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Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Viertes Vierteljahr.

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Die Klagen über die Vernichtung Roms.

gebietes. Bei ihrer Anlage nahm man darauf Bedacht, daß sie einen möglichst
großen Raum umschließen mußten, d. h., soweit es möglich war und soweit es
die Verhältnisse der Bodengestaltung erlaubten, die Stadt der alten vierzehn
Regionen; ausgeschlossen blieben von der vierzehnten Region das vatikanische Ge¬
biet und von der ersten die Strecke bis zum Almo. Innerhalb dieses Maucr-
ringes schließen oder schlössen sich an die innere Stadt im Norden, Osten und
Süden jene herrlichen Gartenanlagen an mit ihren Baumgruppen und male¬
rischen Durchblicken, mit ihrer edeln Einfachheit und Großartigkeit der Anlage,
in welcher in überraschender Weise die Natur der Kunst maßvoll Unterthan ge¬
macht ist und in seltener Harmonie architektonischen Zwecken dient. Wer sie
sah, wer die majestätischen Piniengruppen, die zierlichen Zypressen um das dunkle
Grün der Lorbern und die immergrünen Eichen, unter ihnen als Zeugen aus
vergangenen Zeiten die alten Statuen, abseits von den Gebieten der Stadt in
friedlicher Ruhe bewunderte, dem wird der Eindruck unvergeßlich bleiben. An
beide, an die innere Stadt und an die umgebenden Gärten, hat man zum
Zwecke der Stadterweiterung teilweise Hand angelegt, durch die engen und
dumpfige" Quartiere jener Straßen "hindurchgesprengt," die Bäume umge¬
schlagen, um den gewonnenen Grund und Boden zu Baustellen zu verwenden,
"auszuschlachten," wie man zu sagen Pflegt. Wir teilen vollständig das Ge¬
fühl derer, die, nachdem sie vor Jahren hier die schönsten Stunden eines römi¬
schen Aufenthaltes verbracht haben, bei der Wiederkehr mit Schmerz die alten
Bäume unter dem Beile fallen, die Anlagen vernichtet sehen. Das grausame
Geschick ist am meisten bei der Villa Ludovisi zu bedauern, und die Römer
selbst sind es, die jetzt darüber Klage erheben. Das scheint mit den Thatsachen
in offenem Widerspruche zu stehen. Der etwa 300 000 Quadratmeter umfassende
Boden der Villa Ludovisi ist von den Erben des frühern Besitzers, des Fürsten
Piombino, an Bauunternehmer verkauft worden, die insofern möglichst viel
Geld herauszuschlagen suchen, als sie möglichst hohe Häuser, sogenannte Miet¬
kasernen, bauen. Der Vorwurf des Barbarismus würde also in erster Linie die
treffen, welche den Garten der Villa verkauft haben. Eine Erbschaftsregulirung
zwischen den fünf Kindern des verstorbenen Fürsten verlangte indessen einen
Verkauf des Grundbesitzes. Die Erben hätten eine Grundsteuer zahlen müssen,
deren Höhe nach dem Werte des Grund und Bodens als Bausläche bemessen worden
wäre; da die meisten Erben nicht in Rom ansässig waren, von der Villa selbst
also keine Vorteile ziehen konnten, so waren sie nicht zu bewegen, diese Steuer¬
kasten auf sich zu nehmen. Hätte der älteste Sohn des verstorbenen Fürsten den
Besitz für sich allein übernehmen wollen, so hätte er natürlich die Erben auszahlen
müssen. Hätte n"n hier nicht die Stadtverwaltung einschreiten und durch Kauf
die Gartenanlagen an sich bringen und somit erhalten können? Man spricht davon,
daß Unterhandlungen im Gange gewesen, daß sie aber durch Umtriebe einzelner
-- näheres läßt sich nicht mitteilen -- zum Scheitern gebracht worden seien.


Die Klagen über die Vernichtung Roms.

