Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Erstes Vierteljahr.Dichterfreundinnon. und eine bedeutende moralische Kraft muß ihr zur Verfügung gestanden haben, In diesem Nebengedanken lag freilich eine große Gefahr, und umsomehr, Dichterfreundinnon. und eine bedeutende moralische Kraft muß ihr zur Verfügung gestanden haben, In diesem Nebengedanken lag freilich eine große Gefahr, und umsomehr, <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0552" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/200657"/> <fw type="header" place="top"> Dichterfreundinnon.</fw><lb/> <p xml:id="ID_1727" prev="#ID_1726"> und eine bedeutende moralische Kraft muß ihr zur Verfügung gestanden haben,<lb/> sonst hätte sie es nicht vollbracht, auch wenn sie den Nebengedanken hegte und<lb/> pflegte, daß sie dem Schwager geistig so innig verbunden bleiben könne, als es<lb/> ihr, der verheirateten Fran, dem jungen Manne gegenüber sittlich möglich ge¬<lb/> wesen war.</p><lb/> <p xml:id="ID_1728" next="#ID_1729"> In diesem Nebengedanken lag freilich eine große Gefahr, und umsomehr,<lb/> als auch Schiller das Verhältnis zu ihr von demselben Standpunkte aus be¬<lb/> trachtete. Er wollte beide erwerben, die Schwägerin sollte ihm nicht bloß<lb/> geistig, sondern auch räumlich nahe bleiben. Er schloß sie ein in seinen Braut¬<lb/> stand und sein BräutigamSentzückeu. So schreibt er ihr am 25. August: „Dein<lb/> Brief, teuerste, liebste Karoline, hat meine Seele tief ergriffen und bewegt, und<lb/> ich weiß nicht, ob ich dir sogleich etwas daraus beantworten kann. Aber vor<lb/> meiner Seele steht es verklärt und helle, welcher Himmel in der deinigen mir<lb/> bereitet liegt. O, was für himmlisch schöne Tage öffnen sich uns! In ihrer<lb/> ganzen Fülle darf ich sie mir keinen denken, wenn mein Wesen nicht für die<lb/> Wirklichkeit ganz »nbrauchbar werden soll. Wir haben einander gefunden, wie<lb/> wir für einander nur geschaffen gewesen sind. In mir lebt kein Wunsch, den<lb/> meine Karoline und Lotte nicht unerschöpflich befriedigen könnten. Und wohl<lb/> mir, Teuerstes meiner Seele, wenn ihr in mir findet, was euch glücklich<lb/> machen kann. Wohl mir, Karoline, daß du die Quelle in mir ausfliesst und<lb/> deine Forderungen, deine Erwartungen an mein Wesen und nicht an wandel¬<lb/> bare Erscheinungen in mir richtest. O wie sehnlich wünsche ich, daß ihr mich<lb/> ganz durchschauen möchtet, alle meine Schwächen gesehen hattet, alle, und dennoch<lb/> mich gewählt. So lauge ich fürchten muß, daß euch Mängel in mir über¬<lb/> raschen können, worauf ihr nicht'vorbereitet wart, so lange seid ihr nicht mein<lb/> auf ewig. Eure Herzen habe ich durchschaut, und meine Empfindung für euch<lb/> ist keinem Wechsel mehr unterworfen. Bereite dich, edles Geschöpf, in mir<lb/> nichts zu finden, als die Kraft zum Vortrefflichen und einen begeisterten Willen,<lb/> es zu üben, deine schöne Seele will ich auffassen, deine schönen Empfindungen<lb/> verstehen und erwiedern, aber ein Mißton in den meinigen muß dich weder<lb/> betrüben noch befremden. Du glaubst an meine Seele, und ans diesen Glauben<lb/> will ich bauen. Bei allen meinen Mängeln wirst du da immer finden, was du<lb/> in mir liebtest, meine Liebe wirst du in mir lieben." Schillers Briefe sind<lb/> meist an beide gerichtet, und der Jubel seines liebeseligen Herzens hat denselben<lb/> Ausdruck für beide: „So gern möchte ich euch sagen, wie viel Freude eure<lb/> Briefe mir gegeben haben, und gleich jetzt zu euch fliegen und euch an mein<lb/> Herz drücken bis in Ewigkeit. O. ihr seid Engel, Engel für mich! denn was<lb/> bekümmert mich jetzt noch im Himmel und auf Erden!" Ein andermal (im<lb/> Oktober 1789): „Was macht Karoline? Was macht meine Karoline? Ist<lb/> meine Lotte wieder gesund? Morgen kommen eure Briefe, der liebe Tag meiner<lb/> Hoffnung! Lebt wohl, meine Liebsten, Teuersten. Lebt wohl! Es ist Mitter-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0552]
Dichterfreundinnon.
und eine bedeutende moralische Kraft muß ihr zur Verfügung gestanden haben,
sonst hätte sie es nicht vollbracht, auch wenn sie den Nebengedanken hegte und
pflegte, daß sie dem Schwager geistig so innig verbunden bleiben könne, als es
ihr, der verheirateten Fran, dem jungen Manne gegenüber sittlich möglich ge¬
wesen war.
In diesem Nebengedanken lag freilich eine große Gefahr, und umsomehr,
als auch Schiller das Verhältnis zu ihr von demselben Standpunkte aus be¬
trachtete. Er wollte beide erwerben, die Schwägerin sollte ihm nicht bloß
geistig, sondern auch räumlich nahe bleiben. Er schloß sie ein in seinen Braut¬
stand und sein BräutigamSentzückeu. So schreibt er ihr am 25. August: „Dein
Brief, teuerste, liebste Karoline, hat meine Seele tief ergriffen und bewegt, und
ich weiß nicht, ob ich dir sogleich etwas daraus beantworten kann. Aber vor
meiner Seele steht es verklärt und helle, welcher Himmel in der deinigen mir
bereitet liegt. O, was für himmlisch schöne Tage öffnen sich uns! In ihrer
ganzen Fülle darf ich sie mir keinen denken, wenn mein Wesen nicht für die
Wirklichkeit ganz »nbrauchbar werden soll. Wir haben einander gefunden, wie
wir für einander nur geschaffen gewesen sind. In mir lebt kein Wunsch, den
meine Karoline und Lotte nicht unerschöpflich befriedigen könnten. Und wohl
mir, Teuerstes meiner Seele, wenn ihr in mir findet, was euch glücklich
machen kann. Wohl mir, Karoline, daß du die Quelle in mir ausfliesst und
deine Forderungen, deine Erwartungen an mein Wesen und nicht an wandel¬
bare Erscheinungen in mir richtest. O wie sehnlich wünsche ich, daß ihr mich
ganz durchschauen möchtet, alle meine Schwächen gesehen hattet, alle, und dennoch
mich gewählt. So lauge ich fürchten muß, daß euch Mängel in mir über¬
raschen können, worauf ihr nicht'vorbereitet wart, so lange seid ihr nicht mein
auf ewig. Eure Herzen habe ich durchschaut, und meine Empfindung für euch
ist keinem Wechsel mehr unterworfen. Bereite dich, edles Geschöpf, in mir
nichts zu finden, als die Kraft zum Vortrefflichen und einen begeisterten Willen,
es zu üben, deine schöne Seele will ich auffassen, deine schönen Empfindungen
verstehen und erwiedern, aber ein Mißton in den meinigen muß dich weder
betrüben noch befremden. Du glaubst an meine Seele, und ans diesen Glauben
will ich bauen. Bei allen meinen Mängeln wirst du da immer finden, was du
in mir liebtest, meine Liebe wirst du in mir lieben." Schillers Briefe sind
meist an beide gerichtet, und der Jubel seines liebeseligen Herzens hat denselben
Ausdruck für beide: „So gern möchte ich euch sagen, wie viel Freude eure
Briefe mir gegeben haben, und gleich jetzt zu euch fliegen und euch an mein
Herz drücken bis in Ewigkeit. O. ihr seid Engel, Engel für mich! denn was
bekümmert mich jetzt noch im Himmel und auf Erden!" Ein andermal (im
Oktober 1789): „Was macht Karoline? Was macht meine Karoline? Ist
meine Lotte wieder gesund? Morgen kommen eure Briefe, der liebe Tag meiner
Hoffnung! Lebt wohl, meine Liebsten, Teuersten. Lebt wohl! Es ist Mitter-
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