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Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Viertes Vierteljahr.

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Ver Rheinbund.

wichtigen Festung Torgau eingeschlossen. Der Versuch des kühnen Generals
von Thielmann, die Sachsen zu den Verbündeten hinüberzuführen, mißlang.
Inzwischen aber erstrahlte der Stern des Kaisers in neuem Glänze. Bei Groß-
Görschen war der Sieg seinen goldnen Adlern mit den Blitzstrahlen treu ge¬
blieben. Das berauschende: Vivo I'Nux<zrsur! der siegreichen Truppen übertönte
und erstickte jeden Widerspruch, jedes Bedenken. Das ?r68ti^6 war wieder
hergestellt. Der König von Sachsen kehrte zurück; sein Heer schloß sich
bedingungslos wieder den Franzosen an; Torgau vervollständigte die mächtige
Stellung Napoleons an der Elbe; der Rheinbund erschien wieder ebenso uner¬
schütterlich wie das Llranä ünixirs. Noch in vielen Schlachten verspritzten die
Rheinbundstruppen ihr Blut für ihren Protektor.

Derjenige Staat, der zuerst auf die Seite des Reichs- und Landesfeindes
getreten war, der bei weitem die meisten Vorteile aus dieser Verbindung gezogen
hatte, war auch der erste, der sich von dem Rheinbunde lossagte, sich den Ver¬
bündeten anschloß und noch einige Tage vor der entscheidenden Leipziger Schlacht
(schon am 14. Oktober 1813) an Frankreich den Krieg erklärte: Baiern. Zwar
soll nicht verschwiegen werden, daß diesem Lande die furchtbarsten Opfer zu¬
gemutet worden waren; man denke nur an die 30 00V Landeskinder, die der
russische Feldzug verschlungen hatte! Aber auf diese Politik Napoleon gegen¬
über paßt doch nur das Sprichwort: Die Ratten verlassen das sinkende Schiff.
Und schwer genug wurde dieser Entschluß dem König Max und seinem Minister
Montgelas. Dafür waren sie auch sehr vorsichtig: in Sachsen unter Napoleons
Fahnen stand nur ein kleiner Teil des bairischen Heeres; die Hauptmacht hatte
man unter allerlei Vorwänden im Lande zurückgehalten. Im Vertrage von
Ried (8. Oktober 1813) hatte sich Baiern außerdem nicht nur seine volle
Souveränität, sondern auch gleichwertige Entschädigung für jegliche Abtretung
zusichern lassen. Endlich wurde auch die Brücke zu einer Wiederanknüpfung
mit Frankreich offen gehalten. Sagte doch Montgelas noch beim Abschiede zu
dem französischen Gesandten: "Ist die Ruhe einmal wieder hergestellt, so seien
Sie von einem fest überzeugt: daß Baiern Frankreich stets nötig hat!" Wenn
Napoleon bitter über Baierns Undankbarkeit klagte, so war dies von seinem
Standpunkte aus gewiß nicht ungerechtfertigt.

Das war der erste Riß, der durch den Rheinbund ging, 1s oonunenosillönt,
as ig. lin, um auf diese französische Schöpfung das bekannte Wort von Talleyrand
anzuwenden. Hatte der Rheinbund nur ein kurzes Leben gehabt, so hatte er
auch, ungleich dem alten Reiche, nur einen kurzen Todeskampf. Schon vier Tage
nach der bairischen Kriegserklärung, am 18. Oktober ruhmreichen Angedenkens,
gingen die Reste der sächsischen Truppen und einige Württemberger in offner
Feldschlacht mit fliegenden Fahnen zu den Verbündeten über. Unmittelbar nach
der Schlacht brach die erbärmliche Herrlichkeit und Majestät des Königs Jerome
zusammen; die willkürlich und unnatürlich zusammengewürfelten Bestandteile


Ver Rheinbund.

wichtigen Festung Torgau eingeschlossen. Der Versuch des kühnen Generals
von Thielmann, die Sachsen zu den Verbündeten hinüberzuführen, mißlang.
Inzwischen aber erstrahlte der Stern des Kaisers in neuem Glänze. Bei Groß-
Görschen war der Sieg seinen goldnen Adlern mit den Blitzstrahlen treu ge¬
blieben. Das berauschende: Vivo I'Nux<zrsur! der siegreichen Truppen übertönte
und erstickte jeden Widerspruch, jedes Bedenken. Das ?r68ti^6 war wieder
hergestellt. Der König von Sachsen kehrte zurück; sein Heer schloß sich
bedingungslos wieder den Franzosen an; Torgau vervollständigte die mächtige
Stellung Napoleons an der Elbe; der Rheinbund erschien wieder ebenso uner¬
schütterlich wie das Llranä ünixirs. Noch in vielen Schlachten verspritzten die
Rheinbundstruppen ihr Blut für ihren Protektor.

