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Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Erstes Vierteljahr.

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Leos des Dreizehnter Anfänge.

Halt und Front z" mache" u, s. w. Kurz, der neue Papst sollte soldatisch
ebenso begrüßt und geehrt werden, wie einst Pius IX. von seinen eignen Sol¬
daten. Freilich ist es selbstverständlich, daß eine andre Art der Ehrfurchts¬
bezeugung von der italienischen Regierung nicht angeordnet werden konnte,
deren letzte Überbleibsel Pius IX. genossen hat und die ein Besucher Roms in
jenen Zeiten nicht mit ansehen konnte, ohne sich in die Tage grauen Altertums
zurückversetzt zu glauben.

Wenn in Rom ein kurulischer Beamter dnrch die engen, volksgedrängten
Straßen schritt, so gingen die Viktoren vor ihm her und machten ihm Platz.
Jeder mußte ihm aus dem Wege gehen, wenn ihn nicht der Stab der Viktoren
treffen sollte. Wer zu Pferde war, sprang ab und grüßte den Konsul, wer im
Wagen saß, stieg aus und ließ den Wagen zur Seite fahren. Kein heutiger
Fürst wird mehr in dieser Weise gegrüßt, und der König von Italien sieht
nicht cillzuviele Leute auf seinen Wegen, die auch nur den Hut vor ihm ab¬
nehmen. Fuhr Pius IX. dagegen durch die Straßen Roms oder in der Um¬
gegend der Stadt, so gaben die seinem Wagen voranreitcuden päpstlichen Dra¬
goner mit geschwungenem Säbel das Signal, daß der Papst komme. Alles,
was sich dann auf dem Wege des Papstes zu Wagen oder zu Pferde befand,
floh in Seitenstraßen davon, um uicht genötigt zu sein, aus- oder abzusteigen,
falls nicht Neugierde als festhaltendes Motiv wirkte. Wurde nun jetzt, soweit
es ging, das alte Zeremoniell zu Gunsten des neuen Papstes wieder aufgefrischt,
so sollte es sich bald zeigen, daß auch diese Mühe umsonst war.

Um 41/4 Uhr nachmittags wurde das im Vatikan hergestellte Konklave ge¬
öffnet. Auf dem Petersplatze war die Erwartung, den Papst erscheinen und
seinen Segen spenden zu scheu, immer allgemeiner geworden. Alle in Rom an¬
wesenden Fremden, der bei weitem größte Teil der römischen Aristokratie, un¬
zählige Beamte und eine unermeßliche Volksmenge füllte den Platz. Daß die
zur Aufrechterhaltung befohlenen und auf dem Platze aufgestellten Truppen den
Befehl erhalten hatten, dem Papste bei seinem Erscheinen königliche Ehren zu
erweisen, sowie daß der Kommandant der Engelsburg angewiesen war, in diesem
Falle einen Salut von einundzwanzig Kanonenschüssen abgegeben, war allgemein
bekannt geworden. Trat Leo XIII. jetzt auf die Loggia, so wäre er der
Gegenstand einer Huldigung geworden, wie sie niemals einem einzigen seiner
Vorgänger, ja wie sie überhaupt schwerlich jemals einem Fürsten zu Teil ge¬
worden ist. Diejenigen, welche diese Lösung aller Schwierigkeiten verhindert
haben, wußten wohl selbst uicht, was sie thaten: ein neuer Papst, öffentlich die
Unterthanen des Königs von Italien segnend und öffentlich von ihnen als
Papst begrüßt, bedeutete die Versöhnung der Vergangenheit mit der Zukunft,
gewährte die Zurückdrängung der revolutionären Elemente, denen die Einig¬
keit Italiens ihr Zustandekommen zu so großem Teile verdankte, sowie die
Hilfe der katholische" Kirche in dem Kampfe gegen die kommunistische Revo-


Leos des Dreizehnter Anfänge.

Halt und Front z» mache» u, s. w. Kurz, der neue Papst sollte soldatisch
ebenso begrüßt und geehrt werden, wie einst Pius IX. von seinen eignen Sol¬
daten. Freilich ist es selbstverständlich, daß eine andre Art der Ehrfurchts¬
bezeugung von der italienischen Regierung nicht angeordnet werden konnte,
deren letzte Überbleibsel Pius IX. genossen hat und die ein Besucher Roms in
jenen Zeiten nicht mit ansehen konnte, ohne sich in die Tage grauen Altertums
zurückversetzt zu glauben.

Wenn in Rom ein kurulischer Beamter dnrch die engen, volksgedrängten
Straßen schritt, so gingen die Viktoren vor ihm her und machten ihm Platz.
Jeder mußte ihm aus dem Wege gehen, wenn ihn nicht der Stab der Viktoren
treffen sollte. Wer zu Pferde war, sprang ab und grüßte den Konsul, wer im
Wagen saß, stieg aus und ließ den Wagen zur Seite fahren. Kein heutiger
Fürst wird mehr in dieser Weise gegrüßt, und der König von Italien sieht
nicht cillzuviele Leute auf seinen Wegen, die auch nur den Hut vor ihm ab¬
nehmen. Fuhr Pius IX. dagegen durch die Straßen Roms oder in der Um¬
gegend der Stadt, so gaben die seinem Wagen voranreitcuden päpstlichen Dra¬
goner mit geschwungenem Säbel das Signal, daß der Papst komme. Alles,
was sich dann auf dem Wege des Papstes zu Wagen oder zu Pferde befand,
floh in Seitenstraßen davon, um uicht genötigt zu sein, aus- oder abzusteigen,
falls nicht Neugierde als festhaltendes Motiv wirkte. Wurde nun jetzt, soweit
es ging, das alte Zeremoniell zu Gunsten des neuen Papstes wieder aufgefrischt,
so sollte es sich bald zeigen, daß auch diese Mühe umsonst war.

