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Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Drittes Vierteljahr.

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Das Goethe-Jahrbuch.

ihrer Keimtuis so ungleichen Verehrern des Dichters im In- und Auslande
darüber zu berichten. Erleichtern kann er sich seine Arbeit, wenn er Goethe-
freunde in verschiednen Gegenden Deutschlands veranlaßt, über die in den
Blättern ihrer Gegend erschienenen Goethiana zu berichten oder sie ihm ein¬
zusenden; er darf sich nicht darauf verlassen, daß jeder Schriftsteller oder jede
Zeitungsredaktion so gutmütig ist, ihm das Betreffende zu schicken. Geigers
Berichte sind so wenig vollständig, daß er sich um manche nicht unbedeutende
Zeitschriften gar nicht gekümmert haben kann oder sie nur aus andern, oft sehr
flüchtigen Erwähnungen kennt, ja selbst diejenigen, die ihm zur Hand sind,
nichts weniger als gemein benutzt hat. So konnte es kommen, daß er einen in
den Grenzboten stehenden Aufsatz nur dem Titel mich, wahrscheinlich nach
andrer Angabe, kennt, obgleich dieser gerade mit seiner Bearbeitung von Goethes
Studentenbriefen ins Gericht geht, und daß er das dort mitgeteilte, in doppelter
Hinsicht anziehende Stammbnchblatt des jungen Dichters übersieht. Doch das
allerschlimmste Übel an seinen Berichten ist die gewissenlose Parteilichkeit, die
sich am wenigsten ein Goethe-Jahrbuch zu Schulden kommen lassen sollte.
Aufs widerwärtigste spiegelt sich dieses Verfahren in der Art und Weise, wie
er über meine Arbeiten herfällt, um sie in das gehässigste Licht zu stellen. Eine
ehrliche Anzeige meiner Ausgabe der Liebesbriefe Goethes an Frau von Stein
mußte zunächst meine deutlich ausgesprochene und gerechtfertigte Absicht dieser
Ausgabe angeben, sie durste sich dann über diese und die Art der Ausführung
freimütig ergehen. Aber dazu fand er keine Zeit, und der Leser sollte im
Dunkel gelassen werden, damit er selbst sein Mütchen kühlen und mit der
plumpen, elend gefaßten Unwahrheit beginnen konnte: "Die vorliegende Ver¬
öffentlichung hat nicht den geringsten selbständigen Wert: die Kleinlichkeit,
Wiederholungssucht des Autors zeigen sich deutlich, sein Autoritätsdünkel tritt
aufs lebhafteste hervor." Das Bedürfnis einer Aufgabe der Briefe für einen
weitern Leserkreis neben der verdienstlichen, aber schwerfälligen, viele Briefe will¬
kürlich einordnenden, von Fielitz, ist von verschiednen Seiten anerkannt worden
und für jeden Verständigen unleugbar vorhanden. Meine Ausgabe ist uach
einem festen Plane mit gewissenhafter Genauigkeit gearbeitet, und es ist mir
gelungen, zahlreiche Fehler zu vermeiden und manches neue zu finden; nicht aus
kleinlicher Rechthaberei, soudern aus Pflicht habe ich die notwendigen Ab¬
weichungen von Fielitz begründet, aber Pflichtgefühl und Liebe zur Sache sind
einmal Dinge, die Geiger mir nicht zutrauen darf. Der zweite Ausspruch, den
er über meine Arbeit thut, wirft mir vor, ich hätte Fielitz stark fviclmchr, mie
ich hoffe, zu meinem Zwecke vollständig^ ausgenutzt, und zum Danke ihm die
unbedeutendsten Irrtümer vorgehalten und einen nichtigen Streit über Lappalien
geführt. Ich habe aber nichts weniger als gestritten und Fielitz Irrtümer vor¬
gehalten, ich habe gethan, was jeder thun muß, ich habe meinen Vorgänger,
wo es geboten war, berichtigt. Leider hält Geiger manches, was man von