gebietes. Bei ihrer Anlage nahm man darauf Bedacht, daß sie einen möglichst
großen Raum umschließen mußten, d. h., soweit es möglich war und soweit es
die Verhältnisse der Bodengestaltung erlaubten, die Stadt der alten vierzehn
Regionen; ausgeschlossen blieben von der vierzehnten Region das vatikanische Ge¬
biet und von der ersten die Strecke bis zum Almo. Innerhalb dieses Maucr-
ringes schließen oder schlössen sich an die innere Stadt im Norden, Osten und
Süden jene herrlichen Gartenanlagen an mit ihren Baumgruppen und male¬
rischen Durchblicken, mit ihrer edeln Einfachheit und Großartigkeit der Anlage,
in welcher in überraschender Weise die Natur der Kunst maßvoll Unterthan ge¬
macht ist und in seltener Harmonie architektonischen Zwecken dient. Wer sie
sah, wer die majestätischen Piniengruppen, die zierlichen Zypressen um das dunkle
Grün der Lorbern und die immergrünen Eichen, unter ihnen als Zeugen aus
vergangenen Zeiten die alten Statuen, abseits von den Gebieten der Stadt in
friedlicher Ruhe bewunderte, dem wird der Eindruck unvergeßlich bleiben. An
beide, an die innere Stadt und an die umgebenden Gärten, hat man zum
Zwecke der Stadterweiterung teilweise Hand angelegt, durch die engen und
dumpfige» Quartiere jener Straßen „hindurchgesprengt," die Bäume umge¬
schlagen, um den gewonnenen Grund und Boden zu Baustellen zu verwenden,
„auszuschlachten," wie man zu sagen Pflegt. Wir teilen vollständig das Ge¬
fühl derer, die, nachdem sie vor Jahren hier die schönsten Stunden eines römi¬
schen Aufenthaltes verbracht haben, bei der Wiederkehr mit Schmerz die alten
Bäume unter dem Beile fallen, die Anlagen vernichtet sehen. Das grausame
Geschick ist am meisten bei der Villa Ludovisi zu bedauern, und die Römer
selbst sind es, die jetzt darüber Klage erheben. Das scheint mit den Thatsachen
in offenem Widerspruche zu stehen. Der etwa 300 000 Quadratmeter umfassende
Boden der Villa Ludovisi ist von den Erben des frühern Besitzers, des Fürsten
Piombino, an Bauunternehmer verkauft worden, die insofern möglichst viel
Geld herauszuschlagen suchen, als sie möglichst hohe Häuser, sogenannte Miet¬
kasernen, bauen. Der Vorwurf des Barbarismus würde also in erster Linie die
treffen, welche den Garten der Villa verkauft haben. Eine Erbschaftsregulirung
zwischen den fünf Kindern des verstorbenen Fürsten verlangte indessen einen
Verkauf des Grundbesitzes. Die Erben hätten eine Grundsteuer zahlen müssen,
deren Höhe nach dem Werte des Grund und Bodens als Bausläche bemessen worden
wäre; da die meisten Erben nicht in Rom ansässig waren, von der Villa selbst
also keine Vorteile ziehen konnten, so waren sie nicht zu bewegen, diese Steuer¬
kasten auf sich zu nehmen. Hätte der älteste Sohn des verstorbenen Fürsten den
Besitz für sich allein übernehmen wollen, so hätte er natürlich die Erben auszahlen
müssen. Hätte n»n hier nicht die Stadtverwaltung einschreiten und durch Kauf
die Gartenanlagen an sich bringen und somit erhalten können? Man spricht davon,
daß Unterhandlungen im Gange gewesen, daß sie aber durch Umtriebe einzelner
— näheres läßt sich nicht mitteilen — zum Scheitern gebracht worden seien.


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[0374] Die Klagen über die Vernichtung Roms. gebietes. Bei ihrer Anlage nahm man darauf Bedacht, daß sie einen möglichst großen Raum umschließen mußten, d. h., soweit es möglich war und soweit es die Verhältnisse der Bodengestaltung erlaubten, die Stadt der alten vierzehn Regionen; ausgeschlossen blieben von der vierzehnten Region das vatikanische Ge¬ biet und von der ersten die Strecke bis zum Almo. Innerhalb dieses Maucr- ringes schließen oder schlössen sich an die innere Stadt im Norden, Osten und Süden jene herrlichen Gartenanlagen an mit ihren Baumgruppen und male¬ rischen Durchblicken, mit ihrer edeln Einfachheit und Großartigkeit der Anlage, in welcher in überraschender Weise die Natur der Kunst maßvoll Unterthan ge¬ macht ist und in seltener Harmonie architektonischen Zwecken dient. Wer sie sah, wer die majestätischen Piniengruppen, die zierlichen Zypressen um das dunkle Grün der Lorbern und die immergrünen Eichen, unter ihnen als Zeugen aus vergangenen Zeiten die alten Statuen, abseits von den Gebieten der Stadt in friedlicher Ruhe bewunderte, dem wird der Eindruck unvergeßlich bleiben. An beide, an die innere Stadt und an die umgebenden Gärten, hat man zum Zwecke der Stadterweiterung teilweise Hand angelegt, durch die engen und dumpfige» Quartiere jener Straßen „hindurchgesprengt," die Bäume umge¬ schlagen, um den gewonnenen Grund und Boden zu Baustellen zu verwenden, „auszuschlachten," wie man zu sagen Pflegt. Wir teilen vollständig das Ge¬ fühl derer, die, nachdem sie vor Jahren hier die schönsten Stunden eines römi¬ schen Aufenthaltes verbracht haben, bei der Wiederkehr mit Schmerz die alten Bäume unter dem Beile fallen, die Anlagen vernichtet sehen. Das grausame Geschick ist am meisten bei der Villa Ludovisi zu bedauern, und die Römer selbst sind es, die jetzt darüber Klage erheben. Das scheint mit den Thatsachen in offenem Widerspruche zu stehen. Der etwa 300 000 Quadratmeter umfassende Boden der Villa Ludovisi ist von den Erben des frühern Besitzers, des Fürsten Piombino, an Bauunternehmer verkauft worden, die insofern möglichst viel Geld herauszuschlagen suchen, als sie möglichst hohe Häuser, sogenannte Miet¬ kasernen, bauen. Der Vorwurf des Barbarismus würde also in erster Linie die treffen, welche den Garten der Villa verkauft haben. Eine Erbschaftsregulirung zwischen den fünf Kindern des verstorbenen Fürsten verlangte indessen einen Verkauf des Grundbesitzes. Die Erben hätten eine Grundsteuer zahlen müssen, deren Höhe nach dem Werte des Grund und Bodens als Bausläche bemessen worden wäre; da die meisten Erben nicht in Rom ansässig waren, von der Villa selbst also keine Vorteile ziehen konnten, so waren sie nicht zu bewegen, diese Steuer¬ kasten auf sich zu nehmen. Hätte der älteste Sohn des verstorbenen Fürsten den Besitz für sich allein übernehmen wollen, so hätte er natürlich die Erben auszahlen müssen. Hätte n»n hier nicht die Stadtverwaltung einschreiten und durch Kauf die Gartenanlagen an sich bringen und somit erhalten können? Man spricht davon, daß Unterhandlungen im Gange gewesen, daß sie aber durch Umtriebe einzelner — näheres läßt sich nicht mitteilen — zum Scheitern gebracht worden seien.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_201428/374>, abgerufen am 02.10.2024.