Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Drittes Vierteljahr.Hans j)öhnls Volkst-ühnenspiele. Empfinden eine Rohheit sondergleichen. Kaum hat er diesen Eid geleistet, Zu alledem kommen aber auch uoch allerlei mitlaufende Schrullen, welche Gott sei Dank, euch Schmuck ich wieder Oder einige Seiten später: Hans j)öhnls Volkst-ühnenspiele. Empfinden eine Rohheit sondergleichen. Kaum hat er diesen Eid geleistet, Zu alledem kommen aber auch uoch allerlei mitlaufende Schrullen, welche Gott sei Dank, euch Schmuck ich wieder Oder einige Seiten später: <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0543" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/201322"/> <fw type="header" place="top"> Hans j)öhnls Volkst-ühnenspiele.</fw><lb/> <p xml:id="ID_1799" prev="#ID_1798"> Empfinden eine Rohheit sondergleichen. Kaum hat er diesen Eid geleistet,<lb/> so tritt der König Heinrich an ihn mit dem auszeichnenden Antrage heran,<lb/> seine Nichte Agnes zu ehelichen, als Mitgift solle sie Körnten erhalten. Staufen¬<lb/> berg sagt ja dazu, weil er nicht den Mut findet, nein zu sagen. Er fühlt<lb/> Reue, will zurücktreten, aber Ritter und Geistliche überreden ihn, der Nixe das<lb/> Wort zu brechen. Beim Hochzeitsmahl aber stirbt Staufenberg an seinem reue¬<lb/> vollen Schmerze über die verlorene Nixe, vermutlich an gebrochenem Herzen.<lb/> Und für diese kindische Geschichte will uns Pöhnl warm machen! Diese Hand¬<lb/> lung soll uns ein Bild davon geben, wie sich die deutsche Nation die sittliche<lb/> Weltordnung gedacht hat! Dieses Volksbühnenspiel soll aus dem Volksglauben<lb/> erwachsen sein, um vom kunstreichen Dichter allen Ständen der Nation, Hoch<lb/> und Niedrig, Gelehrte» und Umgekehrten, vorgeführt zu werden! Ist das nicht<lb/> gar zu läppisch?</p><lb/> <p xml:id="ID_1800"> Zu alledem kommen aber auch uoch allerlei mitlaufende Schrullen, welche<lb/> selbst die unleugbaren Vorzüge dieser Bühnenspielc aufzufinden schwer machen.<lb/> Es ist die Schrulle der germanistischen Schulmeisteret, welche Pöhnl plagt.<lb/> Haben zuweilen Lessing die Bühne zur Kanzel der religiösen Toleranz und<lb/> Schiller zur Kanzel der politischen Freiheit gemacht, so benutzt Pöhnl die Bühne<lb/> dazu, Lehrkurse über deutsche Volks- und Sagenkunde zu eröffnen. So groß<lb/> der Unterschied ist zwischen der Begeisterung, die unsterbliche Ideen entfacht,<lb/> und der Langenweile, die auf dem Katheder des Autiauars, und wärs<lb/> zehnmal ein germanistischer, lagert — so gewaltig ist der Abstand, der Pöhul<lb/> von dem ihm so verhaßten großen Schiller trennt. Die andre Schrulle, welche<lb/> Pöhnl plagt, ist gleichfalls philologischer Art. Die Sprache Schillers und<lb/> Goethes ist ihm nicht deutsch genug, der fünffüßige Jambus, der Vers unsrer<lb/> dramatischen Meisterwerke, ist ihm mich nicht national genug. Pöhnl mußte<lb/> deutscher sein, und die rechte deutsche Sprache fand er nur in den Werken von<lb/> Hans Sachs und Jakob Ayrer. Allein anstatt das Muster Goethes in dessen<lb/> Gedichten nach Hans Sachsscher Tonart zu befolgen, anstatt diese Sprache eben<lb/> nur als künstlerisches Rohmaterial zu betrachten, welches nur von dem ge¬<lb/> läuterten Geschmack der modernen Poesie fruchtbringend verwertet werden kann<lb/> (wie es z. B. auch Martin Greif nach Goethes Beispiele gethan hat, in zwei<lb/> vortrefflichen Gelegenheitsdichtungen), hat sich Pöhnl gerade mit den veralteten<lb/> und geschmacklosen Eigenheiten jener Sprache erfüllt, sodaß sein eignes härten¬<lb/> reiches holperiges Deutsch nicht als eine freischöpferische Widergeburt, sondern<lb/> als eine sklavische Nachahmung der Sprache Ayrers erscheint. Auch offenbare<lb/> grammatische Fehler ahmt er nach. So heißt es im „Staufenberg":</p><lb/> <quote> Gott sei Dank, euch Schmuck ich wieder<lb/> An meine Brust, liebwerte Brüder. (II, S. 1S3.)</quote><lb/> <p xml:id="ID_1801"> Oder einige Seiten später:</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0543]
Hans j)öhnls Volkst-ühnenspiele.
