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Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Viertes Vierteljahr.

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kaiserliche Prinzipalkommissarius noch ebenso lange in Regensburg blieb, so
sind das nur diplomatische Redensarten und äußerliche Formalitäten, welche
der Wirklichkeit nicht mehr entsprechen. Unbestreitbar ist, daß Provinzen, die der
erblichen österreichischen Gesamtmonarchie angehörten, nicht zugleich auch Glieder
des Reiches sein konnten. Auf den Verlauf der geschichtlichen Ereignisse hat dieser
Vorgang irgend welchen wesentlichen Einfluß nicht geübt. Aber bemerkenswert und
interessant ist es doch, daß es gerade zuerst der Kaiser war, der seine Lande
vom deutschen Reichskörper lostrennte. Darum soll dieser Umstand, der ziemlich
wenig bekannt ist, hier besonders hervorgehoben werden.

In dem Kriege des folgenden Jahres, 1805, kämpften Baiern, Württem¬
berg und Baden offen auf Seiten Napoleons, und gerade diesen deutschen
Truppen verdankte der Imperator nicht zum wenigsten die Erfolge von Ulm
und Austerlitz. Im Frieden zu Presburg, zu dem sich das zwar gedemütigte,
aber noch lange nicht völlig besiegte Osterreich kleinmütig und voreilig hinreißen
ließ, wurden die militärischen Erfolge des Feldzuges diplomatisch ausgenutzt.
Die französische Vasallenschaft trug den deutschen Staaten, die dem Erbfeinde
Handlangerdienste leisteten, reiche Früchte. Abgesehen von den Gebiets¬
erwerbungen, die hier nicht besprochen werden sollen, erlangten Baiern und
Württemberg die Königswürde, die so heiß ersehnte, freilich doch im Grunde nur
schattenhafte "Souveränität," um deretwillen nicht bloß unsäglich viel Gut und
Blut der Länder in fremden Diensten nutzlos vergeudet, sondern auch deutsche
Fürsten- und Volksehre schmachvoll besudelt worden war. Damit waren
thatsächlich wieder zwei deutsche Staaten aus dem Reichsverbande ausge¬
schieden. Zwar trugen seit mehr als hundert Jahren die Kurfürsten von
Brandenburg die preußische Königskrone; aber Preußen stand außerhalb des
Reiches und war mit Brandenburg nur durch Personalunion verbunden.
Sächsische Kurfürsten waren polnische Wahlkönige gewesen. Die Kurfürsten von
Hannover saßen seit 1714 auf dem Throne von Großbritannien. Aber Polen
und England waren europäische Mächte, die mit dem Reiche nichts zu thun
hatten. Daß aber innerhalb desselben außer dem "Römischen Kaiser und
Könige in Germanien," der allein "souverän" war, für andre souveräne Könige
nach Reichsstaatsrecht kein Platz war, ist unbestreitbar. Daß die beiden
genannten Staaten thatsächlich aus dem Reiche geschieden waren, wird auch
nicht geändert durch die feine Redewendung der Negierung des "Kaisers von
Deutschland" -- dieser Titel statt des bisherigen "Römischer Kaiser" findet
sich da zum erstenmale in einer Staatsschrift --, der die neuen Königstitel von
Napoleons Gnaden nur mit dem Vorbehalt anerkannte, "daß diese Könige
deshalb nicht aufhörten, dem deutschen Bunde (Z, 1a eonflZävrÄtioii Aerina.uiciu<z)
-- auch diese Bezeichnung kommt damals zuerst vor -- anzugehören." Diese
hohle Redensart änderte an der Thatsache nichts.

Jetzt endlich schien dem neuen Weltstürmer die Zeit gekommen, dem armen,


Grenzboten IV. 1887. 73

kaiserliche Prinzipalkommissarius noch ebenso lange in Regensburg blieb, so
sind das nur diplomatische Redensarten und äußerliche Formalitäten, welche
der Wirklichkeit nicht mehr entsprechen. Unbestreitbar ist, daß Provinzen, die der
erblichen österreichischen Gesamtmonarchie angehörten, nicht zugleich auch Glieder
des Reiches sein konnten. Auf den Verlauf der geschichtlichen Ereignisse hat dieser
Vorgang irgend welchen wesentlichen Einfluß nicht geübt. Aber bemerkenswert und
interessant ist es doch, daß es gerade zuerst der Kaiser war, der seine Lande
vom deutschen Reichskörper lostrennte. Darum soll dieser Umstand, der ziemlich
wenig bekannt ist, hier besonders hervorgehoben werden.

