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Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Viertes Vierteljahr.

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Goethe und Rochlitz.

eigen entschieden zurechtweisen, ihm unter anderm am 26. Mai 1802 sagen
müssen: "Wie sehr allzuhohe Anpreisungen schaden, das erfahre ich von neuem
der Anzeige des "Blumenmädchens" in dem Modejournal wegen. Wie konnten
Sie nur einen Augenblick glauben, daß, was ich Ihnen in vertrauter freund¬
schaftlicher Ergießung mitgeteilt hatte, als Insinuation, um es dem Publikum
vorzulegen, zu nehmen sei? Hütten Sie mir nicht gestanden, daß Sie jene
Anzeige selbst mit gutem Willen verfaßt hätten, ich würde dagegen aufstehen
müssen." Er hatte, in allmähliger Einsicht, daß Böttiger einen guten Teil
der Schuld an seinem Mißverhältnisse zu den Weimarer Heroen trage, ihn
unterschiedliche male gewarnt und freundschaftlich beschworen, sich doch ja aller
Angriffe ans Goethe und Schiller, aller "unsichern, aber immer verletzenden
Nachrichten" zu enthalten. Und wenn in dem schon nach Dresden gerichteten
Briefe vom 16. Februar 1804 der alte Mißmut ihm noch einmal die Worte
eingab: "Mich möchte er ^Goethej nach Weimar haben, so wahrscheinlich, daß
ich von dem Meinigen lebte und einen Artikel in der lebendigen Encyklopädie,
die er gern um sich versammelt, im Notfall gleich nachschlagen zu können, aus¬
machte. Mir ist seine Aufmerksamkeit lieb, aber ich gehe ihm zu gar nichts
auch nur einen Schritt entgegen. Alles das unter uns; denn das Geringste,
das er wieder erführe, wäre genng, auch mir seinen unauslöschlichen Haß zu¬
zuwenden, und wer wird das wollen, wenn man auch außer seinem Wirkungs¬
kreise ist" -- so war inzwischen doch Böttiger von Weimar nach Dresden über¬
gesiedelt und damit das stärkste Hindernis beseitigt, welches dem Gedeihen der
Beziehung zwischen Goethe und Rochlitz immer und immer wieder im Wege
stand. Mit erneutem Vertrauen sendet Rochlitz seine kleinen Stücke nach Weimar
und bittet, ihrer freundlichen Aufnahme ohnehin gewiß, um sorgfältige Jn-
szenirung; mit voller unbefangener Würdigung seines Talents, seines guten
Geschmacks, seines Einflusses wendet sich Goethe, als 1807 das Gastspiel der
Weimarer Hofschauspieler in Leipzig bevorstand, an Rochlitz. Man sollte
meinen, daß Rochlitz bei Lesung des Goethischen Briefes vom 3. April 1807
(bei Biedermann Ur. 17) einige Beschämung empfunden haben müsse, wenn er
sich so mancher empfindlichen und mißtrauischen Äußerung über Goethe erinnerte,
die er sich, auf Böttigers Anregungen, in den letzten Jahren hatte entlocken
lassen. (Schluß folgt.)




Grenzboten IV. 1887.no
Goethe und Rochlitz.

