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Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Erstes Vierteljahr.

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Der Graf von Noer.

duch --, sehe ich Bilder meiner Jugend auftauchen, und in den schattigen Wald¬
wegen folge ich den gesegneten Schritten meiner Mutter, die hier einst schaffens¬
freudig wandelte. Von ferne höre ich das Jauchzen meiner Kinder; ich jauchze
mit. denn ich bin glücklich, und wiegt nicht ein Tag des reinsten Glückes ein
halbes Leben? Ich wandere mit Carmen und den Kindern im Garten umher,
wir Pflücken Korbe voll Rosen! Dann gehen wir durch den stillen Wald an
den Strand, wo wir lange sitzen, aufs blaue Meer schauen und dem Wogen-
rauschcn lauschen. Es zieht mich an den Strand, immer, wenn sich die alten
Erinnerungen so übermächtig in mir regen! Der Sonnenuntergang mit seiner
glühenden Farbenpracht auf den weißschäumenden Wogen umwallte die alte
Heimat mit fremdem Schimmer! Ich hätte mich an die Küste von Coromandel
versetzt glauben können. Abends spielte Carmen mir lange Beethoven vor, während
ich, wie ich es dann zu thun pflege, auf- und abging und über Akbar meditirte!"

1880 erschien der erste Teil von dem Leben Akbars, des größten Herrschers,
welchen die Dynastie der Großmoguls hervorgebracht hat; Fachmänner rühmen
an dem Buche die geschmackvolle, auf guten Studien beruhende Darstellung und
den gesunden Enthusiasmus des Verfassers. Noch vor dem Erscheinen dieses
ersten Bandes hatte die philosophische Fakultät der Universität Kiel dem Prinzen
die Doktorwürde verliehen. Eine letzte Freude war ihm wenige Monate vor
seinem Tode beschicken, einem Freunde teilt er jubelnd mit: "Das Exil ist auf¬
gehoben und meine Frau und ich sind zum erstenmale wieder bei den Verwandten
in Dänemark gewesen. Was das heißen will, werden Sie besser fühlen können,
als ich es zu beschreiben vermöchte."

Am 25. Dezember 1881 erlag er zu Noer qualvollen Leiden.

Einen edeln Ehrgeiz hatte der Fürst, insbesondre Freunden gegenüber,
nicht verhehlt: "Mir scheint literarischer Ruhm eines der schönsten, edelsten und
unvergänglichsten Dinge, die ein Mensch erstreben kann, und ich meine, daß er,
neben der ernsten religiösen Überzeugung, das Einzige ist, welches den Menschen
über alle Wechsel des Irdischen hinausstellt." Da wird es ihm eine große
Befriedigung gewesen sein, daß er wenigstens den ersten Teil seines "Kaiser
Akbar" vor seinem Tode erscheinen sah. Das Vorwort belehrt uns, daß der
Verfasser keine fachmännischer Untersuchungen vorlegen will, er will vielmehr
versuchen, die Aufmerksamkeit weiterer Kreise auf das neuere Indien und auf
Akbar zu lenken. Erwachsen aus dem besten Willen und aus gesundem
Enthusiasmus, giebt das Werk unter Weglassung der Einzelheiten ein in großen
Zügen gezeichnetes Bild des gewaltigen Mongolenfürsten, eine des Gegenstandes
würdige Leistung. Georg Hoffmann in Kiel hat nach des Prinzen Tode die
Herausgabe des zweiten Teiles besorgt.

Politische Enthüllungen bringen die Briefe und Tagebücher nicht, sie führen
den Lebenslauf eines Mannes vor Augen, welcher sich nur in engeren Kreisen
bewegt hat, und in solchen wird das Buch auch seine Leser suchen und finden.




Der Graf von Noer.

duch —, sehe ich Bilder meiner Jugend auftauchen, und in den schattigen Wald¬
wegen folge ich den gesegneten Schritten meiner Mutter, die hier einst schaffens¬
freudig wandelte. Von ferne höre ich das Jauchzen meiner Kinder; ich jauchze
mit. denn ich bin glücklich, und wiegt nicht ein Tag des reinsten Glückes ein
halbes Leben? Ich wandere mit Carmen und den Kindern im Garten umher,
wir Pflücken Korbe voll Rosen! Dann gehen wir durch den stillen Wald an
den Strand, wo wir lange sitzen, aufs blaue Meer schauen und dem Wogen-
rauschcn lauschen. Es zieht mich an den Strand, immer, wenn sich die alten
Erinnerungen so übermächtig in mir regen! Der Sonnenuntergang mit seiner
glühenden Farbenpracht auf den weißschäumenden Wogen umwallte die alte
Heimat mit fremdem Schimmer! Ich hätte mich an die Küste von Coromandel
versetzt glauben können. Abends spielte Carmen mir lange Beethoven vor, während
ich, wie ich es dann zu thun pflege, auf- und abging und über Akbar meditirte!"

1880 erschien der erste Teil von dem Leben Akbars, des größten Herrschers,
welchen die Dynastie der Großmoguls hervorgebracht hat; Fachmänner rühmen
an dem Buche die geschmackvolle, auf guten Studien beruhende Darstellung und
den gesunden Enthusiasmus des Verfassers. Noch vor dem Erscheinen dieses
ersten Bandes hatte die philosophische Fakultät der Universität Kiel dem Prinzen
die Doktorwürde verliehen. Eine letzte Freude war ihm wenige Monate vor
seinem Tode beschicken, einem Freunde teilt er jubelnd mit: „Das Exil ist auf¬
gehoben und meine Frau und ich sind zum erstenmale wieder bei den Verwandten
in Dänemark gewesen. Was das heißen will, werden Sie besser fühlen können,
als ich es zu beschreiben vermöchte."

