Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Zweites Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Deutsch-böhmische Briefe.

sächlich bestehende Einschränkungen des Geltungsgebietes der letzteren in Ga¬
tten, Südtirol und Dalmatien an. Anderseits ging er in manchen Beziehungen
Wer das ihr gegenwärtig zukommende Mas; der Berechtigung hinaus. Seine
Bedeutung bestand grundsätzlich darin, daß er das Deutsche als Staatssprache
aus der für die Landessprachen bestimmten Gleichberechtigungsformel des Ar¬
tikels XIX des Staatsgrundgesetzes heraushob und es in gemischten Ländern
wie Böhmen nicht bloß als zweite Landessprache, sondern wie in den übrigen
Teilen der Monarchie als bevorzugte Sprache gelten ließ. Darum enthielt
der Gesetzentwurf des Scharschmidschen Antrages eingehende Bestimmungen über
den innern Dienst der Behörden, den Verkehr der Parteien vor denselben, die
Erlangung öffentlicher Ämter und die Einrichtung öffentlicher Bücher. Das
Deutsche sollte uach ihm obligater Lehrgegenstand an allen Mittel-, Fach- und
mehr als dreiklassigen Volksschulen werden. Der Antrag hatte mehr Glück
als der Wurmbrcmdsche: er wurde wenigstens einem Ausschusse überwiesen.
Die Hauptgegner waren hier, wie bei frühern Gelegenheiten, die Tschechen, die
immer nur Böhmen sehen und die Behandlung des Deutschen als zweite Landes¬
sprache verlangen. Sie klammerten sich dabei an das Schlagwort der Gleich¬
berechtigung, behaupteten, die Anerkennung der Staatssprache schaffe ein uner¬
hörtes Vorrecht der einen Sprache und erkläre alle übrigen für unter ihr
stehend, und spielten die ganze Frage auf eine Ehren- und Geschäftssache hinaus.
Thatsächlich aber gehen sie von dem staatsrechtlichen Standpunkte eines ge¬
schlossenen Nechtskreises der böhmischen Länder aus. verlangen ein besondres
höhnisches Landesbürgerrecht und wollen das Tschechische zur Amtssprache
in Böhmen und Mührer machen. Sie wehren sich schon deshalb gegen
eine gesetzliche Regelung, weil eine solche wenigstens den jetzigen Zustand be¬
festigen würde, während sie durch weitere Ausdehnung des slawischen Elements
immer weitere Teile der Verwaltung ergreifen wollen. Darum soll heute
keinerlei Eindämmung gegen jene, den gesamten Staat gefährdende Überflutung
vorgenommen werden. Auch die Regierung, die sich erst durch langes Drängen
zu einer Äußerung in der Sache bewegen ließ, sprach sich gegen die vom Schar¬
schmidschen Antrage verlangte gesetzliche Anerkennung des Deutschen als Staats¬
sprache aus, indem sie unter ander.n behauptete, es sei kräftig genug, um seine
Stellung zu behaupten, und brauche keinen offiziellen Titel, und, als ob sie
niemals Ansprüche der Tschechen und Slowenen auf Kosten der dentschen Amts¬
sprache befriedigt hätte, daran die Versicherung knüpfte, nie werde sie sich in
der Sprachenfrage auf den nationalen Standpunkt stellen. Der Antrag hatte
dann keine weitere Folge. Aber, wie Dr. v. Pierer am 23. November v. ^5.
i" einem Vereine der Stadt Wien vom Standpunkte der Dentschosterrcicher
erklärte, "diese Forderung wird nicht mehr von der Tagesordnung der öffent¬
lichen Meinung verschwinden. Wenn Ordnung in dem staatszerruttenden
Nationalitüteustreite geschaffen werden soll, so kann dies nnr durch die gesetzliche


Deutsch-böhmische Briefe.