Empfinden eine Rohheit sondergleichen. Kaum hat er diesen Eid geleistet,
so tritt der König Heinrich an ihn mit dem auszeichnenden Antrage heran,
seine Nichte Agnes zu ehelichen, als Mitgift solle sie Körnten erhalten. Staufen¬
berg sagt ja dazu, weil er nicht den Mut findet, nein zu sagen. Er fühlt
Reue, will zurücktreten, aber Ritter und Geistliche überreden ihn, der Nixe das
Wort zu brechen. Beim Hochzeitsmahl aber stirbt Staufenberg an seinem reue¬
vollen Schmerze über die verlorene Nixe, vermutlich an gebrochenem Herzen.
Und für diese kindische Geschichte will uns Pöhnl warm machen! Diese Hand¬
lung soll uns ein Bild davon geben, wie sich die deutsche Nation die sittliche
Weltordnung gedacht hat! Dieses Volksbühnenspiel soll aus dem Volksglauben
erwachsen sein, um vom kunstreichen Dichter allen Ständen der Nation, Hoch
und Niedrig, Gelehrte» und Umgekehrten, vorgeführt zu werden! Ist das nicht
gar zu läppisch?
Zu alledem kommen aber auch uoch allerlei mitlaufende Schrullen, welche
selbst die unleugbaren Vorzüge dieser Bühnenspielc aufzufinden schwer machen.
Es ist die Schrulle der germanistischen Schulmeisteret, welche Pöhnl plagt.
Haben zuweilen Lessing die Bühne zur Kanzel der religiösen Toleranz und
Schiller zur Kanzel der politischen Freiheit gemacht, so benutzt Pöhnl die Bühne
dazu, Lehrkurse über deutsche Volks- und Sagenkunde zu eröffnen. So groß
der Unterschied ist zwischen der Begeisterung, die unsterbliche Ideen entfacht,
und der Langenweile, die auf dem Katheder des Autiauars, und wärs
zehnmal ein germanistischer, lagert — so gewaltig ist der Abstand, der Pöhul
von dem ihm so verhaßten großen Schiller trennt. Die andre Schrulle, welche
Pöhnl plagt, ist gleichfalls philologischer Art. Die Sprache Schillers und
Goethes ist ihm nicht deutsch genug, der fünffüßige Jambus, der Vers unsrer
dramatischen Meisterwerke, ist ihm mich nicht national genug. Pöhnl mußte
deutscher sein, und die rechte deutsche Sprache fand er nur in den Werken von
Hans Sachs und Jakob Ayrer. Allein anstatt das Muster Goethes in dessen
Gedichten nach Hans Sachsscher Tonart zu befolgen, anstatt diese Sprache eben
nur als künstlerisches Rohmaterial zu betrachten, welches nur von dem ge¬
läuterten Geschmack der modernen Poesie fruchtbringend verwertet werden kann
(wie es z. B. auch Martin Greif nach Goethes Beispiele gethan hat, in zwei
vortrefflichen Gelegenheitsdichtungen), hat sich Pöhnl gerade mit den veralteten
und geschmacklosen Eigenheiten jener Sprache erfüllt, sodaß sein eignes härten¬
reiches holperiges Deutsch nicht als eine freischöpferische Widergeburt, sondern
als eine sklavische Nachahmung der Sprache Ayrers erscheint. Auch offenbare
grammatische Fehler ahmt er nach. So heißt es im „Staufenberg":
Gott sei Dank, euch Schmuck ich wieder
An meine Brust, liebwerte Brüder. (II, S. 1S3.)
Oder einige Seiten später:
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |