Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Drittes Vierteljahr.Die Anarchisten. wird: Mord, Raub, Betrug, Brand u. dergl. -- wir haben nichts Nachteiliges Über den anarchistischen Zukunftsstaat heißt es in der "Freiheit": "Was Die Anarchisten. wird: Mord, Raub, Betrug, Brand u. dergl. — wir haben nichts Nachteiliges Über den anarchistischen Zukunftsstaat heißt es in der „Freiheit": „Was <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0168" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/200947"/> <fw type="header" place="top"> Die Anarchisten.</fw><lb/> <p xml:id="ID_530" prev="#ID_529"> wird: Mord, Raub, Betrug, Brand u. dergl. — wir haben nichts Nachteiliges<lb/> darüber zu sagen. Sind die betreffenden Handlungen privater Natur, also<lb/> sogenannte gemeine Verbrechen, so zucken wir mit den Achseln dazu. Sind<lb/> dieselben im Interesse der revolutionären Sache begangen worden, so heißen<lb/> wir sie gut, gleichviel ob uns die Einzelheiten daran gefallen oder nicht."</p><lb/> <p xml:id="ID_531" next="#ID_532"> Über den anarchistischen Zukunftsstaat heißt es in der „Freiheit": „Was<lb/> wir erstreben, ist einfach und klar: 1. Zerstörung der bestehenden Klassen¬<lb/> herrschaft mit allen Mitteln, d. h. durch energisches, unerbittliches revolutionäres<lb/> und internationales Handeln. 2. Errichtung einer auf Gütergemeinschaft be¬<lb/> ruhenden freien Gesellschaft. 3. Genossenschaftliche Organisation der Güter¬<lb/> erzeugung. 4. Freier Austausch der gleichwertigen Produkte durch die pro¬<lb/> duktiven Organisationen selbst und ohne Zwischenhandel und Profitmacherei.<lb/> 5. Organisation des Erziehungswesens auf religionsloser, wissenschaftlicher und<lb/> glcichheitlicher Basis für beide Geschlechter. 6. Regelung aller öffentlichen<lb/> Angelegenheiten durch freie Gesellschaftsverträge der auf föderalistischer Grund¬<lb/> lage ruhenden autonomen (unabhängigen) Kommunen und Genossenschaften."<lb/> In der Nummer der „Freiheit" vom 24. Mai 1884 werden die Hauptsätze<lb/> der anarchistischen Lehre in einem Artikel mit dem Titel: „Anarchie ist Har¬<lb/> monie," wie folgt, angegeben: „In der anarchistischen Gesellschaft hat der Staat<lb/> weder Raum noch Zweck. Die Kommune als politischer Körper ist ebenfalls<lb/> überflüssig geworden. Alle Lebenszwecke der Menschen werden durch entsprechende<lb/> Organisationen der Gruppirungen erreicht. Dieselben sind nicht zentralisirt<lb/> und nur soweit föderalistisch mit einander verbunden, als zur Erreichung der<lb/> damit erstrebten Ziele unerläßlich ist. Ein Privateigentum an Land oder Kapital<lb/> existirt nicht mehr. Die Arbeitsmittel jeder Art befinden sich in den Händen<lb/> der verschiedenen gewerblichen Organisationen. Alle Menschen sind nicht nur<lb/> Produzenten, sondern auch Konsumenten, und da die letzteren stets in der Lage<lb/> sind, bei Abschluß von Lieferungsverträgen mit jeder einzelnen Produktiv¬<lb/> organisation in beliebiger Anzahl sich zu gruppiren, so kann auch von einer<lb/> Übervorteilung derselbe» durch die Produzenten nicht die Rede sein. Die Or¬<lb/> ganisation der Konsumenten versteht sich aber schon deshalb von selbst, weil in<lb/> einer freien Gesellschaft unproduktive Handelsschmarotzer undenkbar sind. . . .<lb/> Wie die Handelsprellerei, so ist auch deren Tauschmittel, das Geld, im heutigen<lb/> Sinne abgeschafft worden. Die Waaren werden nach der darin steckenden<lb/> normalen Arbeitszeit taxirt. Als Produzent empfängt jeder seinen Schein über<lb/> wirklich gethane Arbeit von der Organisation, zu welcher er gehört; als Kon¬<lb/> sument tauscht er dafür Waaren ein, die ebensoviel gethane Arbeit enthalten—<lb/> Kunst und Wissenschaft werden gleich der Waarenproduktion durch Gruppirung<lb/> der betreffenden leistungsfähigen Kräfte gepflegt, und die, welche sich der Leistungen<lb/> derselben bedienen, verstehen sich auf dem Wege freier Gesellschaftsverträge dazu,<lb/> entsprechende Teile ihrer vermittels produktiver Thätigkeit erworbenen An-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0168]
Die Anarchisten.
