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Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Erstes Vierteljahr.

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sein, und die Freisinnigen haben mich schon erfahren, daß ihnen "dieser Munckel
nicht geschenkt ist." der sich erlaubt hat. über den Kandidaten derjenigen Partei
zu siegen, welcher die Virchow, Klotz und Baumbach ihre Sitze zu danken haben.

So rasch wie die freisinnige Partei werden die sozialdemokratische und das
Zentrum nicht zersplittern. Es heißt Geduld haben. Allmählich müssen ja die
Deutschen, welche bisher glaubten, die katholische Kirche gegen den Staat z"
verteidigen, inne werden, daß sie sich für lediglich Partikularistische Interessen
haben mißbrauchen lassen, allmählich wird auch der Arbeiter unterscheiden lernen
zwischen dem Brote, das ihnen der Staat bietet, und dem hohlen Gerede der
demagogischen Anführer.

Dazu ist aber vor allem erforderlich, daß der Bund der Nationalgesinnten
über den nächsten Wahlzweck hinaus aufrecht bleibe. Wie sehr alle Neichsfeindc
darauf rechnen, diesen Blind durch Parteizwist wieder gesprengt zu sehen, das
lehrt jeder Blick in ihre Zeitungen. Namentlich die Korrespondenten aus¬
ländischer Blätter plaudern gar offenherzig die geheimen Wünsche der Opposition
aus, und sogar Herr Windthorst vergaß über dem Drange, Gift auszuspritzen,
gleich in der ersten Sitzung des Reichstags die gewohnte Schlauheit. Das
sollte doch alle "Septennatisten" warnen. Wir glauben nicht, daß die dentsch-
konservative Partei die Haltung ihres größten Organs billigen kann. Anstatt
feinem Ärger über das Anwachsen der nationalliberalen Partei Luft zu macheu,
sollte es bedenken, daß die Opposition noch mehr als einen Sitz eingebüßt haben
würde, wenn ihr anstatt hvchkonservativcr Kandidaten mittclparteiliche gegenüber¬
gestanden hätten. Mit folchen Verhältnissen muß gerechnet werden. Und es
ist geradezu unfaßbar, wie man ans jener Seite schon wieder beginnen kann,
mit dem Zentrum zu liebäugeln. Wäre die Diktatur Windthorsts wirklich schon
und endgiltig gebrochen, so würde sich über manches reden lassen. Aber noch
steht die Partei unter dem Kommando des hartnäckigsten und gefährlichsten
Gegners des Reiches, und wer mit dem sich einlassen will, schädigt unter allen
Umständen die gute Sache, während er selbst sicher hinter's Licht geführt wird.
Eine Schlacht ist gewonnen, aber der Krieg ist noch nicht beendigt. Die Disziplin,
welche innerhalb der Partei gewahrt wird, muß auch in der Bundesgenossen-
schaft gelten. Der verbindenden Momente sind ja viel mehr da als der tren¬
nenden, und Vielleicht noch für lange Zeit muß der alte Schlachtruf: "Hie
Waldung! Hie Wels!" in Übung bleiben. Die Herren von der "Kreuzzeitung"
sind ja gute Lutheraner; so mögen sie denn des großen Martin eingedenk sein:


Der alt böse feind,
mit ernst ers letzt meint,
groß macht und viel list
sein grausam rüstung ist,
Das reich mus uns doch bleiben.



Hie waiblingl Hie WelfI

sein, und die Freisinnigen haben mich schon erfahren, daß ihnen „dieser Munckel
nicht geschenkt ist." der sich erlaubt hat. über den Kandidaten derjenigen Partei
zu siegen, welcher die Virchow, Klotz und Baumbach ihre Sitze zu danken haben.

So rasch wie die freisinnige Partei werden die sozialdemokratische und das
Zentrum nicht zersplittern. Es heißt Geduld haben. Allmählich müssen ja die
Deutschen, welche bisher glaubten, die katholische Kirche gegen den Staat z»
verteidigen, inne werden, daß sie sich für lediglich Partikularistische Interessen
haben mißbrauchen lassen, allmählich wird auch der Arbeiter unterscheiden lernen
zwischen dem Brote, das ihnen der Staat bietet, und dem hohlen Gerede der
demagogischen Anführer.

Dazu ist aber vor allem erforderlich, daß der Bund der Nationalgesinnten
über den nächsten Wahlzweck hinaus aufrecht bleibe. Wie sehr alle Neichsfeindc
darauf rechnen, diesen Blind durch Parteizwist wieder gesprengt zu sehen, das
lehrt jeder Blick in ihre Zeitungen. Namentlich die Korrespondenten aus¬
ländischer Blätter plaudern gar offenherzig die geheimen Wünsche der Opposition
aus, und sogar Herr Windthorst vergaß über dem Drange, Gift auszuspritzen,
gleich in der ersten Sitzung des Reichstags die gewohnte Schlauheit. Das
sollte doch alle „Septennatisten" warnen. Wir glauben nicht, daß die dentsch-
konservative Partei die Haltung ihres größten Organs billigen kann. Anstatt
feinem Ärger über das Anwachsen der nationalliberalen Partei Luft zu macheu,
sollte es bedenken, daß die Opposition noch mehr als einen Sitz eingebüßt haben
würde, wenn ihr anstatt hvchkonservativcr Kandidaten mittclparteiliche gegenüber¬
gestanden hätten. Mit folchen Verhältnissen muß gerechnet werden. Und es
ist geradezu unfaßbar, wie man ans jener Seite schon wieder beginnen kann,
mit dem Zentrum zu liebäugeln. Wäre die Diktatur Windthorsts wirklich schon
und endgiltig gebrochen, so würde sich über manches reden lassen. Aber noch
steht die Partei unter dem Kommando des hartnäckigsten und gefährlichsten
Gegners des Reiches, und wer mit dem sich einlassen will, schädigt unter allen
Umständen die gute Sache, während er selbst sicher hinter's Licht geführt wird.
Eine Schlacht ist gewonnen, aber der Krieg ist noch nicht beendigt. Die Disziplin,
welche innerhalb der Partei gewahrt wird, muß auch in der Bundesgenossen-
schaft gelten. Der verbindenden Momente sind ja viel mehr da als der tren¬
nenden, und Vielleicht noch für lange Zeit muß der alte Schlachtruf: „Hie
Waldung! Hie Wels!" in Übung bleiben. Die Herren von der „Kreuzzeitung"
sind ja gute Lutheraner; so mögen sie denn des großen Martin eingedenk sein:


Der alt böse feind,
mit ernst ers letzt meint,
groß macht und viel list
sein grausam rüstung ist,
Das reich mus uns doch bleiben.



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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_200104/613>, abgerufen am 03.07.2024.