Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Viertes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
<Lin Jubiläum.

darin sehen, wenn eine Majorität in Frankfurt einen Beschluß faßt, in welchem
wir eine Überschreitung der Kompetenz, eine willkürliche Änderung des Bundes¬
zweckes, einen Bruch der Bundesverträge finden. Je unzweideutiger die Ver¬
letzung zu Tage tritt, desto besser. ... Ich sehe in unserm Bundesverhältnisse
ein Gebrechen Preußens, welches wir früher oder später ksrro le, iZni werden
heilen müssen, wenn wir nicht bei Zeiten in günstiger Jahreszeit eine Kur da¬
gegen vornehmen. Wenn heute lediglich der Bund aufgehoben würde, ohne
daß man etwas andres an seine Stelle setzte, so glaube ich, daß schon auf
Grund dieser negativen Errungenschaft sich bald bessere und natürlichere Be¬
ziehungen Preußens zu seinen deutschen Nachbarn ausbilden würden als die
bisherigen."

Am 18. September 1861 schrieb er. nachdem ihm das Programm des
von der Kreuzzeitungspartei gestifteten "preußischen Volksvereins" übersandt
worden war, an einen gleichgesinnten Freund, den Herrn v. Below-Hohendorf:
"Wir kommen noch dahin, den ganz unhistorischen, gott- und rechtlosen
Souveränitätsschwindel derjenigen deutschen Fürsten, welche unser Bundesver-
hältnis als Piedestal benutzen, von dem herab sie europäische Macht spielen,
zum Schoßkind der konservativen Partei Preußens zu macheu. Unsre Re¬
gierung pie der "neuen Ära" ist gemeint^ ist ohnehin in Preußen liberal, im
Auslande legitimistisch; wir schlitzen fremde Kronrechte mit mehr Beharrlichkeit
als die eignen und begeistern uns für die von Napoleon geschaffenen, von
Metternich sanktionirten kleinstaatlichen Souveränitäten bis zur Blindheit gegen
die Gefahre", mit denen Preußens und Deutschlands Unabhängigkeit bedroht
ist, so lange der Unsinn der jetzigen Bundesverfassung besteht, die nichts ist als
ein Treib- und Kvnservirhans gefährlicher und revolutionärer Partikularbestre-
buugeu. Ich hätte gewünscht, daß in dem Programm anstatt des vagen Aus¬
falls gegen die deutsche Republik offen ausgesprochen wäre, was wir in
Deutschland geändert und hergestellt zu sehen wünschen, sei es durch Anstrebung
rechtlich zu stände zu dringender Änderungen der Bundesverfassung, sei es auf
dem Wege kündbarer Assoziationen nach Analogie des Zollvereins und des
Koburger MilitärvcrtrageS. Wir haben die doppelte Aufgabe, Zeugnis abzu¬
legen, daß das Bestehende der Bundesverfassung unser Ideal nicht ist, daß wir
die notwendige Änderung aber auf rechtmäßigem Wege offen anstreben und über
das zur Sicherung und zum Gedeihen aller erforderliche Maß nicht hinaus¬
gehen wollen. Wir brauchen eine straffere Konsolidation der deutschen Wehr¬
kraft so nötig wie das liebe Brot, wir bedürfen einer neuen und bildsamen
Einrichtung auf dem Gebiete des Zollwesens und einer Anzahl gemeinsamer
Institutionen, um die materiellen Interessen gegen die Nachteile zu schützen, die
ans der unnatürlichen Konfiguration der deutschen innern Landesgrenzen er¬
wachsen. Ich sehe außerdem nicht ein, warum wir vor der Idee einer Volks¬
vertretung, sei es im Bunde, sei es in einem Zoll- und Vereinsparlament ^Ver-


<Lin Jubiläum.

