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Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Erstes Vierteljahr.

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Der Graf von Noer.

Ward ihm zur reinsten Freude, Begeistert sucht er alle Stätten auf, wo sein
Held geweilt hat. "Am 24. März besuchte ich die Sekuudra, das prachtvolle
Grab des größten Mannes, den Indien je hervorgebracht. Noch nie im Leben
war ich so überwältigt als in dem Moment, da ich in dem unterirdischen Ge¬
wölbe an dem Grabe meines Lieblingshelden stand," und als er in Delhi
weilend die Summen und die Zeit überschlägt, welche ihm die indische Reise
gekostet hat, bricht er schließlich in die Worte aus: "Doch bin ich glücklich, denn
es ist mir ein Stern im Geiste aufgegangen, um dessentwillen ich alle Mühsale
segne; eine Idee: "Akbars Leben," das fortan der Inhalt meines eignen sein wird."

Eine schwere Erkrankung zwang ihn, die indische Reise früher, als er gewollt
hatte, abzubrechen und heimzukehren, aber er hatte doch "den sichern Punkt
gewonnen, der die Richtung für die Zukunft anzeigte."

Zehn glückliche Jahre waren ihm noch in der Heimat auf Noer beschicken.
Im April 1870 schreibt er der Königin Karoline: "Ich muß dich heute von
einem sehr wichtigen Schritt in Kenntnis setzen, welchen ich in diesen Tagen
ausgeführt habe. Ich bin nämlich in Berlin gewesen, wo Se. Majestät der
König mich auf mein Ansuchen zum Grafen von Noer ernannt hat. Mit diesem
Schritt habe ich mich uicht nur von der leidigen Politik losgelöst, sondern ich
kann mich nun auch nach meines Herzens Neigung verheiraten. Liebe Tante,
nimm es freundlich auf, wenn ich dir die Mitteilung mache, daß ich mich vor¬
gestern mit einer bürgerlichen Dame, Fräulein Eisenblut ans Hamburg, verlobt
habe. Ich bin gewiß, daß du uns zu unsrer bald bevorstehenden Vereinigung,
von welcher das Glück meines Lebens abhängt, deinen Segen geben wirst, den
ich ungern vermissen würde."

In seiner Frau, welche aus einer deutschen Familie in Venezuela abstammte,
aber in Deutschland erzogen worden war, hatte der Graf von Noer eine Lebens¬
gefährtin gefunden, wie er sie sich nur wünschen konnte, eine Frau, die selbst
seinen gelehrten Studien warmes Interesse entgegenbrachte. Im Vollgefühle seines
Glückes schreibt er einem englischen Freunde: "Ich möchte es Ihnen sagen, daß
ich vollkommen glücklich bin ... ich kann nicht aussprechen, wie unsäglich dankbar
ich bin, dies erfahren und genießen zu dürfen, sei es auch nur für kurze Zeit.
Auf diesem letztern Gedanken leuchten die wonnigen Tage in doppeltem Glänze."

Die Gräfin Carmen war es, die ihn nach jahrelanger Pause, in welcher
ihn sein Glück ganz und gar erfüllte, anregte, ernstlich an die Bearbeitung von
Akbars Leben zu denken; sie schrieb dann nach seinein Diktat die einzelne" Ab¬
schnitte nieder. Schwer traf den Grafen in diesen Jahren der Tod Goldstückers:
"Er war mir mehr als Freund und Lehrer, er war mein geistiger Vater."
Seine eigne Gesundheit war bedenklich erschüttert: "Ich fühle zuweilen eine
Hinfälligkeit in mir, die mir früher nie aufgefallen ist und die sich allmählich
auf die Dauer einzurichten beginnt," doch vermochte dies nicht das glückliche
Leben in Noer anhaltend zu stören. "Wohin ich gehe -- berichtet das Tage-


Der Graf von Noer.

Ward ihm zur reinsten Freude, Begeistert sucht er alle Stätten auf, wo sein
Held geweilt hat. „Am 24. März besuchte ich die Sekuudra, das prachtvolle
Grab des größten Mannes, den Indien je hervorgebracht. Noch nie im Leben
war ich so überwältigt als in dem Moment, da ich in dem unterirdischen Ge¬
wölbe an dem Grabe meines Lieblingshelden stand," und als er in Delhi
weilend die Summen und die Zeit überschlägt, welche ihm die indische Reise
gekostet hat, bricht er schließlich in die Worte aus: „Doch bin ich glücklich, denn
es ist mir ein Stern im Geiste aufgegangen, um dessentwillen ich alle Mühsale
segne; eine Idee: »Akbars Leben,« das fortan der Inhalt meines eignen sein wird."

Eine schwere Erkrankung zwang ihn, die indische Reise früher, als er gewollt
hatte, abzubrechen und heimzukehren, aber er hatte doch „den sichern Punkt
gewonnen, der die Richtung für die Zukunft anzeigte."

Zehn glückliche Jahre waren ihm noch in der Heimat auf Noer beschicken.
Im April 1870 schreibt er der Königin Karoline: „Ich muß dich heute von
einem sehr wichtigen Schritt in Kenntnis setzen, welchen ich in diesen Tagen
ausgeführt habe. Ich bin nämlich in Berlin gewesen, wo Se. Majestät der
König mich auf mein Ansuchen zum Grafen von Noer ernannt hat. Mit diesem
Schritt habe ich mich uicht nur von der leidigen Politik losgelöst, sondern ich
kann mich nun auch nach meines Herzens Neigung verheiraten. Liebe Tante,
nimm es freundlich auf, wenn ich dir die Mitteilung mache, daß ich mich vor¬
gestern mit einer bürgerlichen Dame, Fräulein Eisenblut ans Hamburg, verlobt
habe. Ich bin gewiß, daß du uns zu unsrer bald bevorstehenden Vereinigung,
von welcher das Glück meines Lebens abhängt, deinen Segen geben wirst, den
ich ungern vermissen würde."

