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Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Zweites Vierteljahr.

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Friedrich von Gentz.

Wohl eine starke und einflußreiche Partei am Hofe - die schöne Kaiserin
Maria Ludovica stand an ihrer Spitze - schon im Frühjahre 1813 zum An¬
schluß an die Verbündeten drängte. Gentz. der gegen Ende des Jahres 1812
durch Metternich in das letzte Geheimnis seiner Politik eingeweiht worden zu
sein scheint, gehörte nun lange zu den entschiedensten Anwälten des Friedens.
Denn ans ein Abkommen mit Napoleon war das Streben des österreichischen
Ministers schon aus Besorgnis vor den, Anwachsen der russischen Macht vor¬
zugsweise gerichtet. Eine Zeit lang schien es auch erreichbar. Erst die be¬
rühmte Unterredung von Dresden - am 28. Juni - vernichtete diese Hoff¬
nung. Wohl wurde noch für die erste Juliwoche ein Friedenskongreß in Hrag
verabredet, aber es war eine leere Formalität: nun mußte es zum Kriege
kommen, und Gentz fand sich in diese Notwendigkeit, so gut wie sein Herr und
Meister. In Prag verfaßte er in den ersten Tagen des August das öster-
reichische Manifest, das in unsrer Veröffentlichung wieder abgedruckt ist. ^can
wird es auch in der That heute noch mit Genuß lesen. Strenge Beur eiler
setzen es zwar dem Manifest von 1809 nach, aber wenn dieses auch von höheren
rednerischen Schwung beseelt ist. so zeigt jenes dafür die höhere stilistische
Vollendung: es ist marmorschön und marmorkalt, alle Bewegung des Kampfes
scheint überwunden. in würdigster Fassung läßt der Sprecher d,e großen Er¬
eignisse der napoleonischen Zeit an uns vorbeiziehen. Was bedeute "it das Bot
und all die Thränen, die sie gekostet habe, gegenüber der weltgeschichtlichen
Lösung, die uns in stolzer Fernsicht nun angekündigt wird. "Die Nation uno
die Armee nierden das ihrige thun. Ein durch gemeinschaftliche Not und ge¬
meinschaftliche Interessen gestifteter Bund mit allen für die Unabhängigkeit be¬
waffneten Mächten wird unsern Anstrengungen ihr volles Gewicht geben. ^)er
Ausgang wird unter dem Beifall des Himmels die gerechten Erwartungen aller
Freunde der Ordnung und des Friedens erfüllen." Das Manifest ist w.,. eine
majestätische Ouvertüre zur Völkerschlacht von Leipzig. Gentz selbst schnev ihm
zwar nur ein Verdienst zu: ..die politische Administration der drei.letzten Jahre
°is ein Ganzes darzustellen n..d den Charakter derselben dem einsichtsvollen
Teil der Zeitgenossen anschaulich zu machen." Adam Müller aber schrieb ihm
darüber fast so begeistert, wie sieben Jahre früher Johannes von Müller übe
die Vorrede " den Fragmenten; sein Jugendfreund und Vetter Anallon nef
ihm zu: Von" "of. x.rle oomme 1e nüuiMre "utrionisn a ^ ^
Ms bei 6lo.o. "So floß der erste Balsam in mein Herz." schreibt nun
Gentz an Metternich. "Als ich nachher von allen Seiten wahrnahm daß man
das Manifest bloß wie eine klare Glasscheibe betrachtet, jenseits welcher steh
jenes politische-System, welches ich wahrlich nicht erfunden hatte, welches ge¬
ahnt zu haben mir schon Ruhm genug ist. ganz so darstellt, me es wa s
Friedrich Schlegel mir schrieb: Jetzt begreife und fühle ich. daß alles g e
s° geleitet werden mußte, wie es geleitet war. daß nichts, garnich s anders


Grenzboten II. 1837.
Friedrich von Gentz.