Das Goethe-Jahrbuch.

ihrer Keimtuis so ungleichen Verehrern des Dichters im In- und Auslande
darüber zu berichten. Erleichtern kann er sich seine Arbeit, wenn er Goethe-
freunde in verschiednen Gegenden Deutschlands veranlaßt, über die in den
Blättern ihrer Gegend erschienenen Goethiana zu berichten oder sie ihm ein¬
zusenden; er darf sich nicht darauf verlassen, daß jeder Schriftsteller oder jede
Zeitungsredaktion so gutmütig ist, ihm das Betreffende zu schicken. Geigers
Berichte sind so wenig vollständig, daß er sich um manche nicht unbedeutende
Zeitschriften gar nicht gekümmert haben kann oder sie nur aus andern, oft sehr
flüchtigen Erwähnungen kennt, ja selbst diejenigen, die ihm zur Hand sind,
nichts weniger als gemein benutzt hat. So konnte es kommen, daß er einen in
den Grenzboten stehenden Aufsatz nur dem Titel mich, wahrscheinlich nach
andrer Angabe, kennt, obgleich dieser gerade mit seiner Bearbeitung von Goethes
Studentenbriefen ins Gericht geht, und daß er das dort mitgeteilte, in doppelter
Hinsicht anziehende Stammbnchblatt des jungen Dichters übersieht. Doch das
allerschlimmste Übel an seinen Berichten ist die gewissenlose Parteilichkeit, die
sich am wenigsten ein Goethe-Jahrbuch zu Schulden kommen lassen sollte.
Aufs widerwärtigste spiegelt sich dieses Verfahren in der Art und Weise, wie
er über meine Arbeiten herfällt, um sie in das gehässigste Licht zu stellen. Eine
ehrliche Anzeige meiner Ausgabe der Liebesbriefe Goethes an Frau von Stein
mußte zunächst meine deutlich ausgesprochene und gerechtfertigte Absicht dieser
Ausgabe angeben, sie durste sich dann über diese und die Art der Ausführung
freimütig ergehen. Aber dazu fand er keine Zeit, und der Leser sollte im
Dunkel gelassen werden, damit er selbst sein Mütchen kühlen und mit der
plumpen, elend gefaßten Unwahrheit beginnen konnte: „Die vorliegende Ver¬
öffentlichung hat nicht den geringsten selbständigen Wert: die Kleinlichkeit,
Wiederholungssucht des Autors zeigen sich deutlich, sein Autoritätsdünkel tritt
aufs lebhafteste hervor." Das Bedürfnis einer Aufgabe der Briefe für einen
weitern Leserkreis neben der verdienstlichen, aber schwerfälligen, viele Briefe will¬
kürlich einordnenden, von Fielitz, ist von verschiednen Seiten anerkannt worden
und für jeden Verständigen unleugbar vorhanden. Meine Ausgabe ist uach
einem festen Plane mit gewissenhafter Genauigkeit gearbeitet, und es ist mir
gelungen, zahlreiche Fehler zu vermeiden und manches neue zu finden; nicht aus
kleinlicher Rechthaberei, soudern aus Pflicht habe ich die notwendigen Ab¬
weichungen von Fielitz begründet, aber Pflichtgefühl und Liebe zur Sache sind
einmal Dinge, die Geiger mir nicht zutrauen darf. Der zweite Ausspruch, den
er über meine Arbeit thut, wirft mir vor, ich hätte Fielitz stark fviclmchr, mie
ich hoffe, zu meinem Zwecke vollständig^ ausgenutzt, und zum Danke ihm die
unbedeutendsten Irrtümer vorgehalten und einen nichtigen Streit über Lappalien
geführt. Ich habe aber nichts weniger als gestritten und Fielitz Irrtümer vor¬
gehalten, ich habe gethan, was jeder thun muß, ich habe meinen Vorgänger,
wo es geboten war, berichtigt. Leider hält Geiger manches, was man von


