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Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Erstes Vierteljahr.

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Annstgeschichtliche Aufsätze von Lübke und Springer.

einzelnen Vanstein, den Lübke herbeigetragen hat, auf seine Feuerfestigkeit und
Wasserdichtigkeit prüfen. Jener Band von gesammelten Aufsätzen, welcher die
Arbeit des letzten Jahrzehnts widerspiegelt, legt uns wiederum Zeugnis von
dem unermüdlichen Eifer ab, mit welchem Lübke allen Ergebnissen antiquarischer
Funde und wissenschaftlicher Forschungen folgt. Überraschender Entdeckungen
gegenüber, wie den Ausgrabungen Schliemanns, den tanagräischcn Thonfigürchen,
den Reliefs von Gjölbaschi in Wien, weis; er schnell den sichern Standpunkt
historischer Betrachtung zu finden, und mit feinem plastischen Sinn rundet er
ganze Reihen von Einzelforschungen zu Charakterbildern ab, wie sie die neue
Sammlung in den Aufsätzen über die Brüder Hubert und Jan van Eyck, Rubens
und Rembrandt aufzuweisen hat. Der Sinn für lebensvolles Detail würde sich
jedoch bald abstumpfen, wenn mit dieser ordnenden Thätigkeit in der Studir-
stube der eigne Forschlingstrieb, der zur Wanderung in noch wenig bekannte
Gebiete führt, nicht zusammenginge. Aufsätze wie "Alte Kunstwerke in Tirol,"
"Badische Wanderungen" und "Der Dom von Aquileja" sprechen auch ucich
dieser Richtung für die außerordentliche geistige Frische, welche sich Lübke in¬
mitten einer anstrengenden schriftstellerischen und Lehrthätigkeit bewahrt hat.
Die in Zeitschriften erscheinenden Aufsätze sind für ihn gewissermaßen nur
Übungen oder Vorratskammern, in welchen er gewonnenes Material bis zum
Zeitpunkt der Verwertung in seinen kunstgeschichtlichen Handbüchern aufbewahrt.
Das ihm zu teil gewordene seltene Glück, daß diese Handbücher fast jährlich
neue Auflagen erleben, mag ihn wesentlich zu einem beständige!? Zusammen¬
wirken mit der fortschreitenden Forschung anspornen. Erst in diesen Tagen ist
die zehnte Auflage seines "Grundrisses der Kunstgeschichte" erschienen, welche
in Anbetracht des Umstandes, daß die erste vor fünfundzwanzig Jahren an die
Öffentlichkeit getreten ist, von der Verlagsbuchhandlung eine besonders reiche
Ausstattung erhalten hat.") Damals war das Erscheinen eines neuen Hand¬
buches neben dem Kuglerscheu ein Wagnis. Heute hat Lübkes Grundriß nicht
nur das Buch Kuglers verdrängt, sondern er ist auch ins Englische, Schwe¬
dische, Dänische und Französische übersetzt worden. , Selbst in Frankreich, wo
die Kunstliteratnr zu üppigster Blüte gediehen ist, fehlte es bisher an einem
Buche, in welchem die drei bildenden Künste nach ihrer historischen Entwicklung
in lebendigem Zusammenhang mit einander behandelt worden wären. Man
wird nicht fehlgehen, wen" mau den dauernden Wert dieses Buches in seinem
geschickten, logisch gegliederten Organismus, also in Vorzügen, welche den be¬
rufenen Geschichtschreiber kennzeichnen, erblickt.