Wohl eine starke und einflußreiche Partei am Hofe - die schöne Kaiserin
Maria Ludovica stand an ihrer Spitze - schon im Frühjahre 1813 zum An¬
schluß an die Verbündeten drängte. Gentz. der gegen Ende des Jahres 1812
durch Metternich in das letzte Geheimnis seiner Politik eingeweiht worden zu
sein scheint, gehörte nun lange zu den entschiedensten Anwälten des Friedens.
Denn ans ein Abkommen mit Napoleon war das Streben des österreichischen
Ministers schon aus Besorgnis vor den, Anwachsen der russischen Macht vor¬
zugsweise gerichtet. Eine Zeit lang schien es auch erreichbar. Erst die be¬
rühmte Unterredung von Dresden - am 28. Juni - vernichtete diese Hoff¬
nung. Wohl wurde noch für die erste Juliwoche ein Friedenskongreß in Hrag
verabredet, aber es war eine leere Formalität: nun mußte es zum Kriege
kommen, und Gentz fand sich in diese Notwendigkeit, so gut wie sein Herr und
Meister. In Prag verfaßte er in den ersten Tagen des August das öster-
reichische Manifest, das in unsrer Veröffentlichung wieder abgedruckt ist. ^can
wird es auch in der That heute noch mit Genuß lesen. Strenge Beur eiler
setzen es zwar dem Manifest von 1809 nach, aber wenn dieses auch von höheren
rednerischen Schwung beseelt ist. so zeigt jenes dafür die höhere stilistische
Vollendung: es ist marmorschön und marmorkalt, alle Bewegung des Kampfes
scheint überwunden. in würdigster Fassung läßt der Sprecher d,e großen Er¬
eignisse der napoleonischen Zeit an uns vorbeiziehen. Was bedeute "it das Bot
und all die Thränen, die sie gekostet habe, gegenüber der weltgeschichtlichen
Lösung, die uns in stolzer Fernsicht nun angekündigt wird. „Die Nation uno
die Armee nierden das ihrige thun. Ein durch gemeinschaftliche Not und ge¬
meinschaftliche Interessen gestifteter Bund mit allen für die Unabhängigkeit be¬
waffneten Mächten wird unsern Anstrengungen ihr volles Gewicht geben. ^)er
Ausgang wird unter dem Beifall des Himmels die gerechten Erwartungen aller
Freunde der Ordnung und des Friedens erfüllen." Das Manifest ist w.,. eine
majestätische Ouvertüre zur Völkerschlacht von Leipzig. Gentz selbst schnev ihm
zwar nur ein Verdienst zu: ..die politische Administration der drei.letzten Jahre
°is ein Ganzes darzustellen n..d den Charakter derselben dem einsichtsvollen
Teil der Zeitgenossen anschaulich zu machen." Adam Müller aber schrieb ihm
darüber fast so begeistert, wie sieben Jahre früher Johannes von Müller übe
die Vorrede » den Fragmenten; sein Jugendfreund und Vetter Anallon nef
ihm zu: Von« »of. x.rle oomme 1e nüuiMre »utrionisn a ^ ^
Ms bei 6lo.o. „So floß der erste Balsam in mein Herz." schreibt nun
Gentz an Metternich. „Als ich nachher von allen Seiten wahrnahm daß man
das Manifest bloß wie eine klare Glasscheibe betrachtet, jenseits welcher steh
jenes politische-System, welches ich wahrlich nicht erfunden hatte, welches ge¬
ahnt zu haben mir schon Ruhm genug ist. ganz so darstellt, me es wa s
Friedrich Schlegel mir schrieb: Jetzt begreife und fühle ich. daß alles g e
s° geleitet werden mußte, wie es geleitet war. daß nichts, garnich s anders


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[0169] Friedrich von Gentz. Wohl eine starke und einflußreiche Partei am Hofe - die schöne Kaiserin Maria Ludovica stand an ihrer Spitze - schon im Frühjahre 1813 zum An¬ schluß an die Verbündeten drängte. Gentz. der gegen Ende des Jahres 1812 durch Metternich in das letzte Geheimnis seiner Politik eingeweiht worden zu sein scheint, gehörte nun lange zu den entschiedensten Anwälten des Friedens. Denn ans ein Abkommen mit Napoleon war das Streben des österreichischen Ministers schon aus Besorgnis vor den, Anwachsen der russischen Macht vor¬ zugsweise gerichtet. Eine Zeit lang schien es auch erreichbar. Erst die be¬ rühmte Unterredung von Dresden - am 28. Juni - vernichtete diese Hoff¬ nung. Wohl wurde noch für die erste Juliwoche ein Friedenskongreß in Hrag verabredet, aber es war eine leere Formalität: nun mußte es zum Kriege kommen, und Gentz fand sich in diese Notwendigkeit, so gut wie sein Herr und Meister. In Prag verfaßte er in den ersten Tagen des August das öster- reichische Manifest, das in unsrer Veröffentlichung wieder abgedruckt ist. ^can wird es auch in der That heute noch mit Genuß lesen. Strenge Beur eiler setzen es zwar dem Manifest von 1809 nach, aber wenn dieses auch von höheren rednerischen Schwung beseelt ist. so zeigt jenes dafür die höhere stilistische Vollendung: es ist marmorschön und marmorkalt, alle Bewegung des Kampfes scheint überwunden. in würdigster Fassung läßt der Sprecher d,e großen Er¬ eignisse der napoleonischen Zeit an uns vorbeiziehen. Was bedeute "it das Bot und all die Thränen, die sie gekostet habe, gegenüber der weltgeschichtlichen Lösung, die uns in stolzer Fernsicht nun angekündigt wird. „Die Nation uno die Armee nierden das ihrige thun. Ein durch gemeinschaftliche Not und ge¬ meinschaftliche Interessen gestifteter Bund mit allen für die Unabhängigkeit be¬ waffneten Mächten wird unsern Anstrengungen ihr volles Gewicht geben. ^)er Ausgang wird unter dem Beifall des Himmels die gerechten Erwartungen aller Freunde der Ordnung und des Friedens erfüllen." Das Manifest ist w.,. eine majestätische Ouvertüre zur Völkerschlacht von Leipzig. Gentz selbst schnev ihm zwar nur ein Verdienst zu: ..die politische Administration der drei.letzten Jahre °is ein Ganzes darzustellen n..d den Charakter derselben dem einsichtsvollen Teil der Zeitgenossen anschaulich zu machen." Adam Müller aber schrieb ihm darüber fast so begeistert, wie sieben Jahre früher Johannes von Müller übe die Vorrede » den Fragmenten; sein Jugendfreund und Vetter Anallon nef ihm zu: Von« »of. x.rle oomme 1e nüuiMre »utrionisn a ^ ^ Ms bei 6lo.o. „So floß der erste Balsam in mein Herz." schreibt nun Gentz an Metternich. „Als ich nachher von allen Seiten wahrnahm daß man das Manifest bloß wie eine klare Glasscheibe betrachtet, jenseits welcher steh jenes politische-System, welches ich wahrlich nicht erfunden hatte, welches ge¬ ahnt zu haben mir schon Ruhm genug ist. ganz so darstellt, me es wa s Friedrich Schlegel mir schrieb: Jetzt begreife und fühle ich. daß alles g e s° geleitet werden mußte, wie es geleitet war. daß nichts, garnich s anders Grenzboten II. 1837.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_288451/169>, abgerufen am 17.09.2024.