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Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Zweites Vierteljahr.

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Die geschichtlichen Grundlagen der de.ttschen Rechts^nlieit.

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d'c Ausscheidung der Kinder aus der väterlichen Gewalt nach sächsischem Rechte.
Das römische Recht hatte noch nicht die jetzt allgemein in Deutschland ange-
wmmene Vorschrift, daß der großjährige Haussohn lediglich durch die That¬
sache der Errichtung eines selbständigen Haushaltes im Gegensatze zu ausdrück¬
licher Einwilligung des Vaters vollständig der väterlichen Gewalt ledig wurde,
und daß dieses bei der Haustochter durch Verheiratung eintrat. Das Sachsen-
recht enthielt über derartige Bestimmungen, und daran schloß sich durch die
Bemühungen der Germanisten deren allgemeine Anwendung für ganz Deutsth-
Wd. Auch unser neueres Hypotheken- und Grundbuchrecht ist ein Er¬
zeugnis der einheimischen Neuentwicklung. Denn das römische Pfandrecht,
welches im Gegensatze zu den deutschen Anschauungen das bewegliche Eigentum
- die "Fahrnis" des deutschen Rechts - wesentlich ebenso behandelte wie das
unbewegliche Eigentum - im deutschen Rechte mit "Eigen," auch "Erbe ve-
zeichnet - war in der That ein ziemlich erbärmliches Recht, so erbärmlich, daß
römischrechtliche Hypotheken dem Hypothekengläubiger gar keine sichere Unterlage
seines Anspruchs gewährten, weil man nie sicher wissen konnte, ob nicht die Pfand¬
rechte, die nicht, wie bei uns, durch Eintragung in öffentliche Bücher allgemein
erkennbar gemacht waren, sondern lediglich auf mündlichen oder schriftlichen Er¬
klärungen des Schuldners beruhten, hinter andern in gleicher Weise bereits
früher bestellten Pfandrechten zurückstünden. Dies ging so weit, daß das
römische Vormundschaftsrecht dem Vormunde als beste Vermögensanlage für
Mündelgelder nicht deren Ausleihung, sondern ihre Verwendung zum Kauf von
Grundstücken empfehlen mußte. Deutscher Einsicht ist es vorbehalten gewesen
an Stelle dieser dem Rechtsverkehr Fußangeln legenden Einrichtungen für das
Pfandrecht an beweglichen Sachen die Übertragung des Besitzes oder wenigstens
der thatsächlichen Verfügungsgewalt, z. B. die Aushändigung der Schlüssel zu
einem Schranke mit seinem Inhalte, und für das Pfandrecht an unbeweglich^Sachen, den Grundstücken, die Eintragung in öffentliche Bücher Grund- ode
Hhpothekenbücher genannt, als rechtsbegründendes Merkmal zu erfordern, welche
Reform sich zuerst in deutschen Städten vollzog.

Namentlich der Doktor in allen Fakultäten Hermann Conrmg. em Os-
friese. hat sich, insbesondre anch durch seiue im Jahre 1643 erschienene Schrift
v° onxino ^ 6°rü", um die Förderung dieser den einheimischen Rech v-
ihre Bedeutung sichernden Bestrebungen verdient gemacht. Er verlang
in dieser Schrift schon ein allgemein verständliches Gesetzbuch in deutscher Sprach
"0" müßigem Umfange. Die Germanisten wußten es dahin zu W.MN °ß
'"an den deutschen Sätzen anfänglich die Bedeutung eines als usus noae u
k^ä^oro dem Pandektenrecht beigefügten Anhanges, dann aber eme noch
größere selbständige Bedeutung auch an den Universitäten einräumte Es ent¬
stand außer einem gemeinen deutschen Staatsrecht auch ein gemeines deutsches
Privatrecht, welches dem römischen Privatrecht, dem Zivilrecht, zur Seite trat.


Grenzboten II. 1887.
Die geschichtlichen Grundlagen der de.ttschen Rechts^nlieit.

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d'c Ausscheidung der Kinder aus der väterlichen Gewalt nach sächsischem Rechte.
Das römische Recht hatte noch nicht die jetzt allgemein in Deutschland ange-
wmmene Vorschrift, daß der großjährige Haussohn lediglich durch die That¬
sache der Errichtung eines selbständigen Haushaltes im Gegensatze zu ausdrück¬
licher Einwilligung des Vaters vollständig der väterlichen Gewalt ledig wurde,
und daß dieses bei der Haustochter durch Verheiratung eintrat. Das Sachsen-
recht enthielt über derartige Bestimmungen, und daran schloß sich durch die
Bemühungen der Germanisten deren allgemeine Anwendung für ganz Deutsth-
Wd. Auch unser neueres Hypotheken- und Grundbuchrecht ist ein Er¬
zeugnis der einheimischen Neuentwicklung. Denn das römische Pfandrecht,
welches im Gegensatze zu den deutschen Anschauungen das bewegliche Eigentum
- die „Fahrnis" des deutschen Rechts - wesentlich ebenso behandelte wie das
unbewegliche Eigentum - im deutschen Rechte mit „Eigen," auch „Erbe ve-
zeichnet - war in der That ein ziemlich erbärmliches Recht, so erbärmlich, daß
römischrechtliche Hypotheken dem Hypothekengläubiger gar keine sichere Unterlage
seines Anspruchs gewährten, weil man nie sicher wissen konnte, ob nicht die Pfand¬
rechte, die nicht, wie bei uns, durch Eintragung in öffentliche Bücher allgemein
erkennbar gemacht waren, sondern lediglich auf mündlichen oder schriftlichen Er¬
klärungen des Schuldners beruhten, hinter andern in gleicher Weise bereits
früher bestellten Pfandrechten zurückstünden. Dies ging so weit, daß das
römische Vormundschaftsrecht dem Vormunde als beste Vermögensanlage für
Mündelgelder nicht deren Ausleihung, sondern ihre Verwendung zum Kauf von
Grundstücken empfehlen mußte. Deutscher Einsicht ist es vorbehalten gewesen
an Stelle dieser dem Rechtsverkehr Fußangeln legenden Einrichtungen für das
Pfandrecht an beweglichen Sachen die Übertragung des Besitzes oder wenigstens
der thatsächlichen Verfügungsgewalt, z. B. die Aushändigung der Schlüssel zu
einem Schranke mit seinem Inhalte, und für das Pfandrecht an unbeweglich^Sachen, den Grundstücken, die Eintragung in öffentliche Bücher Grund- ode
Hhpothekenbücher genannt, als rechtsbegründendes Merkmal zu erfordern, welche
Reform sich zuerst in deutschen Städten vollzog.

