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Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Viertes Vierteljahr.

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Die katholischen Studentenverbindungen.

Daß Rektor und Professoren an vielen Universitäten die Stiftungsfeste sämt¬
licher Korporationen, welcher Richtung sie auch angehören mögen, mit ihrer
Gegenwart beehren, wenn auch aus sehr verschiednen, zuweilen der betreffenden
Verbindung keineswegs schmeichelhaften Beweggründen, hatte man wohlweislich
nicht erwähnt.

In dieser und ähnlicher Weise wird durch die Presse für die katholischen
Verbindungen "geteilt." Außerdem sucht, namentlich in kleinern Städten und
auf dem Lande, die katholische Geistlichkeit ihren Einfluß auf die angehenden
Studenten auszuüben, oder die Eltern und Vormünder werden bearbeitet.

Wenn jemand, der dem akademischen Leben fern gestanden hat, auch das
Leben und Treiben der akademischen Jugend aus eigner Anschauung nicht kennt,
dergleichen überschwängliche Lobeserhebungen liest und hört, so muß er doch
wirklich meinen, daß schon der Beitritt zu einer katholischen Verbindung die
Bürgschaft biete, daß aus dem Studenten in jeder Beziehung ein tüchtiger
Manu werden wird, daß es dagegen bei andern Studentenverbindungen traurig
aussehen müsse. Untersuchen wir aber, wie sich die Sache in Wirklichkeit ver¬
hält, so finden wir, daß diese Schilderungen der Vorzüge der katholischen Ver¬
bindungen teils nichtssagende Phrasen sind, teils das Leben einer Verbindung
ausmalen, die sich vielleicht in Utopien befindet, in Wahrheit aber an keiner
deutschen Hochschule zu finden ist. Zu den nichtssagenden Phrasen gehört zu¬
nächst die, daß die Verbindung bestrebt sei, ihre Mitglieder zu tüchtigen Ge¬
lehrten und Berufsmenschen zu erziehen das kann überhaupt keine Verbindung,
dahin muß jeder selber streben. Bleibt es doch selbst recht zweifelhaft, ob die
rein wissenschaftlichen Vereine, die sich jetzt in großer Zahl an unsern Hoch¬
schulen aufgethan haben, in wissenschaftlicher Hinsicht mehr schaden oder nützen;
das erstere wird von recht zuständigen Beurteilern behauptet. Nun vollends
eine aus den verschiedensten Elementen und Fachkreisen zusammengesetzte Ver¬
bindung! Ebenso verhält es sich mit der so gepriesenen Wissenschaftlichkeit,
deren gemeinsamem Arbeiten u. s. w. in den katholischen Verbindungen. Die Ver¬
bindung kann auch hier nur durch den allgemeinen wissenschaftlichen Geist, der
in ihr lebt, auf ihre Mitglieder wirken. Man findet deshalb bei den katho¬
lischen Verbindungen gewiß eine Anzahl Mitglieder, welche eifrig arbeiten, aber
auch wieder andre, die wenig oder nichts thun und die Zeit mit Kartenspielen
und dergleichen hinbringen, gerade wie bei andern Studentenverbindungen auch,
und gerade wie bei denjenigen Studenten, die sich keiner Verbindung ange¬
schlossen haben. Beruhte die Reklame auf Wahrheit, so müßte es längst auf¬
gefallen sein, daß gerade Mitglieder der genannten Verbindungen sich durch
ausgezeichnete Prüfungserfolge hervorgethan hätten, wie dies wohl zuweilen von
andern Studentenvereinen gerühmt wird; davon verlautet aber nichts. In
gleicher Weise ist die Mitteilung, daß durch Vorträge der Gesichtskreis der
Mitglieder erweitert würde, nichts als Reklame. Der Student ist meistens noch


Grenzboten IV. 1837. 59
Die katholischen Studentenverbindungen.

Daß Rektor und Professoren an vielen Universitäten die Stiftungsfeste sämt¬
licher Korporationen, welcher Richtung sie auch angehören mögen, mit ihrer
Gegenwart beehren, wenn auch aus sehr verschiednen, zuweilen der betreffenden
Verbindung keineswegs schmeichelhaften Beweggründen, hatte man wohlweislich
nicht erwähnt.

In dieser und ähnlicher Weise wird durch die Presse für die katholischen
Verbindungen „geteilt." Außerdem sucht, namentlich in kleinern Städten und
auf dem Lande, die katholische Geistlichkeit ihren Einfluß auf die angehenden
Studenten auszuüben, oder die Eltern und Vormünder werden bearbeitet.