sächlich bestehende Einschränkungen des Geltungsgebietes der letzteren in Ga¬
tten, Südtirol und Dalmatien an. Anderseits ging er in manchen Beziehungen
Wer das ihr gegenwärtig zukommende Mas; der Berechtigung hinaus. Seine
Bedeutung bestand grundsätzlich darin, daß er das Deutsche als Staatssprache
aus der für die Landessprachen bestimmten Gleichberechtigungsformel des Ar¬
tikels XIX des Staatsgrundgesetzes heraushob und es in gemischten Ländern
wie Böhmen nicht bloß als zweite Landessprache, sondern wie in den übrigen
Teilen der Monarchie als bevorzugte Sprache gelten ließ. Darum enthielt
der Gesetzentwurf des Scharschmidschen Antrages eingehende Bestimmungen über
den innern Dienst der Behörden, den Verkehr der Parteien vor denselben, die
Erlangung öffentlicher Ämter und die Einrichtung öffentlicher Bücher. Das
Deutsche sollte uach ihm obligater Lehrgegenstand an allen Mittel-, Fach- und
mehr als dreiklassigen Volksschulen werden. Der Antrag hatte mehr Glück
als der Wurmbrcmdsche: er wurde wenigstens einem Ausschusse überwiesen.
Die Hauptgegner waren hier, wie bei frühern Gelegenheiten, die Tschechen, die
immer nur Böhmen sehen und die Behandlung des Deutschen als zweite Landes¬
sprache verlangen. Sie klammerten sich dabei an das Schlagwort der Gleich¬
berechtigung, behaupteten, die Anerkennung der Staatssprache schaffe ein uner¬
hörtes Vorrecht der einen Sprache und erkläre alle übrigen für unter ihr
stehend, und spielten die ganze Frage auf eine Ehren- und Geschäftssache hinaus.
Thatsächlich aber gehen sie von dem staatsrechtlichen Standpunkte eines ge¬
schlossenen Nechtskreises der böhmischen Länder aus. verlangen ein besondres
höhnisches Landesbürgerrecht und wollen das Tschechische zur Amtssprache
in Böhmen und Mührer machen. Sie wehren sich schon deshalb gegen
eine gesetzliche Regelung, weil eine solche wenigstens den jetzigen Zustand be¬
festigen würde, während sie durch weitere Ausdehnung des slawischen Elements
immer weitere Teile der Verwaltung ergreifen wollen. Darum soll heute
keinerlei Eindämmung gegen jene, den gesamten Staat gefährdende Überflutung
vorgenommen werden. Auch die Regierung, die sich erst durch langes Drängen
zu einer Äußerung in der Sache bewegen ließ, sprach sich gegen die vom Schar¬
schmidschen Antrage verlangte gesetzliche Anerkennung des Deutschen als Staats¬
sprache aus, indem sie unter ander.n behauptete, es sei kräftig genug, um seine
Stellung zu behaupten, und brauche keinen offiziellen Titel, und, als ob sie
niemals Ansprüche der Tschechen und Slowenen auf Kosten der dentschen Amts¬
sprache befriedigt hätte, daran die Versicherung knüpfte, nie werde sie sich in
der Sprachenfrage auf den nationalen Standpunkt stellen. Der Antrag hatte
dann keine weitere Folge. Aber, wie Dr. v. Pierer am 23. November v. ^5.
