Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Erstes Vierteljahr.Jugendernmerungen. klugen Mannes, und das kann nur von dem Scharfrichter geschehen, denn dem Das leuchtete den geängsteten Hausbewohnern ein und belebte sie mit Die Mitwelt wird, was nun geschah und was glaubwürdige Augenzeugen Ängstlich zusammengedrückt saßen diese in der Wohnstube auf der Ofen¬ Um nun dem Geiste einen Platz anzuweisen, wo er ohne Schaden für Fürs Leben gern wäre ich dem Manne im gelben Pantoffel auch einmal Jugendernmerungen. klugen Mannes, und das kann nur von dem Scharfrichter geschehen, denn dem Das leuchtete den geängsteten Hausbewohnern ein und belebte sie mit Die Mitwelt wird, was nun geschah und was glaubwürdige Augenzeugen Ängstlich zusammengedrückt saßen diese in der Wohnstube auf der Ofen¬ Um nun dem Geiste einen Platz anzuweisen, wo er ohne Schaden für Fürs Leben gern wäre ich dem Manne im gelben Pantoffel auch einmal <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0503" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/200608"/> <fw type="header" place="top"> Jugendernmerungen.</fw><lb/> <p xml:id="ID_1562" prev="#ID_1561"> klugen Mannes, und das kann nur von dem Scharfrichter geschehen, denn dem<lb/> ist die Seele jedes Selbstmörders verfallen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1563"> Das leuchtete den geängsteten Hausbewohnern ein und belebte sie mit<lb/> neuem Mute, mit neuer Hoffnung. Der schwere Gang zum Scharfrichter wurde<lb/> angetreten und seine Hilfe in Anspruch genommen. Und siehe da, der gefürchtete<lb/> Mann sagte zu!</p><lb/> <p xml:id="ID_1564"> Die Mitwelt wird, was nun geschah und was glaubwürdige Augenzeugen<lb/> mir wiederholt erzählt haben, kaum für möglich halten. Der Scharfrichter<lb/> erschien zu einer von ihm festgesetzten Stunde in dem von dem irrenden Geiste<lb/> so arg beunruhigten Hause mit einem großen Sacke über dem Arme, stieg auf<lb/> den Boden hinauf, wo die Frau sich erhenkt hatte, verrammelte hinter sich die<lb/> Thür, damit ihn niemand in seiner schweren Arbeit stören könne, und gebot den<lb/> Hausbewohnern tiefes Stillschweigen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1565"> Ängstlich zusammengedrückt saßen diese in der Wohnstube auf der Ofen¬<lb/> bank und wagten kaum zu atmen, viel weniger zu sprechen. Auf dem Boden<lb/> aber wurde es bald laut; man vernahm Ächzen und Stöhnen und ein polterndes<lb/> Rollen, als ob zwei erbitterte Menschen auf Tod und Leben miteinander<lb/> kämpften. Das währte ziemlich lange, endlich trat wieder Ruhe ein. Darauf<lb/> zeigte sich auch der Scharfrichter mit seinem Sacke, der ihm jetzt wie ein ge¬<lb/> füllter Schlauch über die Schulter hing. Der Mann war dergestalt in Schweiß<lb/> gebadet, daß es von ihm troff, aber der ruhelosen Seele war er nach hartem<lb/> Ringen glücklich Herr geworden — so versicherte er den Hausbewohnern.</p><lb/> <p xml:id="ID_1566"> Um nun dem Geiste einen Platz anzuweisen, wo er ohne Schaden für<lb/> andre sein spukhaftes Wesen treiben könnte, Verbannte ihn der Scharfrichter in<lb/> die sumpfige Niederung des Schülerbnschcs, von wo er denn auch nicht wieder¬<lb/> gekehrt ist. Dort befand sich die arme Seele auch jedenfalls heimischer, denn<lb/> im Schülerbnsche gab es der Geister und Gespenster mehrere. Das bekannteste<lb/> und wunderlichste unter ihnen war Doktor Horn, der nur an sehr heißen Tagen,<lb/> und zwar in der Mittagsstunde, sich zuweilen sehen ließ. Die Mutter meines<lb/> bäuerlichen Freundes Ehrcnfried gehörte mit noch einigen Bauerfrauen gleichen<lb/> Alters zu den Wenigen, welche diesem seltsamsten aller Geister ein paarmal<lb/> im Schülerbusche begegnet waren, wie sie mir hoch und teuer versicherte.<lb/> Doktor Horn hatte die Eigentümlichkeit, die allerdings nur Geister besitzen können,<lb/> auf einem Beine, dessen Fuß in einem gelben Pantoffel stak, hurtig und sicher<lb/> durch die Büsche zu streichen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1567" next="#ID_1568"> Fürs Leben gern wäre ich dem Manne im gelben Pantoffel auch einmal<lb/> begegnet, doch wollte es mir nicht glücken, obwohl ich sehr oft in Ehrcnfrieds<lb/> Begleitung — ganz allein war's mir doch nicht recht geheuer — die sonnigsten<lb/> Stellen des Schülerbusches aufsuchte und mich von den vielen Blindschleichen<lb/> und Nattern, die mir über die Füße schlüpften, nicht erschrecken ließ. Es war<lb/> recht verdrießlich, daß Doktor Horn sich hartnäckig verborgen hielt, da er mir,</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0503]
Jugendernmerungen.