darin sehen, wenn eine Majorität in Frankfurt einen Beschluß faßt, in welchem
wir eine Überschreitung der Kompetenz, eine willkürliche Änderung des Bundes¬
zweckes, einen Bruch der Bundesverträge finden. Je unzweideutiger die Ver¬
letzung zu Tage tritt, desto besser. ... Ich sehe in unserm Bundesverhältnisse
ein Gebrechen Preußens, welches wir früher oder später ksrro le, iZni werden
heilen müssen, wenn wir nicht bei Zeiten in günstiger Jahreszeit eine Kur da¬
gegen vornehmen. Wenn heute lediglich der Bund aufgehoben würde, ohne
daß man etwas andres an seine Stelle setzte, so glaube ich, daß schon auf
Grund dieser negativen Errungenschaft sich bald bessere und natürlichere Be¬
ziehungen Preußens zu seinen deutschen Nachbarn ausbilden würden als die
bisherigen."

Am 18. September 1861 schrieb er. nachdem ihm das Programm des
von der Kreuzzeitungspartei gestifteten „preußischen Volksvereins" übersandt
worden war, an einen gleichgesinnten Freund, den Herrn v. Below-Hohendorf:
„Wir kommen noch dahin, den ganz unhistorischen, gott- und rechtlosen
Souveränitätsschwindel derjenigen deutschen Fürsten, welche unser Bundesver-
hältnis als Piedestal benutzen, von dem herab sie europäische Macht spielen,
zum Schoßkind der konservativen Partei Preußens zu macheu. Unsre Re¬
gierung pie der „neuen Ära" ist gemeint^ ist ohnehin in Preußen liberal, im
Auslande legitimistisch; wir schlitzen fremde Kronrechte mit mehr Beharrlichkeit
als die eignen und begeistern uns für die von Napoleon geschaffenen, von
Metternich sanktionirten kleinstaatlichen Souveränitäten bis zur Blindheit gegen
die Gefahre», mit denen Preußens und Deutschlands Unabhängigkeit bedroht
ist, so lange der Unsinn der jetzigen Bundesverfassung besteht, die nichts ist als
ein Treib- und Kvnservirhans gefährlicher und revolutionärer Partikularbestre-
buugeu. Ich hätte gewünscht, daß in dem Programm anstatt des vagen Aus¬
falls gegen die deutsche Republik offen ausgesprochen wäre, was wir in
Deutschland geändert und hergestellt zu sehen wünschen, sei es durch Anstrebung
rechtlich zu stände zu dringender Änderungen der Bundesverfassung, sei es auf
dem Wege kündbarer Assoziationen nach Analogie des Zollvereins und des
Koburger MilitärvcrtrageS. Wir haben die doppelte Aufgabe, Zeugnis abzu¬
legen, daß das Bestehende der Bundesverfassung unser Ideal nicht ist, daß wir
die notwendige Änderung aber auf rechtmäßigem Wege offen anstreben und über
das zur Sicherung und zum Gedeihen aller erforderliche Maß nicht hinaus¬
gehen wollen. Wir brauchen eine straffere Konsolidation der deutschen Wehr¬
kraft so nötig wie das liebe Brot, wir bedürfen einer neuen und bildsamen
Einrichtung auf dem Gebiete des Zollwesens und einer Anzahl gemeinsamer
Institutionen, um die materiellen Interessen gegen die Nachteile zu schützen, die
ans der unnatürlichen Konfiguration der deutschen innern Landesgrenzen er¬
wachsen. Ich sehe außerdem nicht ein, warum wir vor der Idee einer Volks¬
vertretung, sei es im Bunde, sei es in einem Zoll- und Vereinsparlament ^Ver-