i" einem Vereine der Stadt Wien vom Standpunkte der Dentschosterrcicher
erklärte, „diese Forderung wird nicht mehr von der Tagesordnung der öffent¬
lichen Meinung verschwinden. Wenn Ordnung in dem staatszerruttenden
Nationalitüteustreite geschaffen werden soll, so kann dies nnr durch die gesetzliche


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0205" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/288658"/>
          <fw type="header" place="top"> Deutsch-böhmische Briefe.</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_594" prev="#ID_593" next="#ID_595"> sächlich bestehende Einschränkungen des Geltungsgebietes der letzteren in Ga¬<lb/>
tten, Südtirol und Dalmatien an. Anderseits ging er in manchen Beziehungen<lb/>
Wer das ihr gegenwärtig zukommende Mas; der Berechtigung hinaus. Seine<lb/>
Bedeutung bestand grundsätzlich darin, daß er das Deutsche als Staatssprache<lb/>
aus der für die Landessprachen bestimmten Gleichberechtigungsformel des Ar¬<lb/>
tikels XIX des Staatsgrundgesetzes heraushob und es in gemischten Ländern<lb/>
wie Böhmen nicht bloß als zweite Landessprache, sondern wie in den übrigen<lb/>
Teilen der Monarchie als bevorzugte Sprache gelten ließ. Darum enthielt<lb/>
der Gesetzentwurf des Scharschmidschen Antrages eingehende Bestimmungen über<lb/>
den innern Dienst der Behörden, den Verkehr der Parteien vor denselben, die<lb/>
Erlangung öffentlicher Ämter und die Einrichtung öffentlicher Bücher. Das<lb/>
Deutsche sollte uach ihm obligater Lehrgegenstand an allen Mittel-, Fach- und<lb/>
mehr als dreiklassigen Volksschulen werden.  Der Antrag hatte mehr Glück<lb/>
als der Wurmbrcmdsche: er wurde wenigstens einem Ausschusse überwiesen.<lb/>
Die Hauptgegner waren hier, wie bei frühern Gelegenheiten, die Tschechen, die<lb/>
immer nur Böhmen sehen und die Behandlung des Deutschen als zweite Landes¬<lb/>
sprache verlangen.  Sie klammerten sich dabei an das Schlagwort der Gleich¬<lb/>
berechtigung, behaupteten, die Anerkennung der Staatssprache schaffe ein uner¬<lb/>
hörtes Vorrecht der einen Sprache und erkläre alle übrigen für unter ihr<lb/>
stehend, und spielten die ganze Frage auf eine Ehren- und Geschäftssache hinaus.<lb/>
Thatsächlich aber gehen sie von dem staatsrechtlichen Standpunkte eines ge¬<lb/>
schlossenen Nechtskreises der böhmischen Länder aus. verlangen ein besondres<lb/>
höhnisches Landesbürgerrecht und wollen das Tschechische zur Amtssprache<lb/>
in Böhmen und Mührer machen.  Sie wehren sich schon deshalb gegen<lb/>
eine gesetzliche Regelung, weil eine solche wenigstens den jetzigen Zustand be¬<lb/>
festigen würde, während sie durch weitere Ausdehnung des slawischen Elements<lb/>
immer weitere Teile der Verwaltung ergreifen wollen.  Darum soll heute<lb/>
keinerlei Eindämmung gegen jene, den gesamten Staat gefährdende Überflutung<lb/>
vorgenommen werden. Auch die Regierung, die sich erst durch langes Drängen<lb/>
zu einer Äußerung in der Sache bewegen ließ, sprach sich gegen die vom Schar¬<lb/>
schmidschen Antrage verlangte gesetzliche Anerkennung des Deutschen als Staats¬<lb/>
sprache aus, indem sie unter ander.n behauptete, es sei kräftig genug, um seine<lb/>
Stellung zu behaupten, und brauche keinen offiziellen Titel, und, als ob sie<lb/>
niemals Ansprüche der Tschechen und Slowenen auf Kosten der dentschen Amts¬<lb/>
sprache befriedigt hätte, daran die Versicherung knüpfte, nie werde sie sich in<lb/>
der Sprachenfrage auf den nationalen Standpunkt stellen. Der Antrag hatte<lb/>
dann keine weitere Folge.  Aber, wie Dr. v. Pierer am 23. November v. ^5.<lb/>
i" einem Vereine der Stadt Wien vom Standpunkte der Dentschosterrcicher<lb/>
