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Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Zweites Vierteljahr.

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Und immer wieder zur Schulreform.

und zugleich innerhalb des Rahmens der von der Schule mitzuteilenden allge¬
mein menschlichen Bildung bleibt.

Auf dieser Grundlage soll sich die zukünftige Einheitsschule aufbauen. Der
Verfasser denkt sich dieselbe in drei Abstufungen. Die Unterstufe lehrt die
Kenntnis und Handhabung der unentbehrlichen Lernwerkzeugc, eingeschlossen
etwa die Elementarkenntnis eiuer lebenden fremden Sprache; sie lehrt allgemeine
praktische Naturkunde in Anwendung auf Feld und Wald, auf die Haustiere
und den eignen Körper; sie giebt neben einer genaueren geschichtlichen und
geographischen Kenntnis des Vaterlandes einen Überblick über den Kultnrgang
der Menschheit, über die Gestaltung und die Bodenerzcugnisse der Erde und
das Leben und Treiben ihrer Bewohner, sie lehrt, indem sie die konfessionelle
Ausbildung der Kirche und dem Hause überläßt, als Grundlagen der Moral
Pflichttreue, Wahrhaftigkeit, Vaterlandsliebe, Nächstenliebe. Die unterste Stufe
führt den Schüler bis ins zwölfte Jahr. Von hier tritt er, mit Aufhören des
Schulzwanges, entweder ins praktische Leben oder in die Mittelschule.

Diese lehrt die zweite lebende fremde Sprache und Latein, d. h. die Fähigkeit,
ein dem Verständnis des Schülers angemessenes Buch in lateinischer Sprache zu
lesen. Im übrigen baut die Mittelschule auf den in der untersten Stufe gelegten
Grundlagen weiter. Die unterste Stufe hat das richtige Beobachten- und
Deutenkönnen der Dinge innerhalb des nächsten und näheren Vorstellungskreises
gelehrt; die Mittelstufe erweitert das gesund entwickelte Abstraktionsvermögen
in Bezug auf das Ferne und Vergangene; sie giebt einen genaueren Einblick
in die Naturvorgänge und in die Entwicklungsgeschichte der Menschheit mit den
wesentlichen Einzelheiten, die diesen Einblick ermöglichen.

Die Oberstufe endlich bereitet vor zum speziellen wissenschaftlichen Studium
auf der Universität oder technischen Hochschule. Sie leitet zum wissenschaft¬
lichen Denken und Arbeiten an. Ihr Ziel ist die umfassende Kenntnis der
Entwicklungsgeschichte der Menschheit, die Kulturgeschichte in wissenschaftlicher
Ausgestaltung ihrer besondern Zweige, also im einzelnen: die Geschichte der
Literatur, der religiösen Entwicklung, der Entdeckungen und Erfindungen (mit
der nötigen mathematischen, chemischen, physikalischen Begründung der einzelnen
Thatsachen), die Hauptgesichtspunkte der Geschichte des Rechts und der Philo¬
sophie, die Kenntnis der wichtigsten Gesetze auf dem Gebiete der Logik, des
Staatslebens, der Rechtspflege, der Gesundheitswissenschaft.

Wir folgen dem Gedankengange des Buches nicht weiter. Die Bemerkungen
über die körperliche Ausbildung, über Hausarbeit, Zahl der wöchentlichen Unter-
richtsstunden und Nachmittagsunterricht, die praktischen Vorschläge zur An¬
bahnung und Verwirklichung des Reformwerkes, die aufgestellten Stunden¬
pläne !c. entziehen sich in der Verschiedenartigkeit und Fülle der behandelten
Einzelheiten einer gedrängten Darstellung. Auch wollen wir die Lektüre des
Buches selbst in weitern Kreisen nur anregen, nicht überflüssig machen, über-


Und immer wieder zur Schulreform.

und zugleich innerhalb des Rahmens der von der Schule mitzuteilenden allge¬
mein menschlichen Bildung bleibt.

Auf dieser Grundlage soll sich die zukünftige Einheitsschule aufbauen. Der
Verfasser denkt sich dieselbe in drei Abstufungen. Die Unterstufe lehrt die
Kenntnis und Handhabung der unentbehrlichen Lernwerkzeugc, eingeschlossen
etwa die Elementarkenntnis eiuer lebenden fremden Sprache; sie lehrt allgemeine
praktische Naturkunde in Anwendung auf Feld und Wald, auf die Haustiere
und den eignen Körper; sie giebt neben einer genaueren geschichtlichen und
geographischen Kenntnis des Vaterlandes einen Überblick über den Kultnrgang
der Menschheit, über die Gestaltung und die Bodenerzcugnisse der Erde und
das Leben und Treiben ihrer Bewohner, sie lehrt, indem sie die konfessionelle
Ausbildung der Kirche und dem Hause überläßt, als Grundlagen der Moral
Pflichttreue, Wahrhaftigkeit, Vaterlandsliebe, Nächstenliebe. Die unterste Stufe
führt den Schüler bis ins zwölfte Jahr. Von hier tritt er, mit Aufhören des
Schulzwanges, entweder ins praktische Leben oder in die Mittelschule.

Diese lehrt die zweite lebende fremde Sprache und Latein, d. h. die Fähigkeit,
ein dem Verständnis des Schülers angemessenes Buch in lateinischer Sprache zu
lesen. Im übrigen baut die Mittelschule auf den in der untersten Stufe gelegten
Grundlagen weiter. Die unterste Stufe hat das richtige Beobachten- und
Deutenkönnen der Dinge innerhalb des nächsten und näheren Vorstellungskreises
gelehrt; die Mittelstufe erweitert das gesund entwickelte Abstraktionsvermögen
in Bezug auf das Ferne und Vergangene; sie giebt einen genaueren Einblick
in die Naturvorgänge und in die Entwicklungsgeschichte der Menschheit mit den
wesentlichen Einzelheiten, die diesen Einblick ermöglichen.

