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Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Drittes Vierteljahr.

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Die (Opposition während dos letzten wahlkampfcs.

und klerikalen Blätter dazu alle Meldungen über kriegerische Vorbereitungen
der Franzosen als Wahlmanöver Bismarcks hin. Der Schade, der damit der
Ruhe der Welt und dem Stand der Geschäfte zugefügt wurde, war unbe¬
rechenbar. Aber diese Presse hatte kein Gefühl von der Schwere der Ver¬
antwortlichkeit, die sie mit dieser Taktik auf sich nahm, obschon auch die wirt¬
schaftliche Verwüstung umso tiefer werden mußte, je mehr die Geschäftswelt in
falsche Ruhe eingewiegt wurde. Bei diesen Ausführungen der Oppositivns-
zeitungcn über die Friedensliebe des Generals Boulanger und die fricdcnzerstö-
rendeu Wahlmauöver der deutschen Negierung mußte man sich fragen, wo denn
eigentlich diese Blätter gedruckt würden. Selbst die uns gerade nicht über¬
mäßig wohlwollende linrss hielt diesen Blättern mit der Friedensmusik die That¬
sache der kriegerischen Vorbereitungen in Frankreich ^ entgegen und fragte diese
deutschen Zeitungen, ob sie die unbestreitbare Thatsache zu leugnen gedächten.

Inzwischen hatte Bismarck den Papst zum Tadel des Zentrums vermocht.
Es war ein großer Erfolg seiner Staatskunst; zum Besten einer protestantischen
Regierung tadelte Leo XIII. seine Anhänger und empfahl das doch hauptsäch¬
lich gegen das katholische Frankreich gerichtete Septcnnat. Natürlich hat der
kluge Diplomat auf dem heiligen Stuhle das nicht den schönen Augen der
deutschen Regierung zuliebe gethan; ein zum zweitenmale niedergeworfenes Frank¬
reich kann nicht zu deu Wünschen des Vatikans gehören. Aber diese Betrach¬
tung ist für den gewissenhaften deutschen Staatsmann nicht anzustellen, solange
er eine Möglichkeit sieht, den Frieden zu erhalten. Als der Papst seinen ge¬
wichtigen Beitrag dazu lieferte, mußte er Bismarck willkommen sein. Der Frei¬
sinn aber, der, man darf es nie vergessen, im Jahre 1874 zuerst mit dem
Zentrum zu buhlen angefangen hat, schrie Zeter über die von Bismarck herans-
geforderte päpstliche Einmischung in deutsche Angelegenheiten. Die fortgesetzte
Einmischung des Papstes in deutsche Dinge, die das Zentrum als stehende Ein¬
richtung verlangt, hat der Freisinn liebevoll gepflegt durch die zärtlichste Ver¬
bindung mit diesem Zentrum; wie aber Bismarck anfing, mit der Thatsache zu
rechnen, die uun einmal nicht wegzubringen ist, die auch dem Freisinn lange
Zeit sehr passend war, daß der Papst das geistliche Oberhaupt von achtzehn
Millionen Deutschen ist, und wie er, Bismarck, es dahin gebracht hatte, daß
dieses Oberhaupt den Abgeordneten von diesen achtzehn Millionen mangelhafte
Ausführung ihres Berufes vorwarf, da sollte das Versündigung am deutschen
Volkstum sein. Aufs überschwünglichste wurde das Zentrum von der deutsch-
freisinnigen Gefolgschaft gelobt, weil es der Mahnung des Papstes, für das
Septennat zu stimmen, nicht gefolgt sei. Schade, daß diese Mahnung dem
Zentrum von seinen Führern verheimlicht worden war! So ereiferten sich die,
welche sich nicht gescheut hatten, von der katholischen Hierarchie sich unter
dem schwerste" Gewissensdruck Mandate verschaffen zu lassen, über die Ein¬
mischung des Oberhauptes der Hierarchie, die niemals eingetreten wäre, wenn


