Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Drittes Vierteljahr.Die Lage der Prozeßkostenfrage. man den Vorlagen Gunst oder Ungunst zu Teil werden läßt. Die sonst so Das Scheitern des Entwurfs können wir insofern nicht gerade bedauern, Freilich erscheint es zweifelhaft, ob selbst für den Fall, daß die Regierungen Die Lage der Prozeßkostenfrage. man den Vorlagen Gunst oder Ungunst zu Teil werden läßt. Die sonst so Das Scheitern des Entwurfs können wir insofern nicht gerade bedauern, Freilich erscheint es zweifelhaft, ob selbst für den Fall, daß die Regierungen <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0563" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/201342"/> <fw type="header" place="top"> Die Lage der Prozeßkostenfrage.</fw><lb/> <p xml:id="ID_1863" prev="#ID_1862"> man den Vorlagen Gunst oder Ungunst zu Teil werden läßt. Die sonst so<lb/> beliebte Öffentlichkeit tritt dabei völlig zurück. Die Mitglieder der Kommissionen<lb/> werden von den Fraktionen gestellt. Aber man erfährt nicht, wer innerhalb<lb/> der Fraktionen sie auswählt. Berechtigte und unberechtigte Einflüsse können<lb/> sich, offen oder insgeheim, dabei geltend machen. Die Kommissionen selbst er¬<lb/> statten ihre Berichte unter dem Schutze der Anonymität. Man erfährt nicht,<lb/> wer die Anträge gestellt, auch nicht, wer dafür und dawider gestimmt hat. Die<lb/> Kommissionsanträge sind also Anträge mystischer Personen. Freilich sind die<lb/> Ansichten vieler Mitglieder schon im voraus zur Genüge bekannt. Und darnach<lb/> werden die Kommissionen berufen. Im vorliegenden Falle war die (aus einund-<lb/> zwanzig Mitgliedern bestehende) Kommission so zusammengesetzt, daß das Er¬<lb/> gebnis zu Gunsten der Anwälte von vornherein gesichert war. Neben den fünf<lb/> Mitgliedern, welche selbst Anwälte sind, waren in überwiegender Zahl Freunde<lb/> höchster Anwaltsgebühren in ihr vertreten. Nicht allein die Freisinnigen und<lb/> das Zentrum, sondern auch die Nationalliberalen hatten in diesem Sinne ge¬<lb/> wählt. Das Schicksal des Entwurfs stand damit fest. Deshalb waren aber<lb/> auch für die übrigen Mitglieder, wie sich mehrfach kundgab, die Kommissions¬<lb/> verhandlungen nur von geringem Interesse.</p><lb/> <p xml:id="ID_1864"> Das Scheitern des Entwurfs können wir insofern nicht gerade bedauern,<lb/> als auch wir wünschen, daß eine Herabsetzung der Anwaltsgebühren Hand in<lb/> Hand gehe mit einer entsprechenden Herabsetzung der Gerichtsgebühren. Nur<lb/> aus einer Verbindung beider läßt sich eine einigermaßen fühlbare Erleichterung<lb/> der jetzt den Prozeß so schwer betastenden Kosten hoffen. So viel bekannt ist,<lb/> haben bisher die Regierungen einer Herabsetzung der Gerichtsgebührcn vorzugs¬<lb/> weise aus finanziellen Gründen widerstrebt. Ob jetzt, wo die lange dauernde<lb/> Obstruktion des Reichstages in der Bewilligung der für das Reich notwendigen<lb/> Geldmittel glücklich gelöst ist, vielleicht gehofft werden darf, daß jene finanziellen<lb/> Rücksichten in der Gerichtskostenfrage zurücktreten, wissen wir nicht. Aber wir<lb/> müssen auch hier wiederum betonen, daß die Rechtspflege nicht dazu berufen<lb/> ist, eine Finanzquelle abzugeben, und daß daher die Höhe der aufzulegenden<lb/> Kosten nur nach den eignen Interessen der Rechtspflege (und zwar verstehen<lb/> wir darunter nicht in erster Linie das Interesse der Juristen, sondern das<lb/> Interesse eines vernünftigen Rechtsschutzes) bemessen werden sollte. Von diesem<lb/> Standpunkte aus betrachtet, sind aber die jetzt den Prozeß betastenden Kosten<lb/> für deutsche Verhältnisse viel zu hoch.</p><lb/> <p xml:id="ID_1865" next="#ID_1866"> Freilich erscheint es zweifelhaft, ob selbst für den Fall, daß die Regierungen<lb/> sich zu einer gleichzeitigen Herabsetzung der Gerichtskosten entschlössen, der Reichs¬<lb/> tag geneigt sein würde, auf eine Herabsetzung der Auwaltsgebührcn einzugehen.<lb/> Wenn schon die jetzt versuchte höchst geringfügige Minderung dieser Gebühren<lb/> einen solchen Sturm der Entrüstung bei unsern Anwälten hervorgerufen hat,<lb/> mit welchem Schmerzensschrei würden sie wohl einer ernstlichen Herabsetzung</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0563]
Die Lage der Prozeßkostenfrage.