In seiner Frau, welche aus einer deutschen Familie in Venezuela abstammte,
aber in Deutschland erzogen worden war, hatte der Graf von Noer eine Lebens¬
gefährtin gefunden, wie er sie sich nur wünschen konnte, eine Frau, die selbst
seinen gelehrten Studien warmes Interesse entgegenbrachte. Im Vollgefühle seines
Glückes schreibt er einem englischen Freunde: „Ich möchte es Ihnen sagen, daß
ich vollkommen glücklich bin ... ich kann nicht aussprechen, wie unsäglich dankbar
ich bin, dies erfahren und genießen zu dürfen, sei es auch nur für kurze Zeit.
Auf diesem letztern Gedanken leuchten die wonnigen Tage in doppeltem Glänze."

Die Gräfin Carmen war es, die ihn nach jahrelanger Pause, in welcher
ihn sein Glück ganz und gar erfüllte, anregte, ernstlich an die Bearbeitung von
Akbars Leben zu denken; sie schrieb dann nach seinein Diktat die einzelne» Ab¬
schnitte nieder. Schwer traf den Grafen in diesen Jahren der Tod Goldstückers:
„Er war mir mehr als Freund und Lehrer, er war mein geistiger Vater."
Seine eigne Gesundheit war bedenklich erschüttert: „Ich fühle zuweilen eine
Hinfälligkeit in mir, die mir früher nie aufgefallen ist und die sich allmählich
auf die Dauer einzurichten beginnt," doch vermochte dies nicht das glückliche
Leben in Noer anhaltend zu stören. „Wohin ich gehe — berichtet das Tage-


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[0652] Der Graf von Noer. Ward ihm zur reinsten Freude, Begeistert sucht er alle Stätten auf, wo sein Held geweilt hat. „Am 24. März besuchte ich die Sekuudra, das prachtvolle Grab des größten Mannes, den Indien je hervorgebracht. Noch nie im Leben war ich so überwältigt als in dem Moment, da ich in dem unterirdischen Ge¬ wölbe an dem Grabe meines Lieblingshelden stand," und als er in Delhi weilend die Summen und die Zeit überschlägt, welche ihm die indische Reise gekostet hat, bricht er schließlich in die Worte aus: „Doch bin ich glücklich, denn es ist mir ein Stern im Geiste aufgegangen, um dessentwillen ich alle Mühsale segne; eine Idee: »Akbars Leben,« das fortan der Inhalt meines eignen sein wird." Eine schwere Erkrankung zwang ihn, die indische Reise früher, als er gewollt hatte, abzubrechen und heimzukehren, aber er hatte doch „den sichern Punkt gewonnen, der die Richtung für die Zukunft anzeigte." Zehn glückliche Jahre waren ihm noch in der Heimat auf Noer beschicken. Im April 1870 schreibt er der Königin Karoline: „Ich muß dich heute von einem sehr wichtigen Schritt in Kenntnis setzen, welchen ich in diesen Tagen ausgeführt habe. Ich bin nämlich in Berlin gewesen, wo Se. Majestät der König mich auf mein Ansuchen zum Grafen von Noer ernannt hat. Mit diesem Schritt habe ich mich uicht nur von der leidigen Politik losgelöst, sondern ich kann mich nun auch nach meines Herzens Neigung verheiraten. Liebe Tante, nimm es freundlich auf, wenn ich dir die Mitteilung mache, daß ich mich vor¬ gestern mit einer bürgerlichen Dame, Fräulein Eisenblut ans Hamburg, verlobt habe. Ich bin gewiß, daß du uns zu unsrer bald bevorstehenden Vereinigung, von welcher das Glück meines Lebens abhängt, deinen Segen geben wirst, den ich ungern vermissen würde." In seiner Frau, welche aus einer deutschen Familie in Venezuela abstammte, aber in Deutschland erzogen worden war, hatte der Graf von Noer eine Lebens¬ gefährtin gefunden, wie er sie sich nur wünschen konnte, eine Frau, die selbst seinen gelehrten Studien warmes Interesse entgegenbrachte. Im Vollgefühle seines Glückes schreibt er einem englischen Freunde: „Ich möchte es Ihnen sagen, daß ich vollkommen glücklich bin ... ich kann nicht aussprechen, wie unsäglich dankbar ich bin, dies erfahren und genießen zu dürfen, sei es auch nur für kurze Zeit. Auf diesem letztern Gedanken leuchten die wonnigen Tage in doppeltem Glänze." Die Gräfin Carmen war es, die ihn nach jahrelanger Pause, in welcher ihn sein Glück ganz und gar erfüllte, anregte, ernstlich an die Bearbeitung von Akbars Leben zu denken; sie schrieb dann nach seinein Diktat die einzelne» Ab¬ schnitte nieder. Schwer traf den Grafen in diesen Jahren der Tod Goldstückers: „Er war mir mehr als Freund und Lehrer, er war mein geistiger Vater." Seine eigne Gesundheit war bedenklich erschüttert: „Ich fühle zuweilen eine Hinfälligkeit in mir, die mir früher nie aufgefallen ist und die sich allmählich auf die Dauer einzurichten beginnt," doch vermochte dies nicht das glückliche Leben in Noer anhaltend zu stören. „Wohin ich gehe — berichtet das Tage-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_200104/652>, abgerufen am 03.07.2024.