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Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Zweites Vierteljahr.

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Deutsch-böhmische Briefe.

am 5. April 1881, das Abgeordnetenhaus wolle beschließen: "In Anerkennung,
daß die für Böhmen und Mähren unterm 19. April 1880 erlassene Sprachen-
Verordnung der Regierung in keiner Weise das derselben zustehende Verordnungs¬
recht überschreitet und auch den bestehenden Gesetzen sowie dem geltenden öffent¬
lichen Rechte nicht widerspricht, wird über den Antrag . . . zur Tagesordnung
übergegangen." Der Bericht der Minderheit, vom Abgeordneten Scharschmid
verfaßt, verlangte, wieder aus triftigen Gründen, namentlich auf Grund der Er¬
wägung, "daß die durch jene Verordnung geschaffenen Zustände auf die Rechts'
pflege, besonders im deutschen Sprachgebiete Böhmens, störenden Einfluß üben
und im Verkehre der beiden Volksstämme neuen Zwiespalt hervorrufen," das
Haus wolle beschließen, zu erklären, daß es die Erlassung der gedachten
Verordnung nicht für gerechtferigt und "die Wiederherstellung des den Gesetzen
entsprechenden Zustandes" für geboten erachte, ein Verlangen, welches uner¬
füllt blieb.

Die deutsche Opposition im Wiener Abgeordnetenhause ließ sich durch diese
Mißerfolge nicht abschrecken. Am 9. Februar 1886 brachte der zu ihr gehörige
Baron Scharschmid einen Antrag betreffend die Erlassung eines Sprachen¬
gesetzes ein, der in seiner Tendenz mit dem frühern Wurmbrandschen zusammen¬
fiel, zugleich aber den Entwurf zu einem solchen Gesetze enthielt. Derselbe be¬
zeichnete in umfassender Darstellung die Gebiete, auf welchen nach der Ansicht
des Antragstellers und seiner Genossen die Geltung der deutschen Sprache im
Interesse des Reiches und des deutschen Stammes innerhalb desselben mit voller
Wahrung des sonstigen freien Spielraumes der nichtdeutschen Sprache gesetz¬
geberisch gewährleistet werden konnte. Die tschechische Presse brauste auf und
wütete einige Wochen mit gewohnter Heftigkeit gegen diesen "Faustschlag ins
Gesicht des Tschechenvolkes," diese "kolossale Unverschämtheit," dieses "ruchlose
Spiel mit den Interessen der Monarchie." Nicht einmal von einer Verweisung
des Antrages an einen Ausschuß könne die Rede sein -- hieß es weiter --, ein
solches Begehren müsse vielmehr sofort beiseite geworfen werden. Indes stieß
dieser Wunsch der Tschechen im Lager der deutschen Konservativen auf Mi߬
billigung, und selbst ein Teil der tschechischen Abgeordneten zeigte sich abgeneigt,
die Rücksichten der Höflichkeit gegen einen von der gesamten Linken unterstützten
Gesetzentwurf außer Acht zu lassen. So kam der Scharschmidsche Antrag am
12. März 1886 im Plenum des Abgeordnetenhauses zur ersten Lesung, und
die Deutschen hatten so wenigstens Gelegenheit, ihre Beschwerden darzulegen,
zu begründen und geeignete Mittel zur Abhilfe, wie sie der Entwurf enthielt,
ausführlich darzustellen. Der letztere war in seinen Forderungen maßvoll, er
hielt die richtige Mitte zwischen gewaltsamer Germanisirung und zu weitgehendem
Zurücktreten vom deutschnationalen Standpunkte. Sein Hauptziel war, die
sprachliche Einheit der Verwaltung durch gesetzliche Anerkennung der deutschen
Amtssprache zu sichern, und damit dies durchführbar sei, nahm er gewisse that-


Deutsch-böhmische Briefe.

am 5. April 1881, das Abgeordnetenhaus wolle beschließen: „In Anerkennung,
daß die für Böhmen und Mähren unterm 19. April 1880 erlassene Sprachen-
Verordnung der Regierung in keiner Weise das derselben zustehende Verordnungs¬
recht überschreitet und auch den bestehenden Gesetzen sowie dem geltenden öffent¬
lichen Rechte nicht widerspricht, wird über den Antrag . . . zur Tagesordnung
übergegangen." Der Bericht der Minderheit, vom Abgeordneten Scharschmid
verfaßt, verlangte, wieder aus triftigen Gründen, namentlich auf Grund der Er¬
wägung, „daß die durch jene Verordnung geschaffenen Zustände auf die Rechts'
pflege, besonders im deutschen Sprachgebiete Böhmens, störenden Einfluß üben
und im Verkehre der beiden Volksstämme neuen Zwiespalt hervorrufen," das
Haus wolle beschließen, zu erklären, daß es die Erlassung der gedachten
Verordnung nicht für gerechtferigt und „die Wiederherstellung des den Gesetzen
entsprechenden Zustandes" für geboten erachte, ein Verlangen, welches uner¬
füllt blieb.