Die (Opposition während dos letzten wahlkampfcs.

und klerikalen Blätter dazu alle Meldungen über kriegerische Vorbereitungen
der Franzosen als Wahlmanöver Bismarcks hin. Der Schade, der damit der
Ruhe der Welt und dem Stand der Geschäfte zugefügt wurde, war unbe¬
rechenbar. Aber diese Presse hatte kein Gefühl von der Schwere der Ver¬
antwortlichkeit, die sie mit dieser Taktik auf sich nahm, obschon auch die wirt¬
schaftliche Verwüstung umso tiefer werden mußte, je mehr die Geschäftswelt in
falsche Ruhe eingewiegt wurde. Bei diesen Ausführungen der Oppositivns-
zeitungcn über die Friedensliebe des Generals Boulanger und die fricdcnzerstö-
rendeu Wahlmauöver der deutschen Negierung mußte man sich fragen, wo denn
eigentlich diese Blätter gedruckt würden. Selbst die uns gerade nicht über¬
mäßig wohlwollende linrss hielt diesen Blättern mit der Friedensmusik die That¬
sache der kriegerischen Vorbereitungen in Frankreich ^ entgegen und fragte diese
deutschen Zeitungen, ob sie die unbestreitbare Thatsache zu leugnen gedächten.

Inzwischen hatte Bismarck den Papst zum Tadel des Zentrums vermocht.
Es war ein großer Erfolg seiner Staatskunst; zum Besten einer protestantischen
Regierung tadelte Leo XIII. seine Anhänger und empfahl das doch hauptsäch¬
lich gegen das katholische Frankreich gerichtete Septcnnat. Natürlich hat der
kluge Diplomat auf dem heiligen Stuhle das nicht den schönen Augen der
deutschen Regierung zuliebe gethan; ein zum zweitenmale niedergeworfenes Frank¬
reich kann nicht zu deu Wünschen des Vatikans gehören. Aber diese Betrach¬
tung ist für den gewissenhaften deutschen Staatsmann nicht anzustellen, solange
er eine Möglichkeit sieht, den Frieden zu erhalten. Als der Papst seinen ge¬
wichtigen Beitrag dazu lieferte, mußte er Bismarck willkommen sein. Der Frei¬
sinn aber, der, man darf es nie vergessen, im Jahre 1874 zuerst mit dem
Zentrum zu buhlen angefangen hat, schrie Zeter über die von Bismarck herans-
geforderte päpstliche Einmischung in deutsche Angelegenheiten. Die fortgesetzte
Einmischung des Papstes in deutsche Dinge, die das Zentrum als stehende Ein¬
richtung verlangt, hat der Freisinn liebevoll gepflegt durch die zärtlichste Ver¬
bindung mit diesem Zentrum; wie aber Bismarck anfing, mit der Thatsache zu
rechnen, die uun einmal nicht wegzubringen ist, die auch dem Freisinn lange
Zeit sehr passend war, daß der Papst das geistliche Oberhaupt von achtzehn
Millionen Deutschen ist, und wie er, Bismarck, es dahin gebracht hatte, daß
dieses Oberhaupt den Abgeordneten von diesen achtzehn Millionen mangelhafte
Ausführung ihres Berufes vorwarf, da sollte das Versündigung am deutschen
Volkstum sein. Aufs überschwünglichste wurde das Zentrum von der deutsch-
freisinnigen Gefolgschaft gelobt, weil es der Mahnung des Papstes, für das
Septennat zu stimmen, nicht gefolgt sei. Schade, daß diese Mahnung dem
Zentrum von seinen Führern verheimlicht worden war! So ereiferten sich die,
welche sich nicht gescheut hatten, von der katholischen Hierarchie sich unter
dem schwerste» Gewissensdruck Mandate verschaffen zu lassen, über die Ein¬
mischung des Oberhauptes der Hierarchie, die niemals eingetreten wäre, wenn