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0116" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/201545"/>
          <fw type="header" place="top"> &lt;Lin Jubiläum.</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_260" prev="#ID_259"> darin sehen, wenn eine Majorität in Frankfurt einen Beschluß faßt, in welchem<lb/>
wir eine Überschreitung der Kompetenz, eine willkürliche Änderung des Bundes¬<lb/>
zweckes, einen Bruch der Bundesverträge finden. Je unzweideutiger die Ver¬<lb/>
letzung zu Tage tritt, desto besser. ... Ich sehe in unserm Bundesverhältnisse<lb/>
ein Gebrechen Preußens, welches wir früher oder später ksrro le, iZni werden<lb/>
heilen müssen, wenn wir nicht bei Zeiten in günstiger Jahreszeit eine Kur da¬<lb/>
gegen vornehmen. Wenn heute lediglich der Bund aufgehoben würde, ohne<lb/>
daß man etwas andres an seine Stelle setzte, so glaube ich, daß schon auf<lb/>
Grund dieser negativen Errungenschaft sich bald bessere und natürlichere Be¬<lb/>
ziehungen Preußens zu seinen deutschen Nachbarn ausbilden würden als die<lb/>
bisherigen."</p><lb/>
          <p xml:id="ID_261" next="#ID_262"> Am 18. September 1861 schrieb er. nachdem ihm das Programm des<lb/>
von der Kreuzzeitungspartei gestifteten &#x201E;preußischen Volksvereins" übersandt<lb/>
worden war, an einen gleichgesinnten Freund, den Herrn v. Below-Hohendorf:<lb/>
&#x201E;Wir kommen noch dahin, den ganz unhistorischen, gott- und rechtlosen<lb/>
Souveränitätsschwindel derjenigen deutschen Fürsten, welche unser Bundesver-<lb/>
hältnis als Piedestal benutzen, von dem herab sie europäische Macht spielen,<lb/>
zum Schoßkind der konservativen Partei Preußens zu macheu. Unsre Re¬<lb/>
gierung pie der &#x201E;neuen Ära" ist gemeint^ ist ohnehin in Preußen liberal, im<lb/>
Auslande legitimistisch; wir schlitzen fremde Kronrechte mit mehr Beharrlichkeit<lb/>
als die eignen und begeistern uns für die von Napoleon geschaffenen, von<lb/>
Metternich sanktionirten kleinstaatlichen Souveränitäten bis zur Blindheit gegen<lb/>
die Gefahre», mit denen Preußens und Deutschlands Unabhängigkeit bedroht<lb/>
ist, so lange der Unsinn der jetzigen Bundesverfassung besteht, die nichts ist als<lb/>
ein Treib- und Kvnservirhans gefährlicher und revolutionärer Partikularbestre-<lb/>
buugeu. Ich hätte gewünscht, daß in dem Programm anstatt des vagen Aus¬<lb/>
falls gegen die deutsche Republik offen ausgesprochen wäre, was wir in<lb/>
Deutschland geändert und hergestellt zu sehen wünschen, sei es durch Anstrebung<lb/>
rechtlich zu stände zu dringender Änderungen der Bundesverfassung, sei es auf<lb/>
dem Wege kündbarer Assoziationen nach Analogie des Zollvereins und des<lb/>
Koburger MilitärvcrtrageS. Wir haben die doppelte Aufgabe, Zeugnis abzu¬<lb/>
legen, daß das Bestehende der Bundesverfassung unser Ideal nicht ist, daß wir<lb/>
die notwendige Änderung aber auf rechtmäßigem Wege offen anstreben und über<lb/>
das zur Sicherung und zum Gedeihen aller erforderliche Maß nicht hinaus¬<lb/>
gehen wollen. Wir brauchen eine straffere Konsolidation der deutschen Wehr¬<lb/>
kraft so nötig wie das liebe Brot, wir bedürfen einer neuen und bildsamen<lb/>
Einrichtung auf dem Gebiete des Zollwesens und einer Anzahl gemeinsamer<lb/>
Institutionen, um die materiellen Interessen gegen die Nachteile zu schützen, die<lb/>
ans der unnatürlichen Konfiguration der deutschen innern Landesgrenzen er¬<lb/>
wachsen. Ich sehe außerdem nicht ein, warum wir vor der Idee einer Volks¬<lb/>