In dem Kriege des folgenden Jahres, 1805, kämpften Baiern, Württem¬
berg und Baden offen auf Seiten Napoleons, und gerade diesen deutschen
Truppen verdankte der Imperator nicht zum wenigsten die Erfolge von Ulm
und Austerlitz. Im Frieden zu Presburg, zu dem sich das zwar gedemütigte,
aber noch lange nicht völlig besiegte Osterreich kleinmütig und voreilig hinreißen
ließ, wurden die militärischen Erfolge des Feldzuges diplomatisch ausgenutzt.
Die französische Vasallenschaft trug den deutschen Staaten, die dem Erbfeinde
Handlangerdienste leisteten, reiche Früchte. Abgesehen von den Gebiets¬
erwerbungen, die hier nicht besprochen werden sollen, erlangten Baiern und
Württemberg die Königswürde, die so heiß ersehnte, freilich doch im Grunde nur
schattenhafte „Souveränität," um deretwillen nicht bloß unsäglich viel Gut und
Blut der Länder in fremden Diensten nutzlos vergeudet, sondern auch deutsche
Fürsten- und Volksehre schmachvoll besudelt worden war. Damit waren
thatsächlich wieder zwei deutsche Staaten aus dem Reichsverbande ausge¬
schieden. Zwar trugen seit mehr als hundert Jahren die Kurfürsten von
Brandenburg die preußische Königskrone; aber Preußen stand außerhalb des
Reiches und war mit Brandenburg nur durch Personalunion verbunden.
Sächsische Kurfürsten waren polnische Wahlkönige gewesen. Die Kurfürsten von
Hannover saßen seit 1714 auf dem Throne von Großbritannien. Aber Polen
und England waren europäische Mächte, die mit dem Reiche nichts zu thun
hatten. Daß aber innerhalb desselben außer dem „Römischen Kaiser und
Könige in Germanien," der allein „souverän" war, für andre souveräne Könige
nach Reichsstaatsrecht kein Platz war, ist unbestreitbar. Daß die beiden
genannten Staaten thatsächlich aus dem Reiche geschieden waren, wird auch
nicht geändert durch die feine Redewendung der Negierung des „Kaisers von
Deutschland" — dieser Titel statt des bisherigen „Römischer Kaiser" findet
sich da zum erstenmale in einer Staatsschrift —, der die neuen Königstitel von
Napoleons Gnaden nur mit dem Vorbehalt anerkannte, „daß diese Könige
deshalb nicht aufhörten, dem deutschen Bunde (Z, 1a eonflZävrÄtioii Aerina.uiciu<z)
— auch diese Bezeichnung kommt damals zuerst vor — anzugehören." Diese
hohle Redensart änderte an der Thatsache nichts.

Jetzt endlich schien dem neuen Weltstürmer die Zeit gekommen, dem armen,


Grenzboten IV. 1887. 73
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[0585] kaiserliche Prinzipalkommissarius noch ebenso lange in Regensburg blieb, so sind das nur diplomatische Redensarten und äußerliche Formalitäten, welche der Wirklichkeit nicht mehr entsprechen. Unbestreitbar ist, daß Provinzen, die der erblichen österreichischen Gesamtmonarchie angehörten, nicht zugleich auch Glieder des Reiches sein konnten. Auf den Verlauf der geschichtlichen Ereignisse hat dieser Vorgang irgend welchen wesentlichen Einfluß nicht geübt. Aber bemerkenswert und interessant ist es doch, daß es gerade zuerst der Kaiser war, der seine Lande vom deutschen Reichskörper lostrennte. Darum soll dieser Umstand, der ziemlich wenig bekannt ist, hier besonders hervorgehoben werden. In dem Kriege des folgenden Jahres, 1805, kämpften Baiern, Württem¬ berg und Baden offen auf Seiten Napoleons, und gerade diesen deutschen Truppen verdankte der Imperator nicht zum wenigsten die Erfolge von Ulm und Austerlitz. Im Frieden zu Presburg, zu dem sich das zwar gedemütigte, aber noch lange nicht völlig besiegte Osterreich kleinmütig und voreilig hinreißen ließ, wurden die militärischen Erfolge des Feldzuges diplomatisch ausgenutzt. Die französische Vasallenschaft trug den deutschen Staaten, die dem Erbfeinde Handlangerdienste leisteten, reiche Früchte. Abgesehen von den Gebiets¬ erwerbungen, die hier nicht besprochen werden sollen, erlangten Baiern und Württemberg die Königswürde, die so heiß ersehnte, freilich doch im Grunde nur schattenhafte „Souveränität," um deretwillen nicht bloß unsäglich viel Gut und Blut der Länder in fremden Diensten nutzlos vergeudet, sondern auch deutsche Fürsten- und Volksehre schmachvoll besudelt worden war. Damit waren thatsächlich wieder zwei deutsche Staaten aus dem Reichsverbande ausge¬ schieden. Zwar trugen seit mehr als hundert Jahren die Kurfürsten von Brandenburg die preußische Königskrone; aber Preußen stand außerhalb des Reiches und war mit Brandenburg nur durch Personalunion verbunden. Sächsische Kurfürsten waren polnische Wahlkönige gewesen. Die Kurfürsten von Hannover saßen seit 1714 auf dem Throne von Großbritannien. Aber Polen und England waren europäische Mächte, die mit dem Reiche nichts zu thun hatten. Daß aber innerhalb desselben außer dem „Römischen Kaiser und Könige in Germanien," der allein „souverän" war, für andre souveräne Könige nach Reichsstaatsrecht kein Platz war, ist unbestreitbar. Daß die beiden genannten Staaten thatsächlich aus dem Reiche geschieden waren, wird auch nicht geändert durch die feine Redewendung der Negierung des „Kaisers von Deutschland" — dieser Titel statt des bisherigen „Römischer Kaiser" findet sich da zum erstenmale in einer Staatsschrift —, der die neuen Königstitel von Napoleons Gnaden nur mit dem Vorbehalt anerkannte, „daß diese Könige deshalb nicht aufhörten, dem deutschen Bunde (Z, 1a eonflZävrÄtioii Aerina.uiciu<z) — auch diese Bezeichnung kommt damals zuerst vor — anzugehören." Diese hohle Redensart änderte an der Thatsache nichts. Jetzt endlich schien dem neuen Weltstürmer die Zeit gekommen, dem armen, Grenzboten IV. 1887. 73

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_201428/585>, abgerufen am 22.07.2024.