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[0092] Das Goethe-Jahrbuch. ihrer Keimtuis so ungleichen Verehrern des Dichters im In- und Auslande darüber zu berichten. Erleichtern kann er sich seine Arbeit, wenn er Goethe- freunde in verschiednen Gegenden Deutschlands veranlaßt, über die in den Blättern ihrer Gegend erschienenen Goethiana zu berichten oder sie ihm ein¬ zusenden; er darf sich nicht darauf verlassen, daß jeder Schriftsteller oder jede Zeitungsredaktion so gutmütig ist, ihm das Betreffende zu schicken. Geigers Berichte sind so wenig vollständig, daß er sich um manche nicht unbedeutende Zeitschriften gar nicht gekümmert haben kann oder sie nur aus andern, oft sehr flüchtigen Erwähnungen kennt, ja selbst diejenigen, die ihm zur Hand sind, nichts weniger als gemein benutzt hat. So konnte es kommen, daß er einen in den Grenzboten stehenden Aufsatz nur dem Titel mich, wahrscheinlich nach andrer Angabe, kennt, obgleich dieser gerade mit seiner Bearbeitung von Goethes Studentenbriefen ins Gericht geht, und daß er das dort mitgeteilte, in doppelter Hinsicht anziehende Stammbnchblatt des jungen Dichters übersieht. Doch das allerschlimmste Übel an seinen Berichten ist die gewissenlose Parteilichkeit, die sich am wenigsten ein Goethe-Jahrbuch zu Schulden kommen lassen sollte. Aufs widerwärtigste spiegelt sich dieses Verfahren in der Art und Weise, wie er über meine Arbeiten herfällt, um sie in das gehässigste Licht zu stellen. Eine ehrliche Anzeige meiner Ausgabe der Liebesbriefe Goethes an Frau von Stein mußte zunächst meine deutlich ausgesprochene und gerechtfertigte Absicht dieser Ausgabe angeben, sie durste sich dann über diese und die Art der Ausführung freimütig ergehen. Aber dazu fand er keine Zeit, und der Leser sollte im Dunkel gelassen werden, damit er selbst sein Mütchen kühlen und mit der plumpen, elend gefaßten Unwahrheit beginnen konnte: „Die vorliegende Ver¬ öffentlichung hat nicht den geringsten selbständigen Wert: die Kleinlichkeit, Wiederholungssucht des Autors zeigen sich deutlich, sein Autoritätsdünkel tritt aufs lebhafteste hervor." Das Bedürfnis einer Aufgabe der Briefe für einen weitern Leserkreis neben der verdienstlichen, aber schwerfälligen, viele Briefe will¬ kürlich einordnenden, von Fielitz, ist von verschiednen Seiten anerkannt worden und für jeden Verständigen unleugbar vorhanden. Meine Ausgabe ist uach einem festen Plane mit gewissenhafter Genauigkeit gearbeitet, und es ist mir gelungen, zahlreiche Fehler zu vermeiden und manches neue zu finden; nicht aus kleinlicher Rechthaberei, soudern aus Pflicht habe ich die notwendigen Ab¬ weichungen von Fielitz begründet, aber Pflichtgefühl und Liebe zur Sache sind einmal Dinge, die Geiger mir nicht zutrauen darf. Der zweite Ausspruch, den er über meine Arbeit thut, wirft mir vor, ich hätte Fielitz stark fviclmchr, mie ich hoffe, zu meinem Zwecke vollständig^ ausgenutzt, und zum Danke ihm die unbedeutendsten Irrtümer vorgehalten und einen nichtigen Streit über Lappalien geführt. Ich habe aber nichts weniger als gestritten und Fielitz Irrtümer vor¬ gehalten, ich habe gethan, was jeder thun muß, ich habe meinen Vorgänger, wo es geboten war, berichtigt. Leider hält Geiger manches, was man von

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_200778/92>, abgerufen am 23.07.2024.