eigen entschieden zurechtweisen, ihm unter anderm am 26. Mai 1802 sagen
müssen: „Wie sehr allzuhohe Anpreisungen schaden, das erfahre ich von neuem
der Anzeige des „Blumenmädchens" in dem Modejournal wegen. Wie konnten
Sie nur einen Augenblick glauben, daß, was ich Ihnen in vertrauter freund¬
schaftlicher Ergießung mitgeteilt hatte, als Insinuation, um es dem Publikum
vorzulegen, zu nehmen sei? Hütten Sie mir nicht gestanden, daß Sie jene
Anzeige selbst mit gutem Willen verfaßt hätten, ich würde dagegen aufstehen
müssen." Er hatte, in allmähliger Einsicht, daß Böttiger einen guten Teil
der Schuld an seinem Mißverhältnisse zu den Weimarer Heroen trage, ihn
unterschiedliche male gewarnt und freundschaftlich beschworen, sich doch ja aller
Angriffe ans Goethe und Schiller, aller „unsichern, aber immer verletzenden
Nachrichten" zu enthalten. Und wenn in dem schon nach Dresden gerichteten
Briefe vom 16. Februar 1804 der alte Mißmut ihm noch einmal die Worte
eingab: „Mich möchte er ^Goethej nach Weimar haben, so wahrscheinlich, daß
ich von dem Meinigen lebte und einen Artikel in der lebendigen Encyklopädie,
die er gern um sich versammelt, im Notfall gleich nachschlagen zu können, aus¬
machte. Mir ist seine Aufmerksamkeit lieb, aber ich gehe ihm zu gar nichts
auch nur einen Schritt entgegen. Alles das unter uns; denn das Geringste,
das er wieder erführe, wäre genng, auch mir seinen unauslöschlichen Haß zu¬
zuwenden, und wer wird das wollen, wenn man auch außer seinem Wirkungs¬
kreise ist" — so war inzwischen doch Böttiger von Weimar nach Dresden über¬
gesiedelt und damit das stärkste Hindernis beseitigt, welches dem Gedeihen der
Beziehung zwischen Goethe und Rochlitz immer und immer wieder im Wege
stand. Mit erneutem Vertrauen sendet Rochlitz seine kleinen Stücke nach Weimar
und bittet, ihrer freundlichen Aufnahme ohnehin gewiß, um sorgfältige Jn-
szenirung; mit voller unbefangener Würdigung seines Talents, seines guten
Geschmacks, seines Einflusses wendet sich Goethe, als 1807 das Gastspiel der
Weimarer Hofschauspieler in Leipzig bevorstand, an Rochlitz. Man sollte
meinen, daß Rochlitz bei Lesung des Goethischen Briefes vom 3. April 1807
(bei Biedermann Ur. 17) einige Beschämung empfunden haben müsse, wenn er
sich so mancher empfindlichen und mißtrauischen Äußerung über Goethe erinnerte,
die er sich, auf Böttigers Anregungen, in den letzten Jahren hatte entlocken
lassen. (Schluß folgt.)




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[0441] Goethe und Rochlitz. eigen entschieden zurechtweisen, ihm unter anderm am 26. Mai 1802 sagen müssen: „Wie sehr allzuhohe Anpreisungen schaden, das erfahre ich von neuem der Anzeige des „Blumenmädchens" in dem Modejournal wegen. Wie konnten Sie nur einen Augenblick glauben, daß, was ich Ihnen in vertrauter freund¬ schaftlicher Ergießung mitgeteilt hatte, als Insinuation, um es dem Publikum vorzulegen, zu nehmen sei? Hütten Sie mir nicht gestanden, daß Sie jene Anzeige selbst mit gutem Willen verfaßt hätten, ich würde dagegen aufstehen müssen." Er hatte, in allmähliger Einsicht, daß Böttiger einen guten Teil der Schuld an seinem Mißverhältnisse zu den Weimarer Heroen trage, ihn unterschiedliche male gewarnt und freundschaftlich beschworen, sich doch ja aller Angriffe ans Goethe und Schiller, aller „unsichern, aber immer verletzenden Nachrichten" zu enthalten. Und wenn in dem schon nach Dresden gerichteten Briefe vom 16. Februar 1804 der alte Mißmut ihm noch einmal die Worte eingab: „Mich möchte er ^Goethej nach Weimar haben, so wahrscheinlich, daß ich von dem Meinigen lebte und einen Artikel in der lebendigen Encyklopädie, die er gern um sich versammelt, im Notfall gleich nachschlagen zu können, aus¬ machte. Mir ist seine Aufmerksamkeit lieb, aber ich gehe ihm zu gar nichts auch nur einen Schritt entgegen. Alles das unter uns; denn das Geringste, das er wieder erführe, wäre genng, auch mir seinen unauslöschlichen Haß zu¬ zuwenden, und wer wird das wollen, wenn man auch außer seinem Wirkungs¬ kreise ist" — so war inzwischen doch Böttiger von Weimar nach Dresden über¬ gesiedelt und damit das stärkste Hindernis beseitigt, welches dem Gedeihen der Beziehung zwischen Goethe und Rochlitz immer und immer wieder im Wege stand. Mit erneutem Vertrauen sendet Rochlitz seine kleinen Stücke nach Weimar und bittet, ihrer freundlichen Aufnahme ohnehin gewiß, um sorgfältige Jn- szenirung; mit voller unbefangener Würdigung seines Talents, seines guten Geschmacks, seines Einflusses wendet sich Goethe, als 1807 das Gastspiel der Weimarer Hofschauspieler in Leipzig bevorstand, an Rochlitz. Man sollte meinen, daß Rochlitz bei Lesung des Goethischen Briefes vom 3. April 1807 (bei Biedermann Ur. 17) einige Beschämung empfunden haben müsse, wenn er sich so mancher empfindlichen und mißtrauischen Äußerung über Goethe erinnerte, die er sich, auf Böttigers Anregungen, in den letzten Jahren hatte entlocken lassen. (Schluß folgt.) Grenzboten IV. 1887.no

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_201428/441>, abgerufen am 29.06.2024.