Am 25. Dezember 1881 erlag er zu Noer qualvollen Leiden.

Einen edeln Ehrgeiz hatte der Fürst, insbesondre Freunden gegenüber,
nicht verhehlt: „Mir scheint literarischer Ruhm eines der schönsten, edelsten und
unvergänglichsten Dinge, die ein Mensch erstreben kann, und ich meine, daß er,
neben der ernsten religiösen Überzeugung, das Einzige ist, welches den Menschen
über alle Wechsel des Irdischen hinausstellt." Da wird es ihm eine große
Befriedigung gewesen sein, daß er wenigstens den ersten Teil seines „Kaiser
Akbar" vor seinem Tode erscheinen sah. Das Vorwort belehrt uns, daß der
Verfasser keine fachmännischer Untersuchungen vorlegen will, er will vielmehr
versuchen, die Aufmerksamkeit weiterer Kreise auf das neuere Indien und auf
Akbar zu lenken. Erwachsen aus dem besten Willen und aus gesundem
Enthusiasmus, giebt das Werk unter Weglassung der Einzelheiten ein in großen
Zügen gezeichnetes Bild des gewaltigen Mongolenfürsten, eine des Gegenstandes
würdige Leistung. Georg Hoffmann in Kiel hat nach des Prinzen Tode die
Herausgabe des zweiten Teiles besorgt.

Politische Enthüllungen bringen die Briefe und Tagebücher nicht, sie führen
den Lebenslauf eines Mannes vor Augen, welcher sich nur in engeren Kreisen
bewegt hat, und in solchen wird das Buch auch seine Leser suchen und finden.




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[0653] Der Graf von Noer. duch —, sehe ich Bilder meiner Jugend auftauchen, und in den schattigen Wald¬ wegen folge ich den gesegneten Schritten meiner Mutter, die hier einst schaffens¬ freudig wandelte. Von ferne höre ich das Jauchzen meiner Kinder; ich jauchze mit. denn ich bin glücklich, und wiegt nicht ein Tag des reinsten Glückes ein halbes Leben? Ich wandere mit Carmen und den Kindern im Garten umher, wir Pflücken Korbe voll Rosen! Dann gehen wir durch den stillen Wald an den Strand, wo wir lange sitzen, aufs blaue Meer schauen und dem Wogen- rauschcn lauschen. Es zieht mich an den Strand, immer, wenn sich die alten Erinnerungen so übermächtig in mir regen! Der Sonnenuntergang mit seiner glühenden Farbenpracht auf den weißschäumenden Wogen umwallte die alte Heimat mit fremdem Schimmer! Ich hätte mich an die Küste von Coromandel versetzt glauben können. Abends spielte Carmen mir lange Beethoven vor, während ich, wie ich es dann zu thun pflege, auf- und abging und über Akbar meditirte!" 1880 erschien der erste Teil von dem Leben Akbars, des größten Herrschers, welchen die Dynastie der Großmoguls hervorgebracht hat; Fachmänner rühmen an dem Buche die geschmackvolle, auf guten Studien beruhende Darstellung und den gesunden Enthusiasmus des Verfassers. Noch vor dem Erscheinen dieses ersten Bandes hatte die philosophische Fakultät der Universität Kiel dem Prinzen die Doktorwürde verliehen. Eine letzte Freude war ihm wenige Monate vor seinem Tode beschicken, einem Freunde teilt er jubelnd mit: „Das Exil ist auf¬ gehoben und meine Frau und ich sind zum erstenmale wieder bei den Verwandten in Dänemark gewesen. Was das heißen will, werden Sie besser fühlen können, als ich es zu beschreiben vermöchte." Am 25. Dezember 1881 erlag er zu Noer qualvollen Leiden. Einen edeln Ehrgeiz hatte der Fürst, insbesondre Freunden gegenüber, nicht verhehlt: „Mir scheint literarischer Ruhm eines der schönsten, edelsten und unvergänglichsten Dinge, die ein Mensch erstreben kann, und ich meine, daß er, neben der ernsten religiösen Überzeugung, das Einzige ist, welches den Menschen über alle Wechsel des Irdischen hinausstellt." Da wird es ihm eine große Befriedigung gewesen sein, daß er wenigstens den ersten Teil seines „Kaiser Akbar" vor seinem Tode erscheinen sah. Das Vorwort belehrt uns, daß der Verfasser keine fachmännischer Untersuchungen vorlegen will, er will vielmehr versuchen, die Aufmerksamkeit weiterer Kreise auf das neuere Indien und auf Akbar zu lenken. Erwachsen aus dem besten Willen und aus gesundem Enthusiasmus, giebt das Werk unter Weglassung der Einzelheiten ein in großen Zügen gezeichnetes Bild des gewaltigen Mongolenfürsten, eine des Gegenstandes würdige Leistung. Georg Hoffmann in Kiel hat nach des Prinzen Tode die Herausgabe des zweiten Teiles besorgt. Politische Enthüllungen bringen die Briefe und Tagebücher nicht, sie führen den Lebenslauf eines Mannes vor Augen, welcher sich nur in engeren Kreisen bewegt hat, und in solchen wird das Buch auch seine Leser suchen und finden.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_200104/653>, abgerufen am 03.07.2024.