Die Oberstufe endlich bereitet vor zum speziellen wissenschaftlichen Studium
auf der Universität oder technischen Hochschule. Sie leitet zum wissenschaft¬
lichen Denken und Arbeiten an. Ihr Ziel ist die umfassende Kenntnis der
Entwicklungsgeschichte der Menschheit, die Kulturgeschichte in wissenschaftlicher
Ausgestaltung ihrer besondern Zweige, also im einzelnen: die Geschichte der
Literatur, der religiösen Entwicklung, der Entdeckungen und Erfindungen (mit
der nötigen mathematischen, chemischen, physikalischen Begründung der einzelnen
Thatsachen), die Hauptgesichtspunkte der Geschichte des Rechts und der Philo¬
sophie, die Kenntnis der wichtigsten Gesetze auf dem Gebiete der Logik, des
Staatslebens, der Rechtspflege, der Gesundheitswissenschaft.

Wir folgen dem Gedankengange des Buches nicht weiter. Die Bemerkungen
über die körperliche Ausbildung, über Hausarbeit, Zahl der wöchentlichen Unter-
richtsstunden und Nachmittagsunterricht, die praktischen Vorschläge zur An¬
bahnung und Verwirklichung des Reformwerkes, die aufgestellten Stunden¬
pläne !c. entziehen sich in der Verschiedenartigkeit und Fülle der behandelten
Einzelheiten einer gedrängten Darstellung. Auch wollen wir die Lektüre des
Buches selbst in weitern Kreisen nur anregen, nicht überflüssig machen, über-


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[0122] Und immer wieder zur Schulreform. und zugleich innerhalb des Rahmens der von der Schule mitzuteilenden allge¬ mein menschlichen Bildung bleibt. Auf dieser Grundlage soll sich die zukünftige Einheitsschule aufbauen. Der Verfasser denkt sich dieselbe in drei Abstufungen. Die Unterstufe lehrt die Kenntnis und Handhabung der unentbehrlichen Lernwerkzeugc, eingeschlossen etwa die Elementarkenntnis eiuer lebenden fremden Sprache; sie lehrt allgemeine praktische Naturkunde in Anwendung auf Feld und Wald, auf die Haustiere und den eignen Körper; sie giebt neben einer genaueren geschichtlichen und geographischen Kenntnis des Vaterlandes einen Überblick über den Kultnrgang der Menschheit, über die Gestaltung und die Bodenerzcugnisse der Erde und das Leben und Treiben ihrer Bewohner, sie lehrt, indem sie die konfessionelle Ausbildung der Kirche und dem Hause überläßt, als Grundlagen der Moral Pflichttreue, Wahrhaftigkeit, Vaterlandsliebe, Nächstenliebe. Die unterste Stufe führt den Schüler bis ins zwölfte Jahr. Von hier tritt er, mit Aufhören des Schulzwanges, entweder ins praktische Leben oder in die Mittelschule. Diese lehrt die zweite lebende fremde Sprache und Latein, d. h. die Fähigkeit, ein dem Verständnis des Schülers angemessenes Buch in lateinischer Sprache zu lesen. Im übrigen baut die Mittelschule auf den in der untersten Stufe gelegten Grundlagen weiter. Die unterste Stufe hat das richtige Beobachten- und Deutenkönnen der Dinge innerhalb des nächsten und näheren Vorstellungskreises gelehrt; die Mittelstufe erweitert das gesund entwickelte Abstraktionsvermögen in Bezug auf das Ferne und Vergangene; sie giebt einen genaueren Einblick in die Naturvorgänge und in die Entwicklungsgeschichte der Menschheit mit den wesentlichen Einzelheiten, die diesen Einblick ermöglichen. Die Oberstufe endlich bereitet vor zum speziellen wissenschaftlichen Studium auf der Universität oder technischen Hochschule. Sie leitet zum wissenschaft¬ lichen Denken und Arbeiten an. Ihr Ziel ist die umfassende Kenntnis der Entwicklungsgeschichte der Menschheit, die Kulturgeschichte in wissenschaftlicher Ausgestaltung ihrer besondern Zweige, also im einzelnen: die Geschichte der Literatur, der religiösen Entwicklung, der Entdeckungen und Erfindungen (mit der nötigen mathematischen, chemischen, physikalischen Begründung der einzelnen Thatsachen), die Hauptgesichtspunkte der Geschichte des Rechts und der Philo¬ sophie, die Kenntnis der wichtigsten Gesetze auf dem Gebiete der Logik, des Staatslebens, der Rechtspflege, der Gesundheitswissenschaft. Wir folgen dem Gedankengange des Buches nicht weiter. Die Bemerkungen über die körperliche Ausbildung, über Hausarbeit, Zahl der wöchentlichen Unter- richtsstunden und Nachmittagsunterricht, die praktischen Vorschläge zur An¬ bahnung und Verwirklichung des Reformwerkes, die aufgestellten Stunden¬ pläne !c. entziehen sich in der Verschiedenartigkeit und Fülle der behandelten Einzelheiten einer gedrängten Darstellung. Auch wollen wir die Lektüre des Buches selbst in weitern Kreisen nur anregen, nicht überflüssig machen, über-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_288451/122>, abgerufen am 17.09.2024.