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Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Drittes Vierteljahr.

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Die Ermäßigung der Anwaltsgebühren.

welchen die Mitglieder der Kammer ihre Bücher vorzulegen hätten -- nur eine
geringe Minderzahl ihre Mitwirkung versagen würde. Sollten aber wider Er¬
warten solche Weigerungen in so erheblichem Umfange erfolgen, daß dadurch das
angestrebte Ziel vereitelt würde, so bliebe immer noch der jetzt eingeschlagene
Weg übrig, und es könnten sich dann die Anwälte nicht beklagen, wenn ihren
Einwendungen keine Beachtung zuteil würde.

Die Vertreter der verbündeten Regierungen haben diesem in der eingesetzten
Reichstagskommission hervorgetretenen Wunsche insoweit Rechnung zu tragen
versucht, als sie im Laufe der Verhandlungen eine Denkschrift vorgelegt haben,
nach welcher auf Grund der im Jahre 1882 bezüglich der Gerichtskosten bei
den Landgerichten veranstalteten Erhebungen eine Berechnung sowohl der An¬
waltseinnahmen als der als notwendig anzuerkennenden Anzahl von Anwälten
für ganz Deutschland unternommen wird, und bei welcher die Verteilung der
Gesamteinnahme von 20 Millionen Mark ein Durchschnittseinkommen von rund
5250 Mark oder 7000 Mark ergiebt, je nachdem man die thatsächlich vor¬
handene Zahl von 3800 Landgerichtsanwälten zu Grnnde legt, oder diese auf
die Anzahl der als notwendig anzuerkennenden 2800 ermäßigt. Allein diese
Angaben unterliegen dem erheblichen Bedenken, daß die dabei versuchte Er¬
mittelung der Anwaltseinnahmeu ans den Gerichtskosten immerhin recht unsicher
bleibt, und außerdem, wie schon hervorgehoben ist, eine Durchschnittsziffer für ganz
Deutschland kaum ausreichenden Anhalt für die zu treffende Entscheidung bildet.

Es muß deshalb nach wie vor die Beibringung von statistischen Ermittelungen
als durchaus erforderlich bezeichnet werden, und diese werden sich neben den
bereits hervorgehobenen Punkten für diejenigen Länder, in welchen die Anwälte
zugleich Notare sind, u. ni. auch auf die Einnahmen aus dem Notariat zu er¬
strecken haben.

Aber es bleibt noch ein andrer wichtiger Umstand, welcher zweckmäßig in
den Kreis der Ermittelungen wird eingeschlossen werden müssen. Es ist schon
bei den Verhandlungen im Reichstage darauf hingewiesen worden, daß bei dem
jetzigen System der Pauschsätze die Thätigkeit in kleinen Sachen, welche wegen
des geringern Wertes durchaus keine geringere Mühe erfordern als die großen,
offenbar nicht ausreichend vergolten wird, der Anwalt vielmehr darauf hin¬
gewiesen ist, den hier entstehenden Fehlbetrag durch den Überschuß der höheren
Wertklasfen zu decken. Es ist deshalb nicht zulässig, bei der Ausmessung der
höheren Gebühren das Verhältnis zwischen Mühe und Vergütung lediglich inner¬
halb dieser Klassen zu berücksichtigen, sondern es ist auch dabei jene Ausgleichung
dabei ins Auge zu fassen.

Nun ist aber nicht zu verkennen, daß eine solche Ausgleichung bei den
bisherigen Taxen sich nur in sehr unvollkommneren Maße vollzieht, indem die
Prozesse mit hohen und mit niedrigen Wertbeträgen sich sehr ungleich verteilen,
und -- um gleich den springenden Punkt zu bezeichnen -- es muß, ohne dem


Die Ermäßigung der Anwaltsgebühren.

welchen die Mitglieder der Kammer ihre Bücher vorzulegen hätten — nur eine
geringe Minderzahl ihre Mitwirkung versagen würde. Sollten aber wider Er¬
warten solche Weigerungen in so erheblichem Umfange erfolgen, daß dadurch das
angestrebte Ziel vereitelt würde, so bliebe immer noch der jetzt eingeschlagene
Weg übrig, und es könnten sich dann die Anwälte nicht beklagen, wenn ihren
Einwendungen keine Beachtung zuteil würde.

Die Vertreter der verbündeten Regierungen haben diesem in der eingesetzten
Reichstagskommission hervorgetretenen Wunsche insoweit Rechnung zu tragen
versucht, als sie im Laufe der Verhandlungen eine Denkschrift vorgelegt haben,
nach welcher auf Grund der im Jahre 1882 bezüglich der Gerichtskosten bei
den Landgerichten veranstalteten Erhebungen eine Berechnung sowohl der An¬
waltseinnahmen als der als notwendig anzuerkennenden Anzahl von Anwälten
für ganz Deutschland unternommen wird, und bei welcher die Verteilung der
Gesamteinnahme von 20 Millionen Mark ein Durchschnittseinkommen von rund
5250 Mark oder 7000 Mark ergiebt, je nachdem man die thatsächlich vor¬
handene Zahl von 3800 Landgerichtsanwälten zu Grnnde legt, oder diese auf
die Anzahl der als notwendig anzuerkennenden 2800 ermäßigt. Allein diese
Angaben unterliegen dem erheblichen Bedenken, daß die dabei versuchte Er¬
mittelung der Anwaltseinnahmeu ans den Gerichtskosten immerhin recht unsicher
bleibt, und außerdem, wie schon hervorgehoben ist, eine Durchschnittsziffer für ganz
Deutschland kaum ausreichenden Anhalt für die zu treffende Entscheidung bildet.

Es muß deshalb nach wie vor die Beibringung von statistischen Ermittelungen
als durchaus erforderlich bezeichnet werden, und diese werden sich neben den
bereits hervorgehobenen Punkten für diejenigen Länder, in welchen die Anwälte
zugleich Notare sind, u. ni. auch auf die Einnahmen aus dem Notariat zu er¬
strecken haben.

Aber es bleibt noch ein andrer wichtiger Umstand, welcher zweckmäßig in
den Kreis der Ermittelungen wird eingeschlossen werden müssen. Es ist schon
bei den Verhandlungen im Reichstage darauf hingewiesen worden, daß bei dem
jetzigen System der Pauschsätze die Thätigkeit in kleinen Sachen, welche wegen
des geringern Wertes durchaus keine geringere Mühe erfordern als die großen,
offenbar nicht ausreichend vergolten wird, der Anwalt vielmehr darauf hin¬
gewiesen ist, den hier entstehenden Fehlbetrag durch den Überschuß der höheren
Wertklasfen zu decken. Es ist deshalb nicht zulässig, bei der Ausmessung der
höheren Gebühren das Verhältnis zwischen Mühe und Vergütung lediglich inner¬
halb dieser Klassen zu berücksichtigen, sondern es ist auch dabei jene Ausgleichung
dabei ins Auge zu fassen.

Nun ist aber nicht zu verkennen, daß eine solche Ausgleichung bei den
bisherigen Taxen sich nur in sehr unvollkommneren Maße vollzieht, indem die
Prozesse mit hohen und mit niedrigen Wertbeträgen sich sehr ungleich verteilen,
und — um gleich den springenden Punkt zu bezeichnen — es muß, ohne dem


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_200778/330>, abgerufen am 23.07.2024.