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[0119] Die (Opposition während dos letzten wahlkampfcs. und klerikalen Blätter dazu alle Meldungen über kriegerische Vorbereitungen der Franzosen als Wahlmanöver Bismarcks hin. Der Schade, der damit der Ruhe der Welt und dem Stand der Geschäfte zugefügt wurde, war unbe¬ rechenbar. Aber diese Presse hatte kein Gefühl von der Schwere der Ver¬ antwortlichkeit, die sie mit dieser Taktik auf sich nahm, obschon auch die wirt¬ schaftliche Verwüstung umso tiefer werden mußte, je mehr die Geschäftswelt in falsche Ruhe eingewiegt wurde. Bei diesen Ausführungen der Oppositivns- zeitungcn über die Friedensliebe des Generals Boulanger und die fricdcnzerstö- rendeu Wahlmauöver der deutschen Negierung mußte man sich fragen, wo denn eigentlich diese Blätter gedruckt würden. Selbst die uns gerade nicht über¬ mäßig wohlwollende linrss hielt diesen Blättern mit der Friedensmusik die That¬ sache der kriegerischen Vorbereitungen in Frankreich ^ entgegen und fragte diese deutschen Zeitungen, ob sie die unbestreitbare Thatsache zu leugnen gedächten. Inzwischen hatte Bismarck den Papst zum Tadel des Zentrums vermocht. Es war ein großer Erfolg seiner Staatskunst; zum Besten einer protestantischen Regierung tadelte Leo XIII. seine Anhänger und empfahl das doch hauptsäch¬ lich gegen das katholische Frankreich gerichtete Septcnnat. Natürlich hat der kluge Diplomat auf dem heiligen Stuhle das nicht den schönen Augen der deutschen Regierung zuliebe gethan; ein zum zweitenmale niedergeworfenes Frank¬ reich kann nicht zu deu Wünschen des Vatikans gehören. Aber diese Betrach¬ tung ist für den gewissenhaften deutschen Staatsmann nicht anzustellen, solange er eine Möglichkeit sieht, den Frieden zu erhalten. Als der Papst seinen ge¬ wichtigen Beitrag dazu lieferte, mußte er Bismarck willkommen sein. Der Frei¬ sinn aber, der, man darf es nie vergessen, im Jahre 1874 zuerst mit dem Zentrum zu buhlen angefangen hat, schrie Zeter über die von Bismarck herans- geforderte päpstliche Einmischung in deutsche Angelegenheiten. Die fortgesetzte Einmischung des Papstes in deutsche Dinge, die das Zentrum als stehende Ein¬ richtung verlangt, hat der Freisinn liebevoll gepflegt durch die zärtlichste Ver¬ bindung mit diesem Zentrum; wie aber Bismarck anfing, mit der Thatsache zu rechnen, die uun einmal nicht wegzubringen ist, die auch dem Freisinn lange Zeit sehr passend war, daß der Papst das geistliche Oberhaupt von achtzehn Millionen Deutschen ist, und wie er, Bismarck, es dahin gebracht hatte, daß dieses Oberhaupt den Abgeordneten von diesen achtzehn Millionen mangelhafte Ausführung ihres Berufes vorwarf, da sollte das Versündigung am deutschen Volkstum sein. Aufs überschwünglichste wurde das Zentrum von der deutsch- freisinnigen Gefolgschaft gelobt, weil es der Mahnung des Papstes, für das Septennat zu stimmen, nicht gefolgt sei. Schade, daß diese Mahnung dem Zentrum von seinen Führern verheimlicht worden war! So ereiferten sich die, welche sich nicht gescheut hatten, von der katholischen Hierarchie sich unter dem schwerste» Gewissensdruck Mandate verschaffen zu lassen, über die Ein¬ mischung des Oberhauptes der Hierarchie, die niemals eingetreten wäre, wenn

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_200778/119>, abgerufen am 23.07.2024.