man den Vorlagen Gunst oder Ungunst zu Teil werden läßt. Die sonst so
beliebte Öffentlichkeit tritt dabei völlig zurück. Die Mitglieder der Kommissionen
werden von den Fraktionen gestellt. Aber man erfährt nicht, wer innerhalb
der Fraktionen sie auswählt. Berechtigte und unberechtigte Einflüsse können
sich, offen oder insgeheim, dabei geltend machen. Die Kommissionen selbst er¬
statten ihre Berichte unter dem Schutze der Anonymität. Man erfährt nicht,
wer die Anträge gestellt, auch nicht, wer dafür und dawider gestimmt hat. Die
Kommissionsanträge sind also Anträge mystischer Personen. Freilich sind die
Ansichten vieler Mitglieder schon im voraus zur Genüge bekannt. Und darnach
werden die Kommissionen berufen. Im vorliegenden Falle war die (aus einund-
zwanzig Mitgliedern bestehende) Kommission so zusammengesetzt, daß das Er¬
gebnis zu Gunsten der Anwälte von vornherein gesichert war. Neben den fünf
Mitgliedern, welche selbst Anwälte sind, waren in überwiegender Zahl Freunde
höchster Anwaltsgebühren in ihr vertreten. Nicht allein die Freisinnigen und
das Zentrum, sondern auch die Nationalliberalen hatten in diesem Sinne ge¬
wählt. Das Schicksal des Entwurfs stand damit fest. Deshalb waren aber
auch für die übrigen Mitglieder, wie sich mehrfach kundgab, die Kommissions¬
verhandlungen nur von geringem Interesse.
Das Scheitern des Entwurfs können wir insofern nicht gerade bedauern,
als auch wir wünschen, daß eine Herabsetzung der Anwaltsgebühren Hand in
Hand gehe mit einer entsprechenden Herabsetzung der Gerichtsgebühren. Nur
aus einer Verbindung beider läßt sich eine einigermaßen fühlbare Erleichterung
der jetzt den Prozeß so schwer betastenden Kosten hoffen. So viel bekannt ist,
haben bisher die Regierungen einer Herabsetzung der Gerichtsgebührcn vorzugs¬
weise aus finanziellen Gründen widerstrebt. Ob jetzt, wo die lange dauernde
Obstruktion des Reichstages in der Bewilligung der für das Reich notwendigen
Geldmittel glücklich gelöst ist, vielleicht gehofft werden darf, daß jene finanziellen
Rücksichten in der Gerichtskostenfrage zurücktreten, wissen wir nicht. Aber wir
müssen auch hier wiederum betonen, daß die Rechtspflege nicht dazu berufen
ist, eine Finanzquelle abzugeben, und daß daher die Höhe der aufzulegenden
Kosten nur nach den eignen Interessen der Rechtspflege (und zwar verstehen
wir darunter nicht in erster Linie das Interesse der Juristen, sondern das
Interesse eines vernünftigen Rechtsschutzes) bemessen werden sollte. Von diesem
Standpunkte aus betrachtet, sind aber die jetzt den Prozeß betastenden Kosten
für deutsche Verhältnisse viel zu hoch.
Freilich erscheint es zweifelhaft, ob selbst für den Fall, daß die Regierungen
sich zu einer gleichzeitigen Herabsetzung der Gerichtskosten entschlössen, der Reichs¬
tag geneigt sein würde, auf eine Herabsetzung der Auwaltsgebührcn einzugehen.
Wenn schon die jetzt versuchte höchst geringfügige Minderung dieser Gebühren
einen solchen Sturm der Entrüstung bei unsern Anwälten hervorgerufen hat,
mit welchem Schmerzensschrei würden sie wohl einer ernstlichen Herabsetzung
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