Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Erstes Vierteljahr.eine die Lohnbewegung und Koalitionsfreiheit, der andre den Fortbestand des Die Lohnbewegung ist im allgemeinen berechtigt, da die heutigen Lohnsätze Kommen wir nun zu unsern Schlußfolgerungen, so ergiebt sich aus den Die Gewerkvereine würden also zunächst der vercinsgesetzlichcu Anzeigepflicht eine die Lohnbewegung und Koalitionsfreiheit, der andre den Fortbestand des Die Lohnbewegung ist im allgemeinen berechtigt, da die heutigen Lohnsätze Kommen wir nun zu unsern Schlußfolgerungen, so ergiebt sich aus den Die Gewerkvereine würden also zunächst der vercinsgesetzlichcu Anzeigepflicht <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0072" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/200177"/> <fw type="header" place="top"/><lb/> <p xml:id="ID_219" prev="#ID_218"> eine die Lohnbewegung und Koalitionsfreiheit, der andre den Fortbestand des<lb/> „Verbandes" betrifft; dieselben lauten:</p><lb/> <p xml:id="ID_220"> Die Lohnbewegung ist im allgemeinen berechtigt, da die heutigen Lohnsätze<lb/> uicht ausreiche» zum kräftigen Unterhalt des Arbeiters und seiner Familie mit Ein¬<lb/> schluß der Versicherung gegen jede Art von Arbeitsunfähigkeit sowie der nötigen<lb/> Erholung und humanen Bildung. Sofern die Lohnbewegung sich in gesetzlichen<lb/> Schranken hält, sind alle gegen die Koalitionsfreiheit der Arbeiter gerichteten Be¬<lb/> strebungen mit aller Entschiedenheit zurückzuweisen und zu verurteilen. Zur Be¬<lb/> seitigung der aus den Lohnbewegungen resultireuden Streiks werdeu Einigungs-<lb/> ämtcr in Verbindung mit den Berufsorganisationen empfahlen. Es ist notwendig,<lb/> daß zur Vermeidung bez. Verhütung der ungeheuern volkswirtschaftlichen Nach¬<lb/> teile, welche die Arbeitseinstellungen im Gefolge haben, ans dem Wege der Gesetz¬<lb/> gebung Vorkehrungen getroffen werden. Hierzu erscheint als wirksames Mittel die<lb/> Errichtung von Einignngsämtern, welche die ausbrechenden Lohnkämpfe auf fried¬<lb/> lichem Wege zu schlichten haben. Der Verband der deutschen Gewerkvereine, als<lb/> der seit siebzehn Jahren bestehende dauernde Bund aller deutscheu Gewerk- und OrtS-<lb/> vereine auf Grund der Berliner Musterstatuten, ist für die gedeihliche Entwick¬<lb/> lung, insbesondere die Sicherheit und das Ansehen der Gewerkvereine nach außen<lb/> und für die Erreichung der gemeinsamen Ziele zum Wohle der Mitglieder und<lb/> der deutschen Arbeiter, unter Erhaltung seiner bisherigen wesentlichen Befugnisse<lb/> und Einrichtungen, eine Notwendigkeit. Die Lockerung, Beschränkung und Schwä¬<lb/> chung des Verbandes würde nicht nur die Einigkeit des Ganzen, sondern auch<lb/> die einzelnen Gewerkvereine schwächen und zurückbringen.</p><lb/> <p xml:id="ID_221"> Kommen wir nun zu unsern Schlußfolgerungen, so ergiebt sich aus den<lb/> vorstehenden Aufzeichnungen klar und deutlich, daß die deutschen Gewerkvereine<lb/> nicht allein „politische" Vereine sind, sondern mittels der föderativem Insti¬<lb/> tution des „Verbandes" sogar eine eigne Arbciterpolitik betreiben, welche die<lb/> genossenschaftliche Selbsthilfe zum leitenden Prinzip hat und nur zu dessen Er¬<lb/> gänzung eine staatliche Mitwirkung zuläßt, also — ganz im Gegensatz zu der<lb/> auf Grund der kaiserlichen Botschaft vom 17. November 1881 begonnenen<lb/> Sozialreform — jede staatliche Einmischung und jeden staatlichen Zwang, ins¬<lb/> besondre den. Vcrsicherungszwang, grundsätzlich verwirft.</p><lb/> <p xml:id="ID_222" next="#ID_223"> Die Gewerkvereine würden also zunächst der vercinsgesetzlichcu Anzeigepflicht<lb/> unterliegen, d. h. für jeden „Gewerkverein" wären von Rechtswegen der Polizei¬<lb/> behörde des Ortes, wo der Verein seinen Sitz hat, und daneben für jeden dazu¬<lb/> gehörigen „Ortsvcrein" der entsprechenden Ortspolizeibehörde Statuten und<lb/> Mitgliederverzeichnisse einzureichen, auch die Vereinsversammlungen anzumelden.<lb/> Wenn die Befolgung dieser Vorschriften im Vergleich zu der bisher den Gewerk¬<lb/> vereinen gewährten Ungebundenheit als eine gewisse Belästigung empfunden<lb/> werden sollte, so wäre damit doch noch keineswegs die Existenz der deutschen<lb/> Gewerkvereine an sich irgendwie in Frage gestellt, wie dies in übertriebener<lb/> Weise aus Anlaß der Rixdvrfer Prozesse von beteiligter Seite bereits behauptet<lb/> worden ist. Ein solcher Einwand würde erst bei der weitern Frage nach dem<lb/> vereinsgesetzlichen Verbot der gegenseitigen Verbindung politischer Vereine eine</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0072]
