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Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Zweites Vierteljahr.

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Die Furcht vor Rußland.

scheu Streitkräfte es noch nie vermochten, den "kranken Mann" niederzuwerfen.
Die Krankheit dieses "kranken Mannes" steckt eben nicht im Blute, in den
Nerven und Muskeln seiner Soldaten, im Gegenteil, ihre Nüchternheit und
Wetterhärte befähigt sie zu den größten Strapazen."

Während wir aber darauf hinweisen, was der "Spiritus in der russischen
Armee anrichtet, brauchen wir wohl nicht besonders darauf hinzuweisen, daß
der "Geist" der russischen Armee sich mit dem der Armeen Deutschlands und
Österreichs nicht wird messen können, noch weniger die darin verteilte Summe
wu "Intelligenz." Was in der russischen Armee Intelligenz besitzt, scheint ja
dem Nihilismus verfallen! Es mag richtig sein, daß der russische Generalstab
seine tüchtigen Kräfte hat; man darf aber nicht übersehen, daß seit Peter dem
Großen vorwiegend deutscher Einfluß alle Kultur in Rußland geweckt und ge¬
pflanzt hat. Heute noch ist das eingewanderte deutsche Element der Haupt¬
träger der russischen Scheinkultur, denn etwas andres ist sie ja doch nicht,
"r^w- ig Russe, et, vous vorroiz 1s wrwro, sagte schon Napoleon und er
hatte Recht. Alle Kultur, welche in Rußland sich eingebürgert hat, ist nicht
wie bei uns in tausendjährigem Ringen ans sich selbst geschöpft und erzeugt,
also wurzelecht. nein, sie ist mühelos erborgt, gekauft, "importirt." und deshalb
auch nur künstlich zu erhalten. Daher auch die instinktive Abneigung des
Russen gegen uns Deutsche; er fühlt unsre Überlegenheit in allen Fragen der
Kultur und des gediegenen Fortschritts, er fühlt die Unmöglichkeit, es uns gleich
M thun, er fühlt das vergebliche Bemühen, unsern tausendjährigen Vorsprung
redlicher Kulturarbeit einzuholen. Daher haßt er uns und fühlt sich von dem
französischen Wesen angezogen, nicht bloß wegen des Hasses der Franzosen gegen
uns. sondern auch wegen des lune-ssout seiner Sitten. Uns kann es mir lieb
sein, wenn die Russen in selbstmörderischer Verblendung alle dentiche Kultur¬
arbeit bei sich ausroden wollen, die in ihrem Reiche ohnehin so kümmert.che
Wurzeln geschlagen, so spärliche Früchte getragen hat. Der Sarmate will
wieder ganz Sarmate werden, möge der liebe Gott ihn in diesem Vor atz be¬
stärken und der "heilige Katkoff" ihm den Rückgang erleichtern. Asien lst grotz,
und wenn irgendwo, so hat der Russe gerade im Osten seine eigentliche knltnr-
vorbereitendc Mission zu suchen. Möge er gegen Osten, nach dem Aufgang
der Sonne zu. suchen, bei uns kann er nur den Untergang finden.reutea.

Wir zweifeln freilich keinen Angenblick. daß die Russen liebe h
"orgelt gleich hungrigen Wölfen über uns herfallen möchten, "in sub auch non)
die Güter unsrer Kultur und die Früchte tausendjähriger redlicher ^ronde
zueignen. um sie dann w äulol AMlo zu verprasse", in sinnlosem Gcnissstaum l
zu Verschweigen. Diesem Ziele drängt die nihilistische Bewegung in Reblaub
ZU. und es ist sehr die Frage, ob Kaiser Alexander III. imstande sein wird an
die Dauer diese anarchistische Bewegung zurückzuhalten oder ob "'ehe ^l.u
das Verhängnis und die Fehler seiner Vorfahren auch ihn in den Abgrund


Die Furcht vor Rußland.

scheu Streitkräfte es noch nie vermochten, den „kranken Mann" niederzuwerfen.
Die Krankheit dieses „kranken Mannes" steckt eben nicht im Blute, in den
Nerven und Muskeln seiner Soldaten, im Gegenteil, ihre Nüchternheit und
Wetterhärte befähigt sie zu den größten Strapazen."

Während wir aber darauf hinweisen, was der „Spiritus in der russischen
Armee anrichtet, brauchen wir wohl nicht besonders darauf hinzuweisen, daß
der „Geist" der russischen Armee sich mit dem der Armeen Deutschlands und
Österreichs nicht wird messen können, noch weniger die darin verteilte Summe
wu „Intelligenz." Was in der russischen Armee Intelligenz besitzt, scheint ja
dem Nihilismus verfallen! Es mag richtig sein, daß der russische Generalstab
seine tüchtigen Kräfte hat; man darf aber nicht übersehen, daß seit Peter dem
Großen vorwiegend deutscher Einfluß alle Kultur in Rußland geweckt und ge¬
pflanzt hat. Heute noch ist das eingewanderte deutsche Element der Haupt¬
träger der russischen Scheinkultur, denn etwas andres ist sie ja doch nicht,
«r^w- ig Russe, et, vous vorroiz 1s wrwro, sagte schon Napoleon und er
hatte Recht. Alle Kultur, welche in Rußland sich eingebürgert hat, ist nicht
wie bei uns in tausendjährigem Ringen ans sich selbst geschöpft und erzeugt,
also wurzelecht. nein, sie ist mühelos erborgt, gekauft, „importirt." und deshalb
auch nur künstlich zu erhalten. Daher auch die instinktive Abneigung des
Russen gegen uns Deutsche; er fühlt unsre Überlegenheit in allen Fragen der
Kultur und des gediegenen Fortschritts, er fühlt die Unmöglichkeit, es uns gleich
M thun, er fühlt das vergebliche Bemühen, unsern tausendjährigen Vorsprung
redlicher Kulturarbeit einzuholen. Daher haßt er uns und fühlt sich von dem
französischen Wesen angezogen, nicht bloß wegen des Hasses der Franzosen gegen
uns. sondern auch wegen des lune-ssout seiner Sitten. Uns kann es mir lieb
sein, wenn die Russen in selbstmörderischer Verblendung alle dentiche Kultur¬
arbeit bei sich ausroden wollen, die in ihrem Reiche ohnehin so kümmert.che
Wurzeln geschlagen, so spärliche Früchte getragen hat. Der Sarmate will
wieder ganz Sarmate werden, möge der liebe Gott ihn in diesem Vor atz be¬
stärken und der „heilige Katkoff" ihm den Rückgang erleichtern. Asien lst grotz,
und wenn irgendwo, so hat der Russe gerade im Osten seine eigentliche knltnr-
vorbereitendc Mission zu suchen. Möge er gegen Osten, nach dem Aufgang
der Sonne zu. suchen, bei uns kann er nur den Untergang finden.reutea.

