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Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Drittes Vierteljahr.

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Ein süddeutscher Patriot vor hundert Jahren.

Hohenzoller zu denken, aber erst im zwanzigsten Jahrhundert soll ihm all diese
Herrlichkeit eines neu erstandenen, von Grund aus umgestalteten deutschen
Kaisertums zufallen. Die Hohenzollern sowohl wie die deutsche Nation hatten
somit noch lange Zeit, um zum Ziele zu kommen, sie brauchten sich nicht gar
zu sehr zu beeilen und sich über den sichersten und kürzesten Weg den Kopf zu
zerbrechen. Vor der Hand konnten auch weiter schauende Patrioten sich dabei
beruhigen, daß, wenn die Häuser Habsburg und Brandenburg nur wollten,
Deutschland einig und die geeinte Macht desselben jedem auswärtigen Gegner
gewachsen war.

Dieses Verhältnis des Hand in Hand Gehens der beiden führenden Mächte
malt sich der Patriot mit besondrer Vorliebe aus. Hoch erfreut ist der Ver¬
fasser der "Deutschen Chronik," wenn er am Schlüsse des Jahres 1775 aus¬
rufen darf: "Deutschland, von Josef und Friedrich bewacht, mitten im Frieden
von einer halben Million Krieger beschützt!" Mit Begeisterung stellt er sich
schon eine Verbrüderung auch zur See vor. "Es scheint, schreibt er (1775,
S. 242), als wenn wir jetzt auf einmal zwei deutsche Seemächte bekommen
sollten.


Schon ziehen sie in Sturm und Wetter
Heran; Neptun, erhebe dich!
Empfang des Meeres neue Götter:
Josef und Fricoerich!

In Ostende und Niepoort macht der Kaiser alle Anstalten, eine Flotte zu er¬
richten. Dies hat die Holländer so aufmerksam gemacht, daß sie nicht nur die
Ausfuhr alles Schiffgerätes, sondern auch ihren Einwohnern verboten haben,
einer fremden Macht zur See zu dienen. In den preußischen Häfen Stettin,
Memel und Emden sind bereits verschiedne Schiffe zum Auslaufen fertig, und
wenn Friedrich noch Danzig bekommt, so wird's ihm ein Leichtes sein, eine
Seemacht zu errichten, die in kurzem der russischen gleichkommt. Dann sollen's
fremde Nationen mit Staunen erfahren, was deutscher Mut auch auf'in Meere
vermag. Auch von uns wird's dann heißen:


Sie siegen in der finstern Schlacht,
Wo Schiff an Schiff sich donnernd legt."

Durch die Siege Friedrichs hatte die ganze Nation wieder das Vertrauen
zu ihrer kriegerischen Tüchtigkeit gewonnen. Im Jahrgang 1775 der "Chronik"
(S. 155) urteilt Schubart: "Die Vorzüge der Deutschen vor andern Nationen
sind nirgends auffallender, als in der Kriegskunst. Daher sind auch deutsche
Offiziere in der ganzen Welt willkommen. Welches Land kann uns Friedriche,
Heinriche. Ferdinande, Londons, Zieten und noch andre unsterbliche Helden
entgegensetzen? Sonst rühmten sich die Franzosen, die größten Meister in der
Kriegskunst zu sein. Aber jetzt!" Auch sonst sehen wir auf allen möglichen
Gebieten der Erfindung den deutschen Geist den Vorrang behaupten. "Wenn


Ein süddeutscher Patriot vor hundert Jahren.

Hohenzoller zu denken, aber erst im zwanzigsten Jahrhundert soll ihm all diese
Herrlichkeit eines neu erstandenen, von Grund aus umgestalteten deutschen
Kaisertums zufallen. Die Hohenzollern sowohl wie die deutsche Nation hatten
somit noch lange Zeit, um zum Ziele zu kommen, sie brauchten sich nicht gar
zu sehr zu beeilen und sich über den sichersten und kürzesten Weg den Kopf zu
zerbrechen. Vor der Hand konnten auch weiter schauende Patrioten sich dabei
beruhigen, daß, wenn die Häuser Habsburg und Brandenburg nur wollten,
Deutschland einig und die geeinte Macht desselben jedem auswärtigen Gegner
gewachsen war.

Dieses Verhältnis des Hand in Hand Gehens der beiden führenden Mächte
malt sich der Patriot mit besondrer Vorliebe aus. Hoch erfreut ist der Ver¬
fasser der „Deutschen Chronik," wenn er am Schlüsse des Jahres 1775 aus¬
rufen darf: „Deutschland, von Josef und Friedrich bewacht, mitten im Frieden
von einer halben Million Krieger beschützt!" Mit Begeisterung stellt er sich
schon eine Verbrüderung auch zur See vor. „Es scheint, schreibt er (1775,
S. 242), als wenn wir jetzt auf einmal zwei deutsche Seemächte bekommen
sollten.


Schon ziehen sie in Sturm und Wetter
Heran; Neptun, erhebe dich!
Empfang des Meeres neue Götter:
Josef und Fricoerich!

In Ostende und Niepoort macht der Kaiser alle Anstalten, eine Flotte zu er¬
richten. Dies hat die Holländer so aufmerksam gemacht, daß sie nicht nur die
Ausfuhr alles Schiffgerätes, sondern auch ihren Einwohnern verboten haben,
einer fremden Macht zur See zu dienen. In den preußischen Häfen Stettin,
Memel und Emden sind bereits verschiedne Schiffe zum Auslaufen fertig, und
wenn Friedrich noch Danzig bekommt, so wird's ihm ein Leichtes sein, eine
Seemacht zu errichten, die in kurzem der russischen gleichkommt. Dann sollen's
fremde Nationen mit Staunen erfahren, was deutscher Mut auch auf'in Meere
vermag. Auch von uns wird's dann heißen:


Sie siegen in der finstern Schlacht,
Wo Schiff an Schiff sich donnernd legt."

Durch die Siege Friedrichs hatte die ganze Nation wieder das Vertrauen
zu ihrer kriegerischen Tüchtigkeit gewonnen. Im Jahrgang 1775 der „Chronik"
(S. 155) urteilt Schubart: „Die Vorzüge der Deutschen vor andern Nationen
sind nirgends auffallender, als in der Kriegskunst. Daher sind auch deutsche
Offiziere in der ganzen Welt willkommen. Welches Land kann uns Friedriche,
Heinriche. Ferdinande, Londons, Zieten und noch andre unsterbliche Helden
entgegensetzen? Sonst rühmten sich die Franzosen, die größten Meister in der
Kriegskunst zu sein. Aber jetzt!" Auch sonst sehen wir auf allen möglichen
Gebieten der Erfindung den deutschen Geist den Vorrang behaupten. „Wenn


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_200778/276>, abgerufen am 23.07.2024.