klugen Mannes, und das kann nur von dem Scharfrichter geschehen, denn dem
ist die Seele jedes Selbstmörders verfallen.
Das leuchtete den geängsteten Hausbewohnern ein und belebte sie mit
neuem Mute, mit neuer Hoffnung. Der schwere Gang zum Scharfrichter wurde
angetreten und seine Hilfe in Anspruch genommen. Und siehe da, der gefürchtete
Mann sagte zu!
Die Mitwelt wird, was nun geschah und was glaubwürdige Augenzeugen
mir wiederholt erzählt haben, kaum für möglich halten. Der Scharfrichter
erschien zu einer von ihm festgesetzten Stunde in dem von dem irrenden Geiste
so arg beunruhigten Hause mit einem großen Sacke über dem Arme, stieg auf
den Boden hinauf, wo die Frau sich erhenkt hatte, verrammelte hinter sich die
Thür, damit ihn niemand in seiner schweren Arbeit stören könne, und gebot den
Hausbewohnern tiefes Stillschweigen.
Ängstlich zusammengedrückt saßen diese in der Wohnstube auf der Ofen¬
bank und wagten kaum zu atmen, viel weniger zu sprechen. Auf dem Boden
aber wurde es bald laut; man vernahm Ächzen und Stöhnen und ein polterndes
Rollen, als ob zwei erbitterte Menschen auf Tod und Leben miteinander
kämpften. Das währte ziemlich lange, endlich trat wieder Ruhe ein. Darauf
zeigte sich auch der Scharfrichter mit seinem Sacke, der ihm jetzt wie ein ge¬
füllter Schlauch über die Schulter hing. Der Mann war dergestalt in Schweiß
gebadet, daß es von ihm troff, aber der ruhelosen Seele war er nach hartem
Ringen glücklich Herr geworden — so versicherte er den Hausbewohnern.
Um nun dem Geiste einen Platz anzuweisen, wo er ohne Schaden für
andre sein spukhaftes Wesen treiben könnte, Verbannte ihn der Scharfrichter in
die sumpfige Niederung des Schülerbnschcs, von wo er denn auch nicht wieder¬
gekehrt ist. Dort befand sich die arme Seele auch jedenfalls heimischer, denn
im Schülerbnsche gab es der Geister und Gespenster mehrere. Das bekannteste
und wunderlichste unter ihnen war Doktor Horn, der nur an sehr heißen Tagen,
und zwar in der Mittagsstunde, sich zuweilen sehen ließ. Die Mutter meines
bäuerlichen Freundes Ehrcnfried gehörte mit noch einigen Bauerfrauen gleichen
Alters zu den Wenigen, welche diesem seltsamsten aller Geister ein paarmal
im Schülerbusche begegnet waren, wie sie mir hoch und teuer versicherte.
Doktor Horn hatte die Eigentümlichkeit, die allerdings nur Geister besitzen können,
auf einem Beine, dessen Fuß in einem gelben Pantoffel stak, hurtig und sicher
durch die Büsche zu streichen.
Fürs Leben gern wäre ich dem Manne im gelben Pantoffel auch einmal
begegnet, doch wollte es mir nicht glücken, obwohl ich sehr oft in Ehrcnfrieds
Begleitung — ganz allein war's mir doch nicht recht geheuer — die sonnigsten
Stellen des Schülerbusches aufsuchte und mich von den vielen Blindschleichen
und Nattern, die mir über die Füße schlüpften, nicht erschrecken ließ. Es war
recht verdrießlich, daß Doktor Horn sich hartnäckig verborgen hielt, da er mir,
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |