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Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Zweites Vierteljahr.

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Jugenderinnerungen.
von Ernst Willkomm. (Fortsetzung.)

user Fuhrmann, ein schon bejahrter Bauer, der sich bereits zur
Ruhe gesetzt hatte und auf dem "Ausgedinge" wohnte, konnte
nun mit unsrer Karrete wieder nach Hause fahren. Da er aber,
wie er sich ausdrückte, nicht so dumm wieder zurückkommen
wollte, als er fortgegangen war, sah er sich Ort und Um¬
gegend ein paar Tage laug mit vielem Behagen an, versuchte sogar das
heißeste Bad, in welchem der armschlenkernde Lehmann täglich untertauchte,
und vergnügte sich wie nie zuvor in, Leben. Mit seiner Abreise empfahl sich
leider das erheiternde Element aus unsrer Mitte, denn der Vater vermißte alles,
woran er gewöhnt war, machte sich Sorge um Haus, Familie und Amt und
fühlte sich in höchst unbehaglicher Stimmung. Uns Knaben ließ er dies zwar
nicht entgelten, wir fühlten uns aber gedrückt, weil wir den Vater stets be¬
kümmert sahen und zu erheiternden Gesprächen wenig aufgelegt.

Sehr störend in unser vollkommen vereinsamtes Badeleben -- ich erinnere
mich nicht, daß wir mit irgend jemand zusammengekommen wären -- griff das
Wetter ein. Es war nicht eben kalt, aber es regnete viel und manchmal Tag
und Nacht. Das zwang uns wider Willen im Hause zu bleiben, auf das
Klatschen des Regens und das Geplätscher der ausgießenden Rinnen zu hören,
und die Menschen und Tiere zu zählen, die sich auf dem Platze sehen ließen.
Mehr als wir Brüder litt unter dem Eindruck des meistenteils schlechten
Wetters jedenfalls der Bater. Ihm war vom Arzte befohlen worden, sich viel
Bewegung zu machen, und nun goß es früh und spät mit nur seltenen Unter¬
brechungen! Wenn wir früh gemeinschaftlich nach Schönau wanderten, wo der
Vater das Steinbad brauchte, kamen wir gewöhnlich schon durchnäßt an, und




Jugenderinnerungen.
von Ernst Willkomm. (Fortsetzung.)

user Fuhrmann, ein schon bejahrter Bauer, der sich bereits zur
Ruhe gesetzt hatte und auf dem „Ausgedinge" wohnte, konnte
nun mit unsrer Karrete wieder nach Hause fahren. Da er aber,
wie er sich ausdrückte, nicht so dumm wieder zurückkommen
wollte, als er fortgegangen war, sah er sich Ort und Um¬
gegend ein paar Tage laug mit vielem Behagen an, versuchte sogar das
heißeste Bad, in welchem der armschlenkernde Lehmann täglich untertauchte,
und vergnügte sich wie nie zuvor in, Leben. Mit seiner Abreise empfahl sich
leider das erheiternde Element aus unsrer Mitte, denn der Vater vermißte alles,
woran er gewöhnt war, machte sich Sorge um Haus, Familie und Amt und
fühlte sich in höchst unbehaglicher Stimmung. Uns Knaben ließ er dies zwar
nicht entgelten, wir fühlten uns aber gedrückt, weil wir den Vater stets be¬
kümmert sahen und zu erheiternden Gesprächen wenig aufgelegt.

Sehr störend in unser vollkommen vereinsamtes Badeleben — ich erinnere
mich nicht, daß wir mit irgend jemand zusammengekommen wären — griff das
Wetter ein. Es war nicht eben kalt, aber es regnete viel und manchmal Tag
und Nacht. Das zwang uns wider Willen im Hause zu bleiben, auf das
Klatschen des Regens und das Geplätscher der ausgießenden Rinnen zu hören,
und die Menschen und Tiere zu zählen, die sich auf dem Platze sehen ließen.
Mehr als wir Brüder litt unter dem Eindruck des meistenteils schlechten
Wetters jedenfalls der Bater. Ihm war vom Arzte befohlen worden, sich viel
Bewegung zu machen, und nun goß es früh und spät mit nur seltenen Unter¬
brechungen! Wenn wir früh gemeinschaftlich nach Schönau wanderten, wo der
Vater das Steinbad brauchte, kamen wir gewöhnlich schon durchnäßt an, und


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[0142] [Abbildung] Jugenderinnerungen. von Ernst Willkomm. (Fortsetzung.) user Fuhrmann, ein schon bejahrter Bauer, der sich bereits zur Ruhe gesetzt hatte und auf dem „Ausgedinge" wohnte, konnte nun mit unsrer Karrete wieder nach Hause fahren. Da er aber, wie er sich ausdrückte, nicht so dumm wieder zurückkommen wollte, als er fortgegangen war, sah er sich Ort und Um¬ gegend ein paar Tage laug mit vielem Behagen an, versuchte sogar das heißeste Bad, in welchem der armschlenkernde Lehmann täglich untertauchte, und vergnügte sich wie nie zuvor in, Leben. Mit seiner Abreise empfahl sich leider das erheiternde Element aus unsrer Mitte, denn der Vater vermißte alles, woran er gewöhnt war, machte sich Sorge um Haus, Familie und Amt und fühlte sich in höchst unbehaglicher Stimmung. Uns Knaben ließ er dies zwar nicht entgelten, wir fühlten uns aber gedrückt, weil wir den Vater stets be¬ kümmert sahen und zu erheiternden Gesprächen wenig aufgelegt. Sehr störend in unser vollkommen vereinsamtes Badeleben — ich erinnere mich nicht, daß wir mit irgend jemand zusammengekommen wären — griff das Wetter ein. Es war nicht eben kalt, aber es regnete viel und manchmal Tag und Nacht. Das zwang uns wider Willen im Hause zu bleiben, auf das Klatschen des Regens und das Geplätscher der ausgießenden Rinnen zu hören, und die Menschen und Tiere zu zählen, die sich auf dem Platze sehen ließen. Mehr als wir Brüder litt unter dem Eindruck des meistenteils schlechten Wetters jedenfalls der Bater. Ihm war vom Arzte befohlen worden, sich viel Bewegung zu machen, und nun goß es früh und spät mit nur seltenen Unter¬ brechungen! Wenn wir früh gemeinschaftlich nach Schönau wanderten, wo der Vater das Steinbad brauchte, kamen wir gewöhnlich schon durchnäßt an, und

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_288451/142>, abgerufen am 17.09.2024.