Wir zweifeln freilich keinen Angenblick. daß die Russen liebe h
"orgelt gleich hungrigen Wölfen über uns herfallen möchten, «in sub auch non)
die Güter unsrer Kultur und die Früchte tausendjähriger redlicher ^ronde
zueignen. um sie dann w äulol AMlo zu verprasse», in sinnlosem Gcnissstaum l
zu Verschweigen. Diesem Ziele drängt die nihilistische Bewegung in Reblaub
ZU. und es ist sehr die Frage, ob Kaiser Alexander III. imstande sein wird an
die Dauer diese anarchistische Bewegung zurückzuhalten oder ob "'ehe ^l.u
das Verhängnis und die Fehler seiner Vorfahren auch ihn in den Abgrund


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[0155] Die Furcht vor Rußland. scheu Streitkräfte es noch nie vermochten, den „kranken Mann" niederzuwerfen. Die Krankheit dieses „kranken Mannes" steckt eben nicht im Blute, in den Nerven und Muskeln seiner Soldaten, im Gegenteil, ihre Nüchternheit und Wetterhärte befähigt sie zu den größten Strapazen." Während wir aber darauf hinweisen, was der „Spiritus in der russischen Armee anrichtet, brauchen wir wohl nicht besonders darauf hinzuweisen, daß der „Geist" der russischen Armee sich mit dem der Armeen Deutschlands und Österreichs nicht wird messen können, noch weniger die darin verteilte Summe wu „Intelligenz." Was in der russischen Armee Intelligenz besitzt, scheint ja dem Nihilismus verfallen! Es mag richtig sein, daß der russische Generalstab seine tüchtigen Kräfte hat; man darf aber nicht übersehen, daß seit Peter dem Großen vorwiegend deutscher Einfluß alle Kultur in Rußland geweckt und ge¬ pflanzt hat. Heute noch ist das eingewanderte deutsche Element der Haupt¬ träger der russischen Scheinkultur, denn etwas andres ist sie ja doch nicht, «r^w- ig Russe, et, vous vorroiz 1s wrwro, sagte schon Napoleon und er hatte Recht. Alle Kultur, welche in Rußland sich eingebürgert hat, ist nicht wie bei uns in tausendjährigem Ringen ans sich selbst geschöpft und erzeugt, also wurzelecht. nein, sie ist mühelos erborgt, gekauft, „importirt." und deshalb auch nur künstlich zu erhalten. Daher auch die instinktive Abneigung des Russen gegen uns Deutsche; er fühlt unsre Überlegenheit in allen Fragen der Kultur und des gediegenen Fortschritts, er fühlt die Unmöglichkeit, es uns gleich M thun, er fühlt das vergebliche Bemühen, unsern tausendjährigen Vorsprung redlicher Kulturarbeit einzuholen. Daher haßt er uns und fühlt sich von dem französischen Wesen angezogen, nicht bloß wegen des Hasses der Franzosen gegen uns. sondern auch wegen des lune-ssout seiner Sitten. Uns kann es mir lieb sein, wenn die Russen in selbstmörderischer Verblendung alle dentiche Kultur¬ arbeit bei sich ausroden wollen, die in ihrem Reiche ohnehin so kümmert.che Wurzeln geschlagen, so spärliche Früchte getragen hat. Der Sarmate will wieder ganz Sarmate werden, möge der liebe Gott ihn in diesem Vor atz be¬ stärken und der „heilige Katkoff" ihm den Rückgang erleichtern. Asien lst grotz, und wenn irgendwo, so hat der Russe gerade im Osten seine eigentliche knltnr- vorbereitendc Mission zu suchen. Möge er gegen Osten, nach dem Aufgang der Sonne zu. suchen, bei uns kann er nur den Untergang finden.reutea. Wir zweifeln freilich keinen Angenblick. daß die Russen liebe h "orgelt gleich hungrigen Wölfen über uns herfallen möchten, «in sub auch non) die Güter unsrer Kultur und die Früchte tausendjähriger redlicher ^ronde zueignen. um sie dann w äulol AMlo zu verprasse», in sinnlosem Gcnissstaum l zu Verschweigen. Diesem Ziele drängt die nihilistische Bewegung in Reblaub ZU. und es ist sehr die Frage, ob Kaiser Alexander III. imstande sein wird an die Dauer diese anarchistische Bewegung zurückzuhalten oder ob "'ehe ^l.u das Verhängnis und die Fehler seiner Vorfahren auch ihn in den Abgrund

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_288451/155>, abgerufen am 17.09.2024.