Die deutsche Opposition im Wiener Abgeordnetenhause ließ sich durch diese
Mißerfolge nicht abschrecken. Am 9. Februar 1886 brachte der zu ihr gehörige
Baron Scharschmid einen Antrag betreffend die Erlassung eines Sprachen¬
gesetzes ein, der in seiner Tendenz mit dem frühern Wurmbrandschen zusammen¬
fiel, zugleich aber den Entwurf zu einem solchen Gesetze enthielt. Derselbe be¬
zeichnete in umfassender Darstellung die Gebiete, auf welchen nach der Ansicht
des Antragstellers und seiner Genossen die Geltung der deutschen Sprache im
Interesse des Reiches und des deutschen Stammes innerhalb desselben mit voller
Wahrung des sonstigen freien Spielraumes der nichtdeutschen Sprache gesetz¬
geberisch gewährleistet werden konnte. Die tschechische Presse brauste auf und
wütete einige Wochen mit gewohnter Heftigkeit gegen diesen „Faustschlag ins
Gesicht des Tschechenvolkes," diese „kolossale Unverschämtheit," dieses „ruchlose
Spiel mit den Interessen der Monarchie." Nicht einmal von einer Verweisung
des Antrages an einen Ausschuß könne die Rede sein — hieß es weiter —, ein
solches Begehren müsse vielmehr sofort beiseite geworfen werden. Indes stieß
dieser Wunsch der Tschechen im Lager der deutschen Konservativen auf Mi߬
billigung, und selbst ein Teil der tschechischen Abgeordneten zeigte sich abgeneigt,
die Rücksichten der Höflichkeit gegen einen von der gesamten Linken unterstützten
Gesetzentwurf außer Acht zu lassen. So kam der Scharschmidsche Antrag am
12. März 1886 im Plenum des Abgeordnetenhauses zur ersten Lesung, und
die Deutschen hatten so wenigstens Gelegenheit, ihre Beschwerden darzulegen,
zu begründen und geeignete Mittel zur Abhilfe, wie sie der Entwurf enthielt,
ausführlich darzustellen. Der letztere war in seinen Forderungen maßvoll, er
hielt die richtige Mitte zwischen gewaltsamer Germanisirung und zu weitgehendem
Zurücktreten vom deutschnationalen Standpunkte. Sein Hauptziel war, die
sprachliche Einheit der Verwaltung durch gesetzliche Anerkennung der deutschen
Amtssprache zu sichern, und damit dies durchführbar sei, nahm er gewisse that-


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[0204] Deutsch-böhmische Briefe. am 5. April 1881, das Abgeordnetenhaus wolle beschließen: „In Anerkennung, daß die für Böhmen und Mähren unterm 19. April 1880 erlassene Sprachen- Verordnung der Regierung in keiner Weise das derselben zustehende Verordnungs¬ recht überschreitet und auch den bestehenden Gesetzen sowie dem geltenden öffent¬ lichen Rechte nicht widerspricht, wird über den Antrag . . . zur Tagesordnung übergegangen." Der Bericht der Minderheit, vom Abgeordneten Scharschmid verfaßt, verlangte, wieder aus triftigen Gründen, namentlich auf Grund der Er¬ wägung, „daß die durch jene Verordnung geschaffenen Zustände auf die Rechts' pflege, besonders im deutschen Sprachgebiete Böhmens, störenden Einfluß üben und im Verkehre der beiden Volksstämme neuen Zwiespalt hervorrufen," das Haus wolle beschließen, zu erklären, daß es die Erlassung der gedachten Verordnung nicht für gerechtferigt und „die Wiederherstellung des den Gesetzen entsprechenden Zustandes" für geboten erachte, ein Verlangen, welches uner¬ füllt blieb. Die deutsche Opposition im Wiener Abgeordnetenhause ließ sich durch diese Mißerfolge nicht abschrecken. Am 9. Februar 1886 brachte der zu ihr gehörige Baron Scharschmid einen Antrag betreffend die Erlassung eines Sprachen¬ gesetzes ein, der in seiner Tendenz mit dem frühern Wurmbrandschen zusammen¬ fiel, zugleich aber den Entwurf zu einem solchen Gesetze enthielt. Derselbe be¬ zeichnete in umfassender Darstellung die Gebiete, auf welchen nach der Ansicht des Antragstellers und seiner Genossen die Geltung der deutschen Sprache im Interesse des Reiches und des deutschen Stammes innerhalb desselben mit voller Wahrung des sonstigen freien Spielraumes der nichtdeutschen Sprache gesetz¬ geberisch gewährleistet werden konnte. Die tschechische Presse brauste auf und wütete einige Wochen mit gewohnter Heftigkeit gegen diesen „Faustschlag ins Gesicht des Tschechenvolkes," diese „kolossale Unverschämtheit," dieses „ruchlose Spiel mit den Interessen der Monarchie." Nicht einmal von einer Verweisung des Antrages an einen Ausschuß könne die Rede sein — hieß es weiter —, ein solches Begehren müsse vielmehr sofort beiseite geworfen werden. Indes stieß dieser Wunsch der Tschechen im Lager der deutschen Konservativen auf Mi߬ billigung, und selbst ein Teil der tschechischen Abgeordneten zeigte sich abgeneigt, die Rücksichten der Höflichkeit gegen einen von der gesamten Linken unterstützten Gesetzentwurf außer Acht zu lassen. So kam der Scharschmidsche Antrag am 12. März 1886 im Plenum des Abgeordnetenhauses zur ersten Lesung, und die Deutschen hatten so wenigstens Gelegenheit, ihre Beschwerden darzulegen, zu begründen und geeignete Mittel zur Abhilfe, wie sie der Entwurf enthielt, ausführlich darzustellen. Der letztere war in seinen Forderungen maßvoll, er hielt die richtige Mitte zwischen gewaltsamer Germanisirung und zu weitgehendem Zurücktreten vom deutschnationalen Standpunkte. Sein Hauptziel war, die sprachliche Einheit der Verwaltung durch gesetzliche Anerkennung der deutschen Amtssprache zu sichern, und damit dies durchführbar sei, nahm er gewisse that-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_288451/204>, abgerufen am 17.09.2024.