Vielleicht nicht ohne eine bestimmte Absicht hat Lübke seiner Jubiläums¬
ausgabe eine Nachbildung des Maudelscheu Stiches uach dem köstlichen Jüng-



Grundriß der Kunstgeschichte von Wilhelm Lübke. Zwei Bande. Mit 699
Holzschnittillustrationen, eine"? Lichtdrucktitelbild und einem Pvrtriit des Verfassers. Stutt¬
gart, Ebner und seubert (Paul Reff).
Annstgeschichtliche Aufsätze von Lübke und Springer.

einzelnen Vanstein, den Lübke herbeigetragen hat, auf seine Feuerfestigkeit und
Wasserdichtigkeit prüfen. Jener Band von gesammelten Aufsätzen, welcher die
Arbeit des letzten Jahrzehnts widerspiegelt, legt uns wiederum Zeugnis von
dem unermüdlichen Eifer ab, mit welchem Lübke allen Ergebnissen antiquarischer
Funde und wissenschaftlicher Forschungen folgt. Überraschender Entdeckungen
gegenüber, wie den Ausgrabungen Schliemanns, den tanagräischcn Thonfigürchen,
den Reliefs von Gjölbaschi in Wien, weis; er schnell den sichern Standpunkt
historischer Betrachtung zu finden, und mit feinem plastischen Sinn rundet er
ganze Reihen von Einzelforschungen zu Charakterbildern ab, wie sie die neue
Sammlung in den Aufsätzen über die Brüder Hubert und Jan van Eyck, Rubens
und Rembrandt aufzuweisen hat. Der Sinn für lebensvolles Detail würde sich
jedoch bald abstumpfen, wenn mit dieser ordnenden Thätigkeit in der Studir-
stube der eigne Forschlingstrieb, der zur Wanderung in noch wenig bekannte
Gebiete führt, nicht zusammenginge. Aufsätze wie „Alte Kunstwerke in Tirol,"
„Badische Wanderungen" und „Der Dom von Aquileja" sprechen auch ucich
dieser Richtung für die außerordentliche geistige Frische, welche sich Lübke in¬
mitten einer anstrengenden schriftstellerischen und Lehrthätigkeit bewahrt hat.
Die in Zeitschriften erscheinenden Aufsätze sind für ihn gewissermaßen nur
Übungen oder Vorratskammern, in welchen er gewonnenes Material bis zum
Zeitpunkt der Verwertung in seinen kunstgeschichtlichen Handbüchern aufbewahrt.
Das ihm zu teil gewordene seltene Glück, daß diese Handbücher fast jährlich
neue Auflagen erleben, mag ihn wesentlich zu einem beständige!? Zusammen¬
wirken mit der fortschreitenden Forschung anspornen. Erst in diesen Tagen ist
die zehnte Auflage seines „Grundrisses der Kunstgeschichte" erschienen, welche
in Anbetracht des Umstandes, daß die erste vor fünfundzwanzig Jahren an die
Öffentlichkeit getreten ist, von der Verlagsbuchhandlung eine besonders reiche
Ausstattung erhalten hat.") Damals war das Erscheinen eines neuen Hand¬
buches neben dem Kuglerscheu ein Wagnis. Heute hat Lübkes Grundriß nicht
nur das Buch Kuglers verdrängt, sondern er ist auch ins Englische, Schwe¬
dische, Dänische und Französische übersetzt worden. , Selbst in Frankreich, wo
die Kunstliteratnr zu üppigster Blüte gediehen ist, fehlte es bisher an einem
Buche, in welchem die drei bildenden Künste nach ihrer historischen Entwicklung
in lebendigem Zusammenhang mit einander behandelt worden wären. Man
wird nicht fehlgehen, wen» mau den dauernden Wert dieses Buches in seinem
geschickten, logisch gegliederten Organismus, also in Vorzügen, welche den be¬
rufenen Geschichtschreiber kennzeichnen, erblickt.