eine die Lohnbewegung und Koalitionsfreiheit, der andre den Fortbestand des
„Verbandes" betrifft; dieselben lauten:
Die Lohnbewegung ist im allgemeinen berechtigt, da die heutigen Lohnsätze
uicht ausreiche» zum kräftigen Unterhalt des Arbeiters und seiner Familie mit Ein¬
schluß der Versicherung gegen jede Art von Arbeitsunfähigkeit sowie der nötigen
Erholung und humanen Bildung. Sofern die Lohnbewegung sich in gesetzlichen
Schranken hält, sind alle gegen die Koalitionsfreiheit der Arbeiter gerichteten Be¬
strebungen mit aller Entschiedenheit zurückzuweisen und zu verurteilen. Zur Be¬
seitigung der aus den Lohnbewegungen resultireuden Streiks werdeu Einigungs-
ämtcr in Verbindung mit den Berufsorganisationen empfahlen. Es ist notwendig,
daß zur Vermeidung bez. Verhütung der ungeheuern volkswirtschaftlichen Nach¬
teile, welche die Arbeitseinstellungen im Gefolge haben, ans dem Wege der Gesetz¬
gebung Vorkehrungen getroffen werden. Hierzu erscheint als wirksames Mittel die
Errichtung von Einignngsämtern, welche die ausbrechenden Lohnkämpfe auf fried¬
lichem Wege zu schlichten haben. Der Verband der deutschen Gewerkvereine, als
der seit siebzehn Jahren bestehende dauernde Bund aller deutscheu Gewerk- und OrtS-
vereine auf Grund der Berliner Musterstatuten, ist für die gedeihliche Entwick¬
lung, insbesondere die Sicherheit und das Ansehen der Gewerkvereine nach außen
und für die Erreichung der gemeinsamen Ziele zum Wohle der Mitglieder und
der deutschen Arbeiter, unter Erhaltung seiner bisherigen wesentlichen Befugnisse
und Einrichtungen, eine Notwendigkeit. Die Lockerung, Beschränkung und Schwä¬
chung des Verbandes würde nicht nur die Einigkeit des Ganzen, sondern auch
die einzelnen Gewerkvereine schwächen und zurückbringen.
Kommen wir nun zu unsern Schlußfolgerungen, so ergiebt sich aus den
vorstehenden Aufzeichnungen klar und deutlich, daß die deutschen Gewerkvereine
nicht allein „politische" Vereine sind, sondern mittels der föderativem Insti¬
tution des „Verbandes" sogar eine eigne Arbciterpolitik betreiben, welche die
genossenschaftliche Selbsthilfe zum leitenden Prinzip hat und nur zu dessen Er¬
gänzung eine staatliche Mitwirkung zuläßt, also — ganz im Gegensatz zu der
auf Grund der kaiserlichen Botschaft vom 17. November 1881 begonnenen
Sozialreform — jede staatliche Einmischung und jeden staatlichen Zwang, ins¬
besondre den. Vcrsicherungszwang, grundsätzlich verwirft.
Die Gewerkvereine würden also zunächst der vercinsgesetzlichcu Anzeigepflicht
unterliegen, d. h. für jeden „Gewerkverein" wären von Rechtswegen der Polizei¬
behörde des Ortes, wo der Verein seinen Sitz hat, und daneben für jeden dazu¬
gehörigen „Ortsvcrein" der entsprechenden Ortspolizeibehörde Statuten und
Mitgliederverzeichnisse einzureichen, auch die Vereinsversammlungen anzumelden.
Wenn die Befolgung dieser Vorschriften im Vergleich zu der bisher den Gewerk¬
vereinen gewährten Ungebundenheit als eine gewisse Belästigung empfunden
werden sollte, so wäre damit doch noch keineswegs die Existenz der deutschen
Gewerkvereine an sich irgendwie in Frage gestellt, wie dies in übertriebener
Weise aus Anlaß der Rixdvrfer Prozesse von beteiligter Seite bereits behauptet
worden ist. Ein solcher Einwand würde erst bei der weitern Frage nach dem
vereinsgesetzlichen Verbot der gegenseitigen Verbindung politischer Vereine eine
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