Namentlich der Doktor in allen Fakultäten Hermann Conrmg. em Os-
friese. hat sich, insbesondre anch durch seiue im Jahre 1643 erschienene Schrift
v° onxino ^ 6°rü«, um die Förderung dieser den einheimischen Rech v-
ihre Bedeutung sichernden Bestrebungen verdient gemacht. Er verlang
in dieser Schrift schon ein allgemein verständliches Gesetzbuch in deutscher Sprach
"0" müßigem Umfange. Die Germanisten wußten es dahin zu W.MN °ß
'"an den deutschen Sätzen anfänglich die Bedeutung eines als usus noae u
k^ä^oro dem Pandektenrecht beigefügten Anhanges, dann aber eme noch
größere selbständige Bedeutung auch an den Universitäten einräumte Es ent¬
stand außer einem gemeinen deutschen Staatsrecht auch ein gemeines deutsches
Privatrecht, welches dem römischen Privatrecht, dem Zivilrecht, zur Seite trat.


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[0209] Die geschichtlichen Grundlagen der de.ttschen Rechts^nlieit. ___ d'c Ausscheidung der Kinder aus der väterlichen Gewalt nach sächsischem Rechte. Das römische Recht hatte noch nicht die jetzt allgemein in Deutschland ange- wmmene Vorschrift, daß der großjährige Haussohn lediglich durch die That¬ sache der Errichtung eines selbständigen Haushaltes im Gegensatze zu ausdrück¬ licher Einwilligung des Vaters vollständig der väterlichen Gewalt ledig wurde, und daß dieses bei der Haustochter durch Verheiratung eintrat. Das Sachsen- recht enthielt über derartige Bestimmungen, und daran schloß sich durch die Bemühungen der Germanisten deren allgemeine Anwendung für ganz Deutsth- Wd. Auch unser neueres Hypotheken- und Grundbuchrecht ist ein Er¬ zeugnis der einheimischen Neuentwicklung. Denn das römische Pfandrecht, welches im Gegensatze zu den deutschen Anschauungen das bewegliche Eigentum - die „Fahrnis" des deutschen Rechts - wesentlich ebenso behandelte wie das unbewegliche Eigentum - im deutschen Rechte mit „Eigen," auch „Erbe ve- zeichnet - war in der That ein ziemlich erbärmliches Recht, so erbärmlich, daß römischrechtliche Hypotheken dem Hypothekengläubiger gar keine sichere Unterlage seines Anspruchs gewährten, weil man nie sicher wissen konnte, ob nicht die Pfand¬ rechte, die nicht, wie bei uns, durch Eintragung in öffentliche Bücher allgemein erkennbar gemacht waren, sondern lediglich auf mündlichen oder schriftlichen Er¬ klärungen des Schuldners beruhten, hinter andern in gleicher Weise bereits früher bestellten Pfandrechten zurückstünden. Dies ging so weit, daß das römische Vormundschaftsrecht dem Vormunde als beste Vermögensanlage für Mündelgelder nicht deren Ausleihung, sondern ihre Verwendung zum Kauf von Grundstücken empfehlen mußte. Deutscher Einsicht ist es vorbehalten gewesen an Stelle dieser dem Rechtsverkehr Fußangeln legenden Einrichtungen für das Pfandrecht an beweglichen Sachen die Übertragung des Besitzes oder wenigstens der thatsächlichen Verfügungsgewalt, z. B. die Aushändigung der Schlüssel zu einem Schranke mit seinem Inhalte, und für das Pfandrecht an unbeweglich^Sachen, den Grundstücken, die Eintragung in öffentliche Bücher Grund- ode Hhpothekenbücher genannt, als rechtsbegründendes Merkmal zu erfordern, welche Reform sich zuerst in deutschen Städten vollzog. Namentlich der Doktor in allen Fakultäten Hermann Conrmg. em Os- friese. hat sich, insbesondre anch durch seiue im Jahre 1643 erschienene Schrift v° onxino ^ 6°rü«, um die Förderung dieser den einheimischen Rech v- ihre Bedeutung sichernden Bestrebungen verdient gemacht. Er verlang in dieser Schrift schon ein allgemein verständliches Gesetzbuch in deutscher Sprach "0" müßigem Umfange. Die Germanisten wußten es dahin zu W.MN °ß '"an den deutschen Sätzen anfänglich die Bedeutung eines als usus noae u k^ä^oro dem Pandektenrecht beigefügten Anhanges, dann aber eme noch größere selbständige Bedeutung auch an den Universitäten einräumte Es ent¬ stand außer einem gemeinen deutschen Staatsrecht auch ein gemeines deutsches Privatrecht, welches dem römischen Privatrecht, dem Zivilrecht, zur Seite trat. Grenzboten II. 1887.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_288451/209>, abgerufen am 17.09.2024.