Vielleicht nicht ohne eine bestimmte Absicht hat Lübke seiner Jubiläums¬
ausgabe eine Nachbildung des Maudelscheu Stiches uach dem köstlichen Jüng-



Grundriß der Kunstgeschichte von Wilhelm Lübke. Zwei Bande. Mit 699
Holzschnittillustrationen, eine»? Lichtdrucktitelbild und einem Pvrtriit des Verfassers. Stutt¬
gart, Ebner und seubert (Paul Reff).
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[0444] Annstgeschichtliche Aufsätze von Lübke und Springer. einzelnen Vanstein, den Lübke herbeigetragen hat, auf seine Feuerfestigkeit und Wasserdichtigkeit prüfen. Jener Band von gesammelten Aufsätzen, welcher die Arbeit des letzten Jahrzehnts widerspiegelt, legt uns wiederum Zeugnis von dem unermüdlichen Eifer ab, mit welchem Lübke allen Ergebnissen antiquarischer Funde und wissenschaftlicher Forschungen folgt. Überraschender Entdeckungen gegenüber, wie den Ausgrabungen Schliemanns, den tanagräischcn Thonfigürchen, den Reliefs von Gjölbaschi in Wien, weis; er schnell den sichern Standpunkt historischer Betrachtung zu finden, und mit feinem plastischen Sinn rundet er ganze Reihen von Einzelforschungen zu Charakterbildern ab, wie sie die neue Sammlung in den Aufsätzen über die Brüder Hubert und Jan van Eyck, Rubens und Rembrandt aufzuweisen hat. Der Sinn für lebensvolles Detail würde sich jedoch bald abstumpfen, wenn mit dieser ordnenden Thätigkeit in der Studir- stube der eigne Forschlingstrieb, der zur Wanderung in noch wenig bekannte Gebiete führt, nicht zusammenginge. Aufsätze wie „Alte Kunstwerke in Tirol," „Badische Wanderungen" und „Der Dom von Aquileja" sprechen auch ucich dieser Richtung für die außerordentliche geistige Frische, welche sich Lübke in¬ mitten einer anstrengenden schriftstellerischen und Lehrthätigkeit bewahrt hat. Die in Zeitschriften erscheinenden Aufsätze sind für ihn gewissermaßen nur Übungen oder Vorratskammern, in welchen er gewonnenes Material bis zum Zeitpunkt der Verwertung in seinen kunstgeschichtlichen Handbüchern aufbewahrt. Das ihm zu teil gewordene seltene Glück, daß diese Handbücher fast jährlich neue Auflagen erleben, mag ihn wesentlich zu einem beständige!? Zusammen¬ wirken mit der fortschreitenden Forschung anspornen. Erst in diesen Tagen ist die zehnte Auflage seines „Grundrisses der Kunstgeschichte" erschienen, welche in Anbetracht des Umstandes, daß die erste vor fünfundzwanzig Jahren an die Öffentlichkeit getreten ist, von der Verlagsbuchhandlung eine besonders reiche Ausstattung erhalten hat.") Damals war das Erscheinen eines neuen Hand¬ buches neben dem Kuglerscheu ein Wagnis. Heute hat Lübkes Grundriß nicht nur das Buch Kuglers verdrängt, sondern er ist auch ins Englische, Schwe¬ dische, Dänische und Französische übersetzt worden. , Selbst in Frankreich, wo die Kunstliteratnr zu üppigster Blüte gediehen ist, fehlte es bisher an einem Buche, in welchem die drei bildenden Künste nach ihrer historischen Entwicklung in lebendigem Zusammenhang mit einander behandelt worden wären. Man wird nicht fehlgehen, wen» mau den dauernden Wert dieses Buches in seinem geschickten, logisch gegliederten Organismus, also in Vorzügen, welche den be¬ rufenen Geschichtschreiber kennzeichnen, erblickt. Vielleicht nicht ohne eine bestimmte Absicht hat Lübke seiner Jubiläums¬ ausgabe eine Nachbildung des Maudelscheu Stiches uach dem köstlichen Jüng- Grundriß der Kunstgeschichte von Wilhelm Lübke. Zwei Bande. Mit 699 Holzschnittillustrationen, eine»? Lichtdrucktitelbild und einem Pvrtriit des Verfassers. Stutt¬ gart, Ebner und seubert (Paul Reff).

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_200104/444>, abgerufen am 22.07.2024.