Derjenige Staat, der zuerst auf die Seite des Reichs- und Landesfeindes
getreten war, der bei weitem die meisten Vorteile aus dieser Verbindung gezogen
hatte, war auch der erste, der sich von dem Rheinbunde lossagte, sich den Ver¬
bündeten anschloß und noch einige Tage vor der entscheidenden Leipziger Schlacht
(schon am 14. Oktober 1813) an Frankreich den Krieg erklärte: Baiern. Zwar
soll nicht verschwiegen werden, daß diesem Lande die furchtbarsten Opfer zu¬
gemutet worden waren; man denke nur an die 30 00V Landeskinder, die der
russische Feldzug verschlungen hatte! Aber auf diese Politik Napoleon gegen¬
über paßt doch nur das Sprichwort: Die Ratten verlassen das sinkende Schiff.
Und schwer genug wurde dieser Entschluß dem König Max und seinem Minister
Montgelas. Dafür waren sie auch sehr vorsichtig: in Sachsen unter Napoleons
Fahnen stand nur ein kleiner Teil des bairischen Heeres; die Hauptmacht hatte
man unter allerlei Vorwänden im Lande zurückgehalten. Im Vertrage von
Ried (8. Oktober 1813) hatte sich Baiern außerdem nicht nur seine volle
Souveränität, sondern auch gleichwertige Entschädigung für jegliche Abtretung
zusichern lassen. Endlich wurde auch die Brücke zu einer Wiederanknüpfung
mit Frankreich offen gehalten. Sagte doch Montgelas noch beim Abschiede zu
dem französischen Gesandten: „Ist die Ruhe einmal wieder hergestellt, so seien
Sie von einem fest überzeugt: daß Baiern Frankreich stets nötig hat!" Wenn
Napoleon bitter über Baierns Undankbarkeit klagte, so war dies von seinem
Standpunkte aus gewiß nicht ungerechtfertigt.

Das war der erste Riß, der durch den Rheinbund ging, 1s oonunenosillönt,
as ig. lin, um auf diese französische Schöpfung das bekannte Wort von Talleyrand
anzuwenden. Hatte der Rheinbund nur ein kurzes Leben gehabt, so hatte er
auch, ungleich dem alten Reiche, nur einen kurzen Todeskampf. Schon vier Tage
nach der bairischen Kriegserklärung, am 18. Oktober ruhmreichen Angedenkens,
gingen die Reste der sächsischen Truppen und einige Württemberger in offner
Feldschlacht mit fliegenden Fahnen zu den Verbündeten über. Unmittelbar nach
der Schlacht brach die erbärmliche Herrlichkeit und Majestät des Königs Jerome
zusammen; die willkürlich und unnatürlich zusammengewürfelten Bestandteile


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[0634] Ver Rheinbund. wichtigen Festung Torgau eingeschlossen. Der Versuch des kühnen Generals von Thielmann, die Sachsen zu den Verbündeten hinüberzuführen, mißlang. Inzwischen aber erstrahlte der Stern des Kaisers in neuem Glänze. Bei Groß- Görschen war der Sieg seinen goldnen Adlern mit den Blitzstrahlen treu ge¬ blieben. Das berauschende: Vivo I'Nux<zrsur! der siegreichen Truppen übertönte und erstickte jeden Widerspruch, jedes Bedenken. Das ?r68ti^6 war wieder hergestellt. Der König von Sachsen kehrte zurück; sein Heer schloß sich bedingungslos wieder den Franzosen an; Torgau vervollständigte die mächtige Stellung Napoleons an der Elbe; der Rheinbund erschien wieder ebenso uner¬ schütterlich wie das Llranä ünixirs. Noch in vielen Schlachten verspritzten die Rheinbundstruppen ihr Blut für ihren Protektor. Derjenige Staat, der zuerst auf die Seite des Reichs- und Landesfeindes getreten war, der bei weitem die meisten Vorteile aus dieser Verbindung gezogen hatte, war auch der erste, der sich von dem Rheinbunde lossagte, sich den Ver¬ bündeten anschloß und noch einige Tage vor der entscheidenden Leipziger Schlacht (schon am 14. Oktober 1813) an Frankreich den Krieg erklärte: Baiern. Zwar soll nicht verschwiegen werden, daß diesem Lande die furchtbarsten Opfer zu¬ gemutet worden waren; man denke nur an die 30 00V Landeskinder, die der russische Feldzug verschlungen hatte! Aber auf diese Politik Napoleon gegen¬ über paßt doch nur das Sprichwort: Die Ratten verlassen das sinkende Schiff. Und schwer genug wurde dieser Entschluß dem König Max und seinem Minister Montgelas. Dafür waren sie auch sehr vorsichtig: in Sachsen unter Napoleons Fahnen stand nur ein kleiner Teil des bairischen Heeres; die Hauptmacht hatte man unter allerlei Vorwänden im Lande zurückgehalten. Im Vertrage von Ried (8. Oktober 1813) hatte sich Baiern außerdem nicht nur seine volle Souveränität, sondern auch gleichwertige Entschädigung für jegliche Abtretung zusichern lassen. Endlich wurde auch die Brücke zu einer Wiederanknüpfung mit Frankreich offen gehalten. Sagte doch Montgelas noch beim Abschiede zu dem französischen Gesandten: „Ist die Ruhe einmal wieder hergestellt, so seien Sie von einem fest überzeugt: daß Baiern Frankreich stets nötig hat!" Wenn Napoleon bitter über Baierns Undankbarkeit klagte, so war dies von seinem Standpunkte aus gewiß nicht ungerechtfertigt. Das war der erste Riß, der durch den Rheinbund ging, 1s oonunenosillönt, as ig. lin, um auf diese französische Schöpfung das bekannte Wort von Talleyrand anzuwenden. Hatte der Rheinbund nur ein kurzes Leben gehabt, so hatte er auch, ungleich dem alten Reiche, nur einen kurzen Todeskampf. Schon vier Tage nach der bairischen Kriegserklärung, am 18. Oktober ruhmreichen Angedenkens, gingen die Reste der sächsischen Truppen und einige Württemberger in offner Feldschlacht mit fliegenden Fahnen zu den Verbündeten über. Unmittelbar nach der Schlacht brach die erbärmliche Herrlichkeit und Majestät des Königs Jerome zusammen; die willkürlich und unnatürlich zusammengewürfelten Bestandteile

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_201428/634>, abgerufen am 23.07.2024.