Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Erstes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Neue Briefe von Robert Schumann.

Wirkung auf einander darzustellen. Zwar fehlt die Frische der Darstellung, die
Reflexionen überwiegen, aber man muß bedenken, daß eine Frau von fünfund¬
siebzig Jahren ihn geschrieben hat. Gleichsam dem Alter zum Trotze begann
sie dann noch einen neuen Roman. "Alma," vollendete ihn aber nicht.

Über ihr äußeres Leben ist wenig mehr zu sagen. Nach Adolfs Tode
bezog sie ein Gartenhaus in Jena, das ihr die hohe Gönnerin der Wolzogen-
schcn Familie, die Großherzogin vou Weimar, schenkte und ausstattete. Es
lag in dem Garten, welcher dem Professor Griesbach gehört hatte. So fand
die Freundin Schillers eine Zuflucht in den Räumen, wo sie Wohl manchmal
in der schönsten Zeit ihres Lebens die Blumen der reinsten Freude gepflückt
hatte. Im nächsten Frühjahre bezog sie eine kleine Wohnung in der Vorstadt,
wo es ihr behaglicher war; das Anerbieten der Großherzogin, in Weimar im
Schlosse zu wohnen, schlug sie aus. Dort lebte sie bis zu ihrem Tode am
11. Januar 1845. Von Zeit zu Zeit machte sie einen Ausflug nach Weimar,
wo sie vou allen Edeln, besonders auch von der großherzoglichen Familie, mit
Herzlichkeit und Verehrung aufgenommen wurde, zuweilen auch unternahm sie
eine größere Reise. Aber immer kehrte sie bald wieder in ihre Einsamkeit
zurück, wo die Gestalten der Heimgegangenen sie umschwebten. Sie lebte fast
ganz im geistigen Verkehre mit Verstorbenen, ihre Scelenfreuudschaften waren
zu Geisterfreundschafteu geworden. So mußte sie das Glück und das Unglück
dieser wunderbaren Gemütsstimmung ganz auskosten. Am hellsten strahlte in
ihr bis zu ihrem Tode das erhabene Bild des großen Freundes, den sie am
reinsten verehrt hatte: das Bild Schillers.




Neue Briefe von Robert Schumann.

me neue Sammlung von Briefen und Aufsätzen Robert Schu¬
manns hat Hermann Erker veranstaltet, Erläuterungen, Be¬
richte, Kritiken lind Register hinzugefügt und dem Ganzen einen
vielversprechenden Titel gegeben: Robert Schumanns Leben.
Aus seinen Briefen geschildert.*) Den Hauptteil dieser
Sammlung bilden die bereits von F. Gustav Jansen herausgegebenen Briefe
Schumanns, Neue Folge, nur sind die von Jansen zuerst mitgeteilten Briefe
an Mendelssohn und Joachim nicht wieder abgedruckt, auch die Jugendbriefe



*) Zwo! Bände 8°, 337, 351 Seiten. Mit einem Mcdaillonbilde Schumanns von
Professor A. Donndorf (in Lichtdruck). Berlin, Ries und Erker, 1887.
Neue Briefe von Robert Schumann.

Wirkung auf einander darzustellen. Zwar fehlt die Frische der Darstellung, die
Reflexionen überwiegen, aber man muß bedenken, daß eine Frau von fünfund¬
siebzig Jahren ihn geschrieben hat. Gleichsam dem Alter zum Trotze begann
sie dann noch einen neuen Roman. „Alma," vollendete ihn aber nicht.

