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Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Viertes Vierteljahr.

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Dichterfrenndinnen.

el" neues Originalschauspiel, verglich es mit dem "Ion" des Euripides und kam
zu dem Schlüsse, daß es sich von selten der Eleganz mit den Produkten der
französischen Tragödienschreiber vergleichen lasse, während es an Kraft den Werken
der griechische" Tragiker zunächst stehe/') Dies verdroß Schelling. In zwei
folgenden Nummern erschien eine ironische Berichtigung des anonymen Schreibens,
in der der "Ion" ttberschwänglich gelobt, zugleich aber die schwache Seite des¬
selben, daß er einen Stoff national zu machen suche, der nur für die Bürger
des alten Athens berechnet war, hervorgehoben wurde. Schlegel brachte unter
seinem Namen eine abschließende Erwiderung, in dem er seinen Standpunkt
aufrecht zu erhalten suchte, fühlte aber wohl, daß Schelling und Karoline auch
ihn aufgaben. Seine Briefe an Karolinen werden kürzer und mürrischer, bleiben
zeitweilig ganz aus oder handeln mit offenbarem Unbehagen von Geldsache".
Endlich verlangt er mit ziemlicher Bestimmtheit, daß Karoline "ach Berlin komme.
Nach langem Zögern trat sie im April die Reise an, Schelling folgte ihr.
Aber schon im Mai kehrte sie zurück, um -- die Scheidung einzuleiten. Das
Wiedersehen war nicht erfreulich gewesen, unerquicklich besonders auch deshalb,
weil Schlegel jedes weitere Geldopfer für Karoline lästig zu werden anfing.
Durch Vermittlung des Herzogs Karl August kam die Scheidung auf dem kür¬
zeste" Wege am 17. Mai 1803 zu stände. Schon am 26. Juni wurde sie mit
Schelling in der Prälatur Murhardt in Schwaben ehelich verbunden, Schellings
Vater selbst vollzog die Trauung. In Würzburg, wo Schelling eine neue Pro¬
fessur angenommen hatte, schlug das glückliche Paar sein neues Heim auf.

Karoline war wirklich glücklich. Durch Ungcnügen, Irrtum, Gefangen¬
schaft, Verfolgung und aufregende Arbeit hindurch war sie am höchsten Ziel
ihrer Wünsche, im Hafen der wahren Liebe, angelangt. Nun las sie wenig mehr,
von de" Lippen ihres geliebten Meisters entnahm sie die Weisheit, die ihr als
die allein wahre erschien. Ihr inneres Leben war im Gleichgewicht; in dem
geistigen und leiblichen Anschauen des angebeteten Mannes erfreute sie sich der
höchsten Wonne, die ein weibliches Herz erfüllen kaun. Wohl war auch in
Würzburg äußerlich nicht alles so, wie sie wünschte, aber was ist das äußere
Leben im Vergleich mit dem innern! Mit Schelling zugleich waren Paulus,
der Jurist Hufeland und von Hoven als Professoren nach Würzburg, der neu¬
gestalteten bairischen Universität, berufen worden. Diese gehörte" dem Schiller-
sche" Kreise an und brachten Karolinen offen und versteckt mancherlei Feind¬
seligkeit entgegen. Zwischen Würzburg und Weimar gingen Briefe hin und her,
welche nichts weniger als Liebe atmeten. Die Frau des Professors von Hope"
konnte von der eitel", herrischen, falschen, koketten Madame Luzifer nicht
Schlimmes genug berichten. Es mag wohl sein, daß der von Natur so selbst-



Haym, Die romantische Schule, S. 706 ff., hat diesen interessanten Streit zuerst in
das rechte Licht gestellt.
Dichterfrenndinnen.

el» neues Originalschauspiel, verglich es mit dem „Ion" des Euripides und kam
zu dem Schlüsse, daß es sich von selten der Eleganz mit den Produkten der
französischen Tragödienschreiber vergleichen lasse, während es an Kraft den Werken
der griechische» Tragiker zunächst stehe/') Dies verdroß Schelling. In zwei
folgenden Nummern erschien eine ironische Berichtigung des anonymen Schreibens,
in der der „Ion" ttberschwänglich gelobt, zugleich aber die schwache Seite des¬
selben, daß er einen Stoff national zu machen suche, der nur für die Bürger
des alten Athens berechnet war, hervorgehoben wurde. Schlegel brachte unter
seinem Namen eine abschließende Erwiderung, in dem er seinen Standpunkt
aufrecht zu erhalten suchte, fühlte aber wohl, daß Schelling und Karoline auch
ihn aufgaben. Seine Briefe an Karolinen werden kürzer und mürrischer, bleiben
zeitweilig ganz aus oder handeln mit offenbarem Unbehagen von Geldsache».
Endlich verlangt er mit ziemlicher Bestimmtheit, daß Karoline »ach Berlin komme.
Nach langem Zögern trat sie im April die Reise an, Schelling folgte ihr.
Aber schon im Mai kehrte sie zurück, um — die Scheidung einzuleiten. Das
Wiedersehen war nicht erfreulich gewesen, unerquicklich besonders auch deshalb,
weil Schlegel jedes weitere Geldopfer für Karoline lästig zu werden anfing.
Durch Vermittlung des Herzogs Karl August kam die Scheidung auf dem kür¬
zeste» Wege am 17. Mai 1803 zu stände. Schon am 26. Juni wurde sie mit
Schelling in der Prälatur Murhardt in Schwaben ehelich verbunden, Schellings
Vater selbst vollzog die Trauung. In Würzburg, wo Schelling eine neue Pro¬
fessur angenommen hatte, schlug das glückliche Paar sein neues Heim auf.

Karoline war wirklich glücklich. Durch Ungcnügen, Irrtum, Gefangen¬
schaft, Verfolgung und aufregende Arbeit hindurch war sie am höchsten Ziel
ihrer Wünsche, im Hafen der wahren Liebe, angelangt. Nun las sie wenig mehr,
von de» Lippen ihres geliebten Meisters entnahm sie die Weisheit, die ihr als
die allein wahre erschien. Ihr inneres Leben war im Gleichgewicht; in dem
geistigen und leiblichen Anschauen des angebeteten Mannes erfreute sie sich der
höchsten Wonne, die ein weibliches Herz erfüllen kaun. Wohl war auch in
Würzburg äußerlich nicht alles so, wie sie wünschte, aber was ist das äußere
Leben im Vergleich mit dem innern! Mit Schelling zugleich waren Paulus,
der Jurist Hufeland und von Hoven als Professoren nach Würzburg, der neu¬
gestalteten bairischen Universität, berufen worden. Diese gehörte» dem Schiller-
sche» Kreise an und brachten Karolinen offen und versteckt mancherlei Feind¬
seligkeit entgegen. Zwischen Würzburg und Weimar gingen Briefe hin und her,
welche nichts weniger als Liebe atmeten. Die Frau des Professors von Hope»
konnte von der eitel», herrischen, falschen, koketten Madame Luzifer nicht
Schlimmes genug berichten. Es mag wohl sein, daß der von Natur so selbst-



Haym, Die romantische Schule, S. 706 ff., hat diesen interessanten Streit zuerst in
das rechte Licht gestellt.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_201428/240>, abgerufen am 22.07.2024.