Wenn jemand, der dem akademischen Leben fern gestanden hat, auch das
Leben und Treiben der akademischen Jugend aus eigner Anschauung nicht kennt,
dergleichen überschwängliche Lobeserhebungen liest und hört, so muß er doch
wirklich meinen, daß schon der Beitritt zu einer katholischen Verbindung die
Bürgschaft biete, daß aus dem Studenten in jeder Beziehung ein tüchtiger
Manu werden wird, daß es dagegen bei andern Studentenverbindungen traurig
aussehen müsse. Untersuchen wir aber, wie sich die Sache in Wirklichkeit ver¬
hält, so finden wir, daß diese Schilderungen der Vorzüge der katholischen Ver¬
bindungen teils nichtssagende Phrasen sind, teils das Leben einer Verbindung
ausmalen, die sich vielleicht in Utopien befindet, in Wahrheit aber an keiner
deutschen Hochschule zu finden ist. Zu den nichtssagenden Phrasen gehört zu¬
nächst die, daß die Verbindung bestrebt sei, ihre Mitglieder zu tüchtigen Ge¬
lehrten und Berufsmenschen zu erziehen das kann überhaupt keine Verbindung,
dahin muß jeder selber streben. Bleibt es doch selbst recht zweifelhaft, ob die
rein wissenschaftlichen Vereine, die sich jetzt in großer Zahl an unsern Hoch¬
schulen aufgethan haben, in wissenschaftlicher Hinsicht mehr schaden oder nützen;
das erstere wird von recht zuständigen Beurteilern behauptet. Nun vollends
eine aus den verschiedensten Elementen und Fachkreisen zusammengesetzte Ver¬
bindung! Ebenso verhält es sich mit der so gepriesenen Wissenschaftlichkeit,
deren gemeinsamem Arbeiten u. s. w. in den katholischen Verbindungen. Die Ver¬
bindung kann auch hier nur durch den allgemeinen wissenschaftlichen Geist, der
in ihr lebt, auf ihre Mitglieder wirken. Man findet deshalb bei den katho¬
lischen Verbindungen gewiß eine Anzahl Mitglieder, welche eifrig arbeiten, aber
auch wieder andre, die wenig oder nichts thun und die Zeit mit Kartenspielen
und dergleichen hinbringen, gerade wie bei andern Studentenverbindungen auch,
und gerade wie bei denjenigen Studenten, die sich keiner Verbindung ange¬
schlossen haben. Beruhte die Reklame auf Wahrheit, so müßte es längst auf¬
gefallen sein, daß gerade Mitglieder der genannten Verbindungen sich durch
ausgezeichnete Prüfungserfolge hervorgethan hätten, wie dies wohl zuweilen von
andern Studentenvereinen gerühmt wird; davon verlautet aber nichts. In
gleicher Weise ist die Mitteilung, daß durch Vorträge der Gesichtskreis der
Mitglieder erweitert würde, nichts als Reklame. Der Student ist meistens noch


Grenzboten IV. 1837. 59
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[0473] Die katholischen Studentenverbindungen. Daß Rektor und Professoren an vielen Universitäten die Stiftungsfeste sämt¬ licher Korporationen, welcher Richtung sie auch angehören mögen, mit ihrer Gegenwart beehren, wenn auch aus sehr verschiednen, zuweilen der betreffenden Verbindung keineswegs schmeichelhaften Beweggründen, hatte man wohlweislich nicht erwähnt. In dieser und ähnlicher Weise wird durch die Presse für die katholischen Verbindungen „geteilt." Außerdem sucht, namentlich in kleinern Städten und auf dem Lande, die katholische Geistlichkeit ihren Einfluß auf die angehenden Studenten auszuüben, oder die Eltern und Vormünder werden bearbeitet. Wenn jemand, der dem akademischen Leben fern gestanden hat, auch das Leben und Treiben der akademischen Jugend aus eigner Anschauung nicht kennt, dergleichen überschwängliche Lobeserhebungen liest und hört, so muß er doch wirklich meinen, daß schon der Beitritt zu einer katholischen Verbindung die Bürgschaft biete, daß aus dem Studenten in jeder Beziehung ein tüchtiger Manu werden wird, daß es dagegen bei andern Studentenverbindungen traurig aussehen müsse. Untersuchen wir aber, wie sich die Sache in Wirklichkeit ver¬ hält, so finden wir, daß diese Schilderungen der Vorzüge der katholischen Ver¬ bindungen teils nichtssagende Phrasen sind, teils das Leben einer Verbindung ausmalen, die sich vielleicht in Utopien befindet, in Wahrheit aber an keiner deutschen Hochschule zu finden ist. Zu den nichtssagenden Phrasen gehört zu¬ nächst die, daß die Verbindung bestrebt sei, ihre Mitglieder zu tüchtigen Ge¬ lehrten und Berufsmenschen zu erziehen das kann überhaupt keine Verbindung, dahin muß jeder selber streben. Bleibt es doch selbst recht zweifelhaft, ob die rein wissenschaftlichen Vereine, die sich jetzt in großer Zahl an unsern Hoch¬ schulen aufgethan haben, in wissenschaftlicher Hinsicht mehr schaden oder nützen; das erstere wird von recht zuständigen Beurteilern behauptet. Nun vollends eine aus den verschiedensten Elementen und Fachkreisen zusammengesetzte Ver¬ bindung! Ebenso verhält es sich mit der so gepriesenen Wissenschaftlichkeit, deren gemeinsamem Arbeiten u. s. w. in den katholischen Verbindungen. Die Ver¬ bindung kann auch hier nur durch den allgemeinen wissenschaftlichen Geist, der in ihr lebt, auf ihre Mitglieder wirken. Man findet deshalb bei den katho¬ lischen Verbindungen gewiß eine Anzahl Mitglieder, welche eifrig arbeiten, aber auch wieder andre, die wenig oder nichts thun und die Zeit mit Kartenspielen und dergleichen hinbringen, gerade wie bei andern Studentenverbindungen auch, und gerade wie bei denjenigen Studenten, die sich keiner Verbindung ange¬ schlossen haben. Beruhte die Reklame auf Wahrheit, so müßte es längst auf¬ gefallen sein, daß gerade Mitglieder der genannten Verbindungen sich durch ausgezeichnete Prüfungserfolge hervorgethan hätten, wie dies wohl zuweilen von andern Studentenvereinen gerühmt wird; davon verlautet aber nichts. In gleicher Weise ist die Mitteilung, daß durch Vorträge der Gesichtskreis der Mitglieder erweitert würde, nichts als Reklame. Der Student ist meistens noch Grenzboten IV. 1837. 59

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_201428/473>, abgerufen am 27.06.2024.