erklärte, &#x201E;diese Forderung wird nicht mehr von der Tagesordnung der öffent¬<lb/>
lichen Meinung verschwinden.  Wenn Ordnung in dem staatszerruttenden<lb/>
Nationalitüteustreite geschaffen werden soll, so kann dies nnr durch die gesetzliche</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0205] Deutsch-böhmische Briefe. sächlich bestehende Einschränkungen des Geltungsgebietes der letzteren in Ga¬ tten, Südtirol und Dalmatien an. Anderseits ging er in manchen Beziehungen Wer das ihr gegenwärtig zukommende Mas; der Berechtigung hinaus. Seine Bedeutung bestand grundsätzlich darin, daß er das Deutsche als Staatssprache aus der für die Landessprachen bestimmten Gleichberechtigungsformel des Ar¬ tikels XIX des Staatsgrundgesetzes heraushob und es in gemischten Ländern wie Böhmen nicht bloß als zweite Landessprache, sondern wie in den übrigen Teilen der Monarchie als bevorzugte Sprache gelten ließ. Darum enthielt der Gesetzentwurf des Scharschmidschen Antrages eingehende Bestimmungen über den innern Dienst der Behörden, den Verkehr der Parteien vor denselben, die Erlangung öffentlicher Ämter und die Einrichtung öffentlicher Bücher. Das Deutsche sollte uach ihm obligater Lehrgegenstand an allen Mittel-, Fach- und mehr als dreiklassigen Volksschulen werden. Der Antrag hatte mehr Glück als der Wurmbrcmdsche: er wurde wenigstens einem Ausschusse überwiesen. Die Hauptgegner waren hier, wie bei frühern Gelegenheiten, die Tschechen, die immer nur Böhmen sehen und die Behandlung des Deutschen als zweite Landes¬ sprache verlangen. Sie klammerten sich dabei an das Schlagwort der Gleich¬ berechtigung, behaupteten, die Anerkennung der Staatssprache schaffe ein uner¬ hörtes Vorrecht der einen Sprache und erkläre alle übrigen für unter ihr stehend, und spielten die ganze Frage auf eine Ehren- und Geschäftssache hinaus. Thatsächlich aber gehen sie von dem staatsrechtlichen Standpunkte eines ge¬ schlossenen Nechtskreises der böhmischen Länder aus. verlangen ein besondres höhnisches Landesbürgerrecht und wollen das Tschechische zur Amtssprache in Böhmen und Mührer machen. Sie wehren sich schon deshalb gegen eine gesetzliche Regelung, weil eine solche wenigstens den jetzigen Zustand be¬ festigen würde, während sie durch weitere Ausdehnung des slawischen Elements immer weitere Teile der Verwaltung ergreifen wollen. Darum soll heute keinerlei Eindämmung gegen jene, den gesamten Staat gefährdende Überflutung vorgenommen werden. Auch die Regierung, die sich erst durch langes Drängen zu einer Äußerung in der Sache bewegen ließ, sprach sich gegen die vom Schar¬ schmidschen Antrage verlangte gesetzliche Anerkennung des Deutschen als Staats¬ sprache aus, indem sie unter ander.n behauptete, es sei kräftig genug, um seine Stellung zu behaupten, und brauche keinen offiziellen Titel, und, als ob sie niemals Ansprüche der Tschechen und Slowenen auf Kosten der dentschen Amts¬ sprache befriedigt hätte, daran die Versicherung knüpfte, nie werde sie sich in der Sprachenfrage auf den nationalen Standpunkt stellen. Der Antrag hatte dann keine weitere Folge. Aber, wie Dr. v. Pierer am 23. November v. ^5. i" einem Vereine der Stadt Wien vom Standpunkte der Dentschosterrcicher erklärte, „diese Forderung wird nicht mehr von der Tagesordnung der öffent¬ lichen Meinung verschwinden. Wenn Ordnung in dem staatszerruttenden Nationalitüteustreite geschaffen werden soll, so kann dies nnr durch die gesetzliche

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_288451
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_288451/205
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_288451/205>, abgerufen am 17.09.2024.