vertretung, sei es im Bunde, sei es in einem Zoll- und Vereinsparlament ^Ver-</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0116] <Lin Jubiläum. darin sehen, wenn eine Majorität in Frankfurt einen Beschluß faßt, in welchem wir eine Überschreitung der Kompetenz, eine willkürliche Änderung des Bundes¬ zweckes, einen Bruch der Bundesverträge finden. Je unzweideutiger die Ver¬ letzung zu Tage tritt, desto besser. ... Ich sehe in unserm Bundesverhältnisse ein Gebrechen Preußens, welches wir früher oder später ksrro le, iZni werden heilen müssen, wenn wir nicht bei Zeiten in günstiger Jahreszeit eine Kur da¬ gegen vornehmen. Wenn heute lediglich der Bund aufgehoben würde, ohne daß man etwas andres an seine Stelle setzte, so glaube ich, daß schon auf Grund dieser negativen Errungenschaft sich bald bessere und natürlichere Be¬ ziehungen Preußens zu seinen deutschen Nachbarn ausbilden würden als die bisherigen." Am 18. September 1861 schrieb er. nachdem ihm das Programm des von der Kreuzzeitungspartei gestifteten „preußischen Volksvereins" übersandt worden war, an einen gleichgesinnten Freund, den Herrn v. Below-Hohendorf: „Wir kommen noch dahin, den ganz unhistorischen, gott- und rechtlosen Souveränitätsschwindel derjenigen deutschen Fürsten, welche unser Bundesver- hältnis als Piedestal benutzen, von dem herab sie europäische Macht spielen, zum Schoßkind der konservativen Partei Preußens zu macheu. Unsre Re¬ gierung pie der „neuen Ära" ist gemeint^ ist ohnehin in Preußen liberal, im Auslande legitimistisch; wir schlitzen fremde Kronrechte mit mehr Beharrlichkeit als die eignen und begeistern uns für die von Napoleon geschaffenen, von Metternich sanktionirten kleinstaatlichen Souveränitäten bis zur Blindheit gegen die Gefahre», mit denen Preußens und Deutschlands Unabhängigkeit bedroht ist, so lange der Unsinn der jetzigen Bundesverfassung besteht, die nichts ist als ein Treib- und Kvnservirhans gefährlicher und revolutionärer Partikularbestre- buugeu. Ich hätte gewünscht, daß in dem Programm anstatt des vagen Aus¬ falls gegen die deutsche Republik offen ausgesprochen wäre, was wir in Deutschland geändert und hergestellt zu sehen wünschen, sei es durch Anstrebung rechtlich zu stände zu dringender Änderungen der Bundesverfassung, sei es auf dem Wege kündbarer Assoziationen nach Analogie des Zollvereins und des Koburger MilitärvcrtrageS. Wir haben die doppelte Aufgabe, Zeugnis abzu¬ legen, daß das Bestehende der Bundesverfassung unser Ideal nicht ist, daß wir die notwendige Änderung aber auf rechtmäßigem Wege offen anstreben und über das zur Sicherung und zum Gedeihen aller erforderliche Maß nicht hinaus¬ gehen wollen. Wir brauchen eine straffere Konsolidation der deutschen Wehr¬ kraft so nötig wie das liebe Brot, wir bedürfen einer neuen und bildsamen Einrichtung auf dem Gebiete des Zollwesens und einer Anzahl gemeinsamer Institutionen, um die materiellen Interessen gegen die Nachteile zu schützen, die ans der unnatürlichen Konfiguration der deutschen innern Landesgrenzen er¬ wachsen. Ich sehe außerdem nicht ein, warum wir vor der Idee einer Volks¬ vertretung, sei es im Bunde, sei es in einem Zoll- und Vereinsparlament ^Ver-

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_201428
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_201428/116
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_201428/116>, abgerufen am 25.08.2024.