wird: Mord, Raub, Betrug, Brand u. dergl. — wir haben nichts Nachteiliges
darüber zu sagen. Sind die betreffenden Handlungen privater Natur, also
sogenannte gemeine Verbrechen, so zucken wir mit den Achseln dazu. Sind
dieselben im Interesse der revolutionären Sache begangen worden, so heißen
wir sie gut, gleichviel ob uns die Einzelheiten daran gefallen oder nicht."
Über den anarchistischen Zukunftsstaat heißt es in der „Freiheit": „Was
wir erstreben, ist einfach und klar: 1. Zerstörung der bestehenden Klassen¬
herrschaft mit allen Mitteln, d. h. durch energisches, unerbittliches revolutionäres
und internationales Handeln. 2. Errichtung einer auf Gütergemeinschaft be¬
ruhenden freien Gesellschaft. 3. Genossenschaftliche Organisation der Güter¬
erzeugung. 4. Freier Austausch der gleichwertigen Produkte durch die pro¬
duktiven Organisationen selbst und ohne Zwischenhandel und Profitmacherei.
5. Organisation des Erziehungswesens auf religionsloser, wissenschaftlicher und
glcichheitlicher Basis für beide Geschlechter. 6. Regelung aller öffentlichen
Angelegenheiten durch freie Gesellschaftsverträge der auf föderalistischer Grund¬
lage ruhenden autonomen (unabhängigen) Kommunen und Genossenschaften."
In der Nummer der „Freiheit" vom 24. Mai 1884 werden die Hauptsätze
der anarchistischen Lehre in einem Artikel mit dem Titel: „Anarchie ist Har¬
monie," wie folgt, angegeben: „In der anarchistischen Gesellschaft hat der Staat
weder Raum noch Zweck. Die Kommune als politischer Körper ist ebenfalls
überflüssig geworden. Alle Lebenszwecke der Menschen werden durch entsprechende
Organisationen der Gruppirungen erreicht. Dieselben sind nicht zentralisirt
und nur soweit föderalistisch mit einander verbunden, als zur Erreichung der
damit erstrebten Ziele unerläßlich ist. Ein Privateigentum an Land oder Kapital
existirt nicht mehr. Die Arbeitsmittel jeder Art befinden sich in den Händen
der verschiedenen gewerblichen Organisationen. Alle Menschen sind nicht nur
Produzenten, sondern auch Konsumenten, und da die letzteren stets in der Lage
sind, bei Abschluß von Lieferungsverträgen mit jeder einzelnen Produktiv¬
organisation in beliebiger Anzahl sich zu gruppiren, so kann auch von einer
Übervorteilung derselbe» durch die Produzenten nicht die Rede sein. Die Or¬
ganisation der Konsumenten versteht sich aber schon deshalb von selbst, weil in
einer freien Gesellschaft unproduktive Handelsschmarotzer undenkbar sind. . . .
Wie die Handelsprellerei, so ist auch deren Tauschmittel, das Geld, im heutigen
Sinne abgeschafft worden. Die Waaren werden nach der darin steckenden
normalen Arbeitszeit taxirt. Als Produzent empfängt jeder seinen Schein über
wirklich gethane Arbeit von der Organisation, zu welcher er gehört; als Kon¬
sument tauscht er dafür Waaren ein, die ebensoviel gethane Arbeit enthalten—
Kunst und Wissenschaft werden gleich der Waarenproduktion durch Gruppirung
der betreffenden leistungsfähigen Kräfte gepflegt, und die, welche sich der Leistungen
derselben bedienen, verstehen sich auf dem Wege freier Gesellschaftsverträge dazu,
entsprechende Teile ihrer vermittels produktiver Thätigkeit erworbenen An-
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