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Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Drittes Vierteljahr.

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abgeschliffen ist; auch hat sie nicht die große Klarheit und Bestimmtheit z. B.
des Französischen und ist vielleicht noch nicht genügend nach allen Seiten des
menschlichen Gedankenkreises hin ausgebildet und erprobt.

So bleibt uns allein das Englische übrig, und diesem wird sich die Palme
nicht vorenthalten lassen. Seine Erlernbarkeit ist leicht, durch unvergleichliche
Abgeschliffenheit hat es widerstandsfähige Handlichkeit erworben und zeichnet
sich bei großem Reichtume des Wortschatzes durch Kürze und Gedrungenheit
aus wie keine zweite europäische Sprache.*) Daß es mundgerecht ist, kann auch
nicht in Abrede gestellt werden, denn alle kultivirten und unkultivirten Völker,
mit denen die Briten in Berührung getreten sind, können das Englische leicht
nachsprechen. Die Grammatik ist klar und durchsichtig, die Brauchbarkeit der
Sprache in allen Gebieten menschlichen Denkens durch eine mehr als drei-
hundertjährige Literatur unzweifelhaft erwiesen. Viele Millionen Menschen in
allen fünf Erdteilen sprechen das Englische als Muttersprache, und es kann ihm
in dieser Hinsicht keine andre europäische Sprache an die Seite treten. Sonach
entspricht das Englische den gestellten Anforderungen am vollständigsten, und
es bedürfte nur der Beseitigung einer garstigen Schwäche, um die letzten Be¬
denken zu verscheuchen. Dieser Fehler ist die geradezu entsetzliche Orthographie,
bei deren Regellosigkeit der Lernende doppelt wieder zusetzen muß, was er in¬
folge der grammatischen Leichtigkeit an Zeit gewonnen hat. So lange die ortho¬
graphische Nacht Großbritanniens noch nicht ihren Tag erfährt, wird der all¬
gemeinen Anerkennung des Englischen als Weltsprache ein schweres, wennschon
nur äußerliches Hindernis im Wege stehen. Aber die Dämmerung ist bereits
angebrochen. Der vormalige Lehrer Jsaak Pitman in Bath hat schon vor
fünfzig Jahren ein einfaches und praktisches Shstem der englische" Rechtschrei¬
bung erfunden, das unter möglichster Anlehnung an das alte lautgetreu schreibt
und alle Schwierigkeiten mit einem Schlage verschwinden läßt. Jedermann,
der die gewöhnliche englische Orthographie gelernt hat, wird einen Text in
Pitmanscher " Monographie" sofort und ohne nennenswerten Anstoß vom
Blatte lesen, obgleich Pitman für die eigentümlichen Laute der englischen
Sprache einige neue, aber dem Charakter der alten Schrift gut angepaßte
Zeichen eingeführt hat. Zur Erleichterung des Überganges ist auch eine Mittel¬
stufe geschaffen worden, die ohne den Gebrauch neuer Zeichen nur durch ge¬
regelte Anwendung des bestehenden Alphabets eine außerordentliche Verein¬
fachung und Leichtigkeit herbeiführt. In beiden Formen der Pitmanschen
Schrift sind schon Millionen Exemplare von Fibeln, Lesebüchern u. f. w. durch
das britische Reich verbreitet und haben bei privatem Jugendunterrichte so un-



*) Selbst dem Volcipük steht es hierin wenig nach. Die Aufschrift an einer Ladenthür
AnAlisIi sxolcsn braucht gewiß den Vergleich mit dem entsprechenden Vvlapttksatze?iilwn
nsliMo nicht zu scheuen.
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abgeschliffen ist; auch hat sie nicht die große Klarheit und Bestimmtheit z. B.
des Französischen und ist vielleicht noch nicht genügend nach allen Seiten des
menschlichen Gedankenkreises hin ausgebildet und erprobt.

So bleibt uns allein das Englische übrig, und diesem wird sich die Palme
nicht vorenthalten lassen. Seine Erlernbarkeit ist leicht, durch unvergleichliche
Abgeschliffenheit hat es widerstandsfähige Handlichkeit erworben und zeichnet
sich bei großem Reichtume des Wortschatzes durch Kürze und Gedrungenheit
aus wie keine zweite europäische Sprache.*) Daß es mundgerecht ist, kann auch
nicht in Abrede gestellt werden, denn alle kultivirten und unkultivirten Völker,
mit denen die Briten in Berührung getreten sind, können das Englische leicht
nachsprechen. Die Grammatik ist klar und durchsichtig, die Brauchbarkeit der
Sprache in allen Gebieten menschlichen Denkens durch eine mehr als drei-
hundertjährige Literatur unzweifelhaft erwiesen. Viele Millionen Menschen in
allen fünf Erdteilen sprechen das Englische als Muttersprache, und es kann ihm
in dieser Hinsicht keine andre europäische Sprache an die Seite treten. Sonach
entspricht das Englische den gestellten Anforderungen am vollständigsten, und
es bedürfte nur der Beseitigung einer garstigen Schwäche, um die letzten Be¬
denken zu verscheuchen. Dieser Fehler ist die geradezu entsetzliche Orthographie,
bei deren Regellosigkeit der Lernende doppelt wieder zusetzen muß, was er in¬
folge der grammatischen Leichtigkeit an Zeit gewonnen hat. So lange die ortho¬
graphische Nacht Großbritanniens noch nicht ihren Tag erfährt, wird der all¬
gemeinen Anerkennung des Englischen als Weltsprache ein schweres, wennschon
nur äußerliches Hindernis im Wege stehen. Aber die Dämmerung ist bereits
angebrochen. Der vormalige Lehrer Jsaak Pitman in Bath hat schon vor
fünfzig Jahren ein einfaches und praktisches Shstem der englische» Rechtschrei¬
bung erfunden, das unter möglichster Anlehnung an das alte lautgetreu schreibt
und alle Schwierigkeiten mit einem Schlage verschwinden läßt. Jedermann,
der die gewöhnliche englische Orthographie gelernt hat, wird einen Text in
Pitmanscher „ Monographie" sofort und ohne nennenswerten Anstoß vom
Blatte lesen, obgleich Pitman für die eigentümlichen Laute der englischen
Sprache einige neue, aber dem Charakter der alten Schrift gut angepaßte
Zeichen eingeführt hat. Zur Erleichterung des Überganges ist auch eine Mittel¬
stufe geschaffen worden, die ohne den Gebrauch neuer Zeichen nur durch ge¬
regelte Anwendung des bestehenden Alphabets eine außerordentliche Verein¬
fachung und Leichtigkeit herbeiführt. In beiden Formen der Pitmanschen
Schrift sind schon Millionen Exemplare von Fibeln, Lesebüchern u. f. w. durch
das britische Reich verbreitet und haben bei privatem Jugendunterrichte so un-



*) Selbst dem Volcipük steht es hierin wenig nach. Die Aufschrift an einer Ladenthür
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_200778/226>, abgerufen am 23.07.2024.