Über ihr äußeres Leben ist wenig mehr zu sagen. Nach Adolfs Tode
bezog sie ein Gartenhaus in Jena, das ihr die hohe Gönnerin der Wolzogen-
schcn Familie, die Großherzogin vou Weimar, schenkte und ausstattete. Es
lag in dem Garten, welcher dem Professor Griesbach gehört hatte. So fand
die Freundin Schillers eine Zuflucht in den Räumen, wo sie Wohl manchmal
in der schönsten Zeit ihres Lebens die Blumen der reinsten Freude gepflückt
hatte. Im nächsten Frühjahre bezog sie eine kleine Wohnung in der Vorstadt,
wo es ihr behaglicher war; das Anerbieten der Großherzogin, in Weimar im
Schlosse zu wohnen, schlug sie aus. Dort lebte sie bis zu ihrem Tode am
11. Januar 1845. Von Zeit zu Zeit machte sie einen Ausflug nach Weimar,
wo sie vou allen Edeln, besonders auch von der großherzoglichen Familie, mit
Herzlichkeit und Verehrung aufgenommen wurde, zuweilen auch unternahm sie
eine größere Reise. Aber immer kehrte sie bald wieder in ihre Einsamkeit
zurück, wo die Gestalten der Heimgegangenen sie umschwebten. Sie lebte fast
ganz im geistigen Verkehre mit Verstorbenen, ihre Scelenfreuudschaften waren
zu Geisterfreundschafteu geworden. So mußte sie das Glück und das Unglück
dieser wunderbaren Gemütsstimmung ganz auskosten. Am hellsten strahlte in
ihr bis zu ihrem Tode das erhabene Bild des großen Freundes, den sie am
reinsten verehrt hatte: das Bild Schillers.




Neue Briefe von Robert Schumann.

me neue Sammlung von Briefen und Aufsätzen Robert Schu¬
manns hat Hermann Erker veranstaltet, Erläuterungen, Be¬
richte, Kritiken lind Register hinzugefügt und dem Ganzen einen
vielversprechenden Titel gegeben: Robert Schumanns Leben.
Aus seinen Briefen geschildert.*) Den Hauptteil dieser
Sammlung bilden die bereits von F. Gustav Jansen herausgegebenen Briefe
Schumanns, Neue Folge, nur sind die von Jansen zuerst mitgeteilten Briefe
an Mendelssohn und Joachim nicht wieder abgedruckt, auch die Jugendbriefe