Um 41/4 Uhr nachmittags wurde das im Vatikan hergestellte Konklave ge¬
öffnet. Auf dem Petersplatze war die Erwartung, den Papst erscheinen und
seinen Segen spenden zu scheu, immer allgemeiner geworden. Alle in Rom an¬
wesenden Fremden, der bei weitem größte Teil der römischen Aristokratie, un¬
zählige Beamte und eine unermeßliche Volksmenge füllte den Platz. Daß die
zur Aufrechterhaltung befohlenen und auf dem Platze aufgestellten Truppen den
Befehl erhalten hatten, dem Papste bei seinem Erscheinen königliche Ehren zu
erweisen, sowie daß der Kommandant der Engelsburg angewiesen war, in diesem
Falle einen Salut von einundzwanzig Kanonenschüssen abgegeben, war allgemein
bekannt geworden. Trat Leo XIII. jetzt auf die Loggia, so wäre er der
Gegenstand einer Huldigung geworden, wie sie niemals einem einzigen seiner
Vorgänger, ja wie sie überhaupt schwerlich jemals einem Fürsten zu Teil ge¬
worden ist. Diejenigen, welche diese Lösung aller Schwierigkeiten verhindert
haben, wußten wohl selbst uicht, was sie thaten: ein neuer Papst, öffentlich die
Unterthanen des Königs von Italien segnend und öffentlich von ihnen als
Papst begrüßt, bedeutete die Versöhnung der Vergangenheit mit der Zukunft,
gewährte die Zurückdrängung der revolutionären Elemente, denen die Einig¬
keit Italiens ihr Zustandekommen zu so großem Teile verdankte, sowie die
Hilfe der katholische» Kirche in dem Kampfe gegen die kommunistische Revo-


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[0528] Leos des Dreizehnter Anfänge. Halt und Front z» mache» u, s. w. Kurz, der neue Papst sollte soldatisch ebenso begrüßt und geehrt werden, wie einst Pius IX. von seinen eignen Sol¬ daten. Freilich ist es selbstverständlich, daß eine andre Art der Ehrfurchts¬ bezeugung von der italienischen Regierung nicht angeordnet werden konnte, deren letzte Überbleibsel Pius IX. genossen hat und die ein Besucher Roms in jenen Zeiten nicht mit ansehen konnte, ohne sich in die Tage grauen Altertums zurückversetzt zu glauben. Wenn in Rom ein kurulischer Beamter dnrch die engen, volksgedrängten Straßen schritt, so gingen die Viktoren vor ihm her und machten ihm Platz. Jeder mußte ihm aus dem Wege gehen, wenn ihn nicht der Stab der Viktoren treffen sollte. Wer zu Pferde war, sprang ab und grüßte den Konsul, wer im Wagen saß, stieg aus und ließ den Wagen zur Seite fahren. Kein heutiger Fürst wird mehr in dieser Weise gegrüßt, und der König von Italien sieht nicht cillzuviele Leute auf seinen Wegen, die auch nur den Hut vor ihm ab¬ nehmen. Fuhr Pius IX. dagegen durch die Straßen Roms oder in der Um¬ gegend der Stadt, so gaben die seinem Wagen voranreitcuden päpstlichen Dra¬ goner mit geschwungenem Säbel das Signal, daß der Papst komme. Alles, was sich dann auf dem Wege des Papstes zu Wagen oder zu Pferde befand, floh in Seitenstraßen davon, um uicht genötigt zu sein, aus- oder abzusteigen, falls nicht Neugierde als festhaltendes Motiv wirkte. Wurde nun jetzt, soweit es ging, das alte Zeremoniell zu Gunsten des neuen Papstes wieder aufgefrischt, so sollte es sich bald zeigen, daß auch diese Mühe umsonst war. Um 41/4 Uhr nachmittags wurde das im Vatikan hergestellte Konklave ge¬ öffnet. Auf dem Petersplatze war die Erwartung, den Papst erscheinen und seinen Segen spenden zu scheu, immer allgemeiner geworden. Alle in Rom an¬ wesenden Fremden, der bei weitem größte Teil der römischen Aristokratie, un¬ zählige Beamte und eine unermeßliche Volksmenge füllte den Platz. Daß die zur Aufrechterhaltung befohlenen und auf dem Platze aufgestellten Truppen den Befehl erhalten hatten, dem Papste bei seinem Erscheinen königliche Ehren zu erweisen, sowie daß der Kommandant der Engelsburg angewiesen war, in diesem Falle einen Salut von einundzwanzig Kanonenschüssen abgegeben, war allgemein bekannt geworden. Trat Leo XIII. jetzt auf die Loggia, so wäre er der Gegenstand einer Huldigung geworden, wie sie niemals einem einzigen seiner Vorgänger, ja wie sie überhaupt schwerlich jemals einem Fürsten zu Teil ge¬ worden ist. Diejenigen, welche diese Lösung aller Schwierigkeiten verhindert haben, wußten wohl selbst uicht, was sie thaten: ein neuer Papst, öffentlich die Unterthanen des Königs von Italien segnend und öffentlich von ihnen als Papst begrüßt, bedeutete die Versöhnung der Vergangenheit mit der Zukunft, gewährte die Zurückdrängung der revolutionären Elemente, denen die Einig¬ keit Italiens ihr Zustandekommen zu so großem Teile verdankte, sowie die Hilfe der katholische» Kirche in dem Kampfe gegen die kommunistische Revo-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_200104/528>, abgerufen am 23.12.2024.