
Sachen des Glaubens, aber auch der Moral, in deren Gebiet Fragen des
Politischen Lebens einbezogen werden, als unfehlbare Intelligenz und als un¬
beschränkter Wille gebietet. Als Heer ist sie eine Organisation, die auf den
Grundsätzen der Disziplin, der Autorität und der strengen Subordination be¬
ruht. Gehorsam aller Glieder und Rangstufen, der obern wie der untern und
untersten gegen das Haupt, gleichviel ob dessen An- und Absicht im einzelnen
Falle begriffen, dessen Anordnung innerlich gebilligt wird, sofortige Folge bei
jeder Schwenkung, bei Angriff und Rückzug ist oberste Pflicht aller Gläubigen,
namentlich der Priester, der Garde dieses Heeres. Der Individualismus, demo¬
kratische Neigungen und Bestrebungen sind dadurch selbstverständlich ausge¬
schlossen. Köln" locmw, oMsg. tmiw. Es ist daher unkatholisch, wenn solche
Neigungen und Bestrebungen sich einschleichen, und es ist doppelt unkatholisch,
es ist verkehrt, unvorsichtig und gefährlich, wenn der Ultramontanismus in dem
Bestreben, die Macht der streitenden Kirche zu stärken, in den breiten Schichten
der mittlern und untern Geistlichkeit derartiges weckt und nährt. Für den
Augenblick mag das zu nützen scheinen, für die Dauer muß es immer schaden,
indem es die Autorität schwächt und ein ungehorsames Selbstgefühl erzieht, das
sich heute gegen den weltlichen Staat kehrt, morgen aber sich auch gegen den
Willen wenden kann, der dem geistlichen Ziel, Maß und Grenze setzen soll.


Grenzboten II. 1887. 33



Verlegenheiten im Zentrum.

le katholische Kirche ist ein Reich, das alte römische Reich ins
Geistliche, Christliche, Priesterliche übersetzt, der Theorie nach
das Reich Gottes auf Erden, regiert durch dessen Stellvertreter,
den Papst. Sie ist als eoolesig. uMwüs ein Heer mit dem
Wesen und den geistigen Bedürfnissen andrer Heere. Als Reich
ist sie eine Monarchie, in welcher der jeweilige Inhaber des Thrones in
Sachen des Glaubens, aber auch der Moral, in deren Gebiet Fragen des
Politischen Lebens einbezogen werden, als unfehlbare Intelligenz und als un¬
beschränkter Wille gebietet. Als Heer ist sie eine Organisation, die auf den
Grundsätzen der Disziplin, der Autorität und der strengen Subordination be¬
ruht. Gehorsam aller Glieder und Rangstufen, der obern wie der untern und
untersten gegen das Haupt, gleichviel ob dessen An- und Absicht im einzelnen
Falle begriffen, dessen Anordnung innerlich gebilligt wird, sofortige Folge bei
jeder Schwenkung, bei Angriff und Rückzug ist oberste Pflicht aller Gläubigen,
namentlich der Priester, der Garde dieses Heeres. Der Individualismus, demo¬
kratische Neigungen und Bestrebungen sind dadurch selbstverständlich ausge¬
schlossen. Köln» locmw, oMsg. tmiw. Es ist daher unkatholisch, wenn solche
Neigungen und Bestrebungen sich einschleichen, und es ist doppelt unkatholisch,
es ist verkehrt, unvorsichtig und gefährlich, wenn der Ultramontanismus in dem
Bestreben, die Macht der streitenden Kirche zu stärken, in den breiten Schichten
der mittlern und untern Geistlichkeit derartiges weckt und nährt. Für den
Augenblick mag das zu nützen scheinen, für die Dauer muß es immer schaden,
indem es die Autorität schwächt und ein ungehorsames Selbstgefühl erzieht, das
sich heute gegen den weltlichen Staat kehrt, morgen aber sich auch gegen den
Willen wenden kann, der dem geistlichen Ziel, Maß und Grenze setzen soll.


Grenzboten II. 1887. 33
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[0305] [Abbildung] Verlegenheiten im Zentrum. le katholische Kirche ist ein Reich, das alte römische Reich ins Geistliche, Christliche, Priesterliche übersetzt, der Theorie nach das Reich Gottes auf Erden, regiert durch dessen Stellvertreter, den Papst. Sie ist als eoolesig. uMwüs ein Heer mit dem Wesen und den geistigen Bedürfnissen andrer Heere. Als Reich ist sie eine Monarchie, in welcher der jeweilige Inhaber des Thrones in Sachen des Glaubens, aber auch der Moral, in deren Gebiet Fragen des Politischen Lebens einbezogen werden, als unfehlbare Intelligenz und als un¬ beschränkter Wille gebietet. Als Heer ist sie eine Organisation, die auf den Grundsätzen der Disziplin, der Autorität und der strengen Subordination be¬ ruht. Gehorsam aller Glieder und Rangstufen, der obern wie der untern und untersten gegen das Haupt, gleichviel ob dessen An- und Absicht im einzelnen Falle begriffen, dessen Anordnung innerlich gebilligt wird, sofortige Folge bei jeder Schwenkung, bei Angriff und Rückzug ist oberste Pflicht aller Gläubigen, namentlich der Priester, der Garde dieses Heeres. Der Individualismus, demo¬ kratische Neigungen und Bestrebungen sind dadurch selbstverständlich ausge¬ schlossen. Köln» locmw, oMsg. tmiw. Es ist daher unkatholisch, wenn solche Neigungen und Bestrebungen sich einschleichen, und es ist doppelt unkatholisch, es ist verkehrt, unvorsichtig und gefährlich, wenn der Ultramontanismus in dem Bestreben, die Macht der streitenden Kirche zu stärken, in den breiten Schichten der mittlern und untern Geistlichkeit derartiges weckt und nährt. Für den Augenblick mag das zu nützen scheinen, für die Dauer muß es immer schaden, indem es die Autorität schwächt und ein ungehorsames Selbstgefühl erzieht, das sich heute gegen den weltlichen Staat kehrt, morgen aber sich auch gegen den Willen wenden kann, der dem geistlichen Ziel, Maß und Grenze setzen soll. Grenzboten II. 1887. 33

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_288451/305>, abgerufen am 17.09.2024.