*) Zwo! Bände 8°, 337, 351 Seiten. Mit einem Mcdaillonbilde Schumanns von
Professor A. Donndorf (in Lichtdruck). Berlin, Ries und Erker, 1887.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0606" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/200711"/>
          <fw type="header" place="top"> Neue Briefe von Robert Schumann.</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_1902" prev="#ID_1901"> Wirkung auf einander darzustellen. Zwar fehlt die Frische der Darstellung, die<lb/>
Reflexionen überwiegen, aber man muß bedenken, daß eine Frau von fünfund¬<lb/>
siebzig Jahren ihn geschrieben hat. Gleichsam dem Alter zum Trotze begann<lb/>
sie dann noch einen neuen Roman. &#x201E;Alma," vollendete ihn aber nicht.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1903"> Über ihr äußeres Leben ist wenig mehr zu sagen. Nach Adolfs Tode<lb/>
bezog sie ein Gartenhaus in Jena, das ihr die hohe Gönnerin der Wolzogen-<lb/>
schcn Familie, die Großherzogin vou Weimar, schenkte und ausstattete. Es<lb/>
lag in dem Garten, welcher dem Professor Griesbach gehört hatte. So fand<lb/>
die Freundin Schillers eine Zuflucht in den Räumen, wo sie Wohl manchmal<lb/>
in der schönsten Zeit ihres Lebens die Blumen der reinsten Freude gepflückt<lb/>
hatte. Im nächsten Frühjahre bezog sie eine kleine Wohnung in der Vorstadt,<lb/>
wo es ihr behaglicher war; das Anerbieten der Großherzogin, in Weimar im<lb/>
Schlosse zu wohnen, schlug sie aus. Dort lebte sie bis zu ihrem Tode am<lb/>
11. Januar 1845. Von Zeit zu Zeit machte sie einen Ausflug nach Weimar,<lb/>
wo sie vou allen Edeln, besonders auch von der großherzoglichen Familie, mit<lb/>
Herzlichkeit und Verehrung aufgenommen wurde, zuweilen auch unternahm sie<lb/>
eine größere Reise. Aber immer kehrte sie bald wieder in ihre Einsamkeit<lb/>
zurück, wo die Gestalten der Heimgegangenen sie umschwebten. Sie lebte fast<lb/>
ganz im geistigen Verkehre mit Verstorbenen, ihre Scelenfreuudschaften waren<lb/>
zu Geisterfreundschafteu geworden. So mußte sie das Glück und das Unglück<lb/>
dieser wunderbaren Gemütsstimmung ganz auskosten. Am hellsten strahlte in<lb/>
ihr bis zu ihrem Tode das erhabene Bild des großen Freundes, den sie am<lb/>
reinsten verehrt hatte: das Bild Schillers.</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        </div>
        <div n="1">
          <head> Neue Briefe von Robert Schumann.</head><lb/>
          <p xml:id="ID_1904" next="#ID_1905"> me neue Sammlung von Briefen und Aufsätzen Robert Schu¬<lb/>
manns hat Hermann Erker veranstaltet, Erläuterungen, Be¬<lb/>
richte, Kritiken lind Register hinzugefügt und dem Ganzen einen<lb/>
vielversprechenden Titel gegeben: Robert Schumanns Leben.<lb/>
Aus seinen Briefen geschildert.*) Den Hauptteil dieser<lb/>
Sammlung bilden die bereits von F. Gustav Jansen herausgegebenen Briefe<lb/>
Schumanns, Neue Folge, nur sind die von Jansen zuerst mitgeteilten Briefe<lb/>
an Mendelssohn und Joachim nicht wieder abgedruckt, auch die Jugendbriefe</p><lb/>
          <note xml:id="FID_71" place="foot"> *) Zwo! Bände 8°, 337, 351 Seiten. Mit einem Mcdaillonbilde Schumanns von<lb/>
Professor A. Donndorf (in Lichtdruck).  Berlin, Ries und Erker, 1887.</note><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0606] Neue Briefe von Robert Schumann. Wirkung auf einander darzustellen. Zwar fehlt die Frische der Darstellung, die Reflexionen überwiegen, aber man muß bedenken, daß eine Frau von fünfund¬ siebzig Jahren ihn geschrieben hat. Gleichsam dem Alter zum Trotze begann sie dann noch einen neuen Roman. „Alma," vollendete ihn aber nicht. Über ihr äußeres Leben ist wenig mehr zu sagen. Nach Adolfs Tode bezog sie ein Gartenhaus in Jena, das ihr die hohe Gönnerin der Wolzogen- schcn Familie, die Großherzogin vou Weimar, schenkte und ausstattete. Es lag in dem Garten, welcher dem Professor Griesbach gehört hatte. So fand die Freundin Schillers eine Zuflucht in den Räumen, wo sie Wohl manchmal in der schönsten Zeit ihres Lebens die Blumen der reinsten Freude gepflückt hatte. Im nächsten Frühjahre bezog sie eine kleine Wohnung in der Vorstadt, wo es ihr behaglicher war; das Anerbieten der Großherzogin, in Weimar im Schlosse zu wohnen, schlug sie aus. Dort lebte sie bis zu ihrem Tode am 11. Januar 1845. Von Zeit zu Zeit machte sie einen Ausflug nach Weimar, wo sie vou allen Edeln, besonders auch von der großherzoglichen Familie, mit Herzlichkeit und Verehrung aufgenommen wurde, zuweilen auch unternahm sie eine größere Reise. Aber immer kehrte sie bald wieder in ihre Einsamkeit zurück, wo die Gestalten der Heimgegangenen sie umschwebten. Sie lebte fast ganz im geistigen Verkehre mit Verstorbenen, ihre Scelenfreuudschaften waren zu Geisterfreundschafteu geworden. So mußte sie das Glück und das Unglück dieser wunderbaren Gemütsstimmung ganz auskosten. Am hellsten strahlte in ihr bis zu ihrem Tode das erhabene Bild des großen Freundes, den sie am reinsten verehrt hatte: das Bild Schillers. Neue Briefe von Robert Schumann. me neue Sammlung von Briefen und Aufsätzen Robert Schu¬ manns hat Hermann Erker veranstaltet, Erläuterungen, Be¬ richte, Kritiken lind Register hinzugefügt und dem Ganzen einen vielversprechenden Titel gegeben: Robert Schumanns Leben. Aus seinen Briefen geschildert.*) Den Hauptteil dieser Sammlung bilden die bereits von F. Gustav Jansen herausgegebenen Briefe Schumanns, Neue Folge, nur sind die von Jansen zuerst mitgeteilten Briefe an Mendelssohn und Joachim nicht wieder abgedruckt, auch die Jugendbriefe *) Zwo! Bände 8°, 337, 351 Seiten. Mit einem Mcdaillonbilde Schumanns von Professor A. Donndorf (in Lichtdruck). Berlin, Ries und Erker, 1887.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_200104
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_200104/606
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_200104/606>, abgerufen am 22.07.2024.