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Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Erstes Vierteljahr.

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Moderne Denkmäler.

bald durch die Ruhmsucht und Eitelkeit der Keinen italienischen Dynasten des
sechzehnten Jahrhunderts unterdrückt. Aber selbst die fenster und gesinnungs¬
losesten Künstler bewahrten sich noch so viel Idealismus -- in ihrem Sinne
wenigstens --, das; sie die Mediceer, die Estes, die Sforzas, die Gonzagas im
Kostüm der römischen Imperatoren und Feldherren darstellten, was zum Teil
freilich durch die damals alle Kultur beherrschende Begeisterung für die Antike
bedingt worden ist. Aber diese italienische Neigung gewann sehr bald, gestützt
durch den Gang der politischen Ereignisse, die Oberhand über die nordischen
Kuustbestrebungen, welche vom Typus zur Individualität emporgeführt hatten,
während die Italiener nach kurzem, glänzendem Aufschwünge von der Darstellung
des Individuums wieder zum charakterlose" Typus zurückkehrten.

Dieser Typus ist sür das moderne Fürsten- und Hcldendenkmal noch bis
zum Anfang dieses Jahrhunderts maßgebend gewesen, wo der prcußichc Rea¬
lismus eines Schadow und Rauch mit dem falschen Römertumc der Franzosen
aufräumte und in Frankreich selbst David von Angers die pseudoklassischen
Theorien seines malenden Namensvetters nmstieß. Als man nach den Freiheits¬
kriegen auf den Gedanken kam, anch bürgerlichen Geisteshelden öffentliche Denk¬
mäler zu setzen, war es selbstverständlich, auch diese in ganzer Figur, und zwar
in derjenigen Tracht darzustellen, in welcher sie bei Lebzeiten auf Erden ge¬
wandelt waren. An diesem Gedanken ist mit einer Energie, die schließlich zur Ge¬
dankenlosigkeit ausartete, bis auf den heutigen Tag festgehalten worden, und
nur sehr vereinzelt sind die Versuche der Künstler gewesen, von dem konventio¬
nellen Typus abzuweichen, wobei wir von dem Grabmonument absehen, welches
nicht den Charakter eines öffentlichen Denkmals im eigentlichen Sinne hat.
Franzosen und Italiener sind uns Dentschen in solchen Versuchen vorausgegangen,
was in der größern Beweglichkeit der romanischen Phantasie und in der feinern
Ausbildung ihres malerischen Sinnes begründet sein mag. Doch haben wir
auch in Deutschland einige vortreffliche Beispiele auszuweisen, mit welchen neue
Wege eingeschlagen worden sind. Wir nennen nur das Nictschcldenkmal von
Schilling auf der Brühlschen Terrasse in Dresden und das Goethedenkmal von
Donndorf in Karlsbad. Zwei andre Versuche, die genialsten vielleicht, welche
nach dieser Richtung gemacht worden sind, sind nicht zur Ausführung gelangt.
Es sind die Entwürfe, die Reinhold Vegas zur Konkurrenz um die Denkmäler
für die Brüder von Humboldt in Berlin einlieferte, die aber vom Komitee ab¬
gelehnt wurden, weil es, wie jedes reguläre Komitee, nur Stand- oder Sitz¬
bilder haben wollte. Vegas hatte die Büsten der Gefeierten auf Pilaster gesetzt,
die er mit lebensvolle", von sprühender Genialität durchströmten Figuren
umgab, welche die geistige Thätigkeit der beiden Gelehrten fein und sinnreich
charakterisierten. Gleichwohl führten diese Entwürfe eine so beredte Sprache,
daß sich das Komitee dieser Demonstration nicht zu entziehen vermochte und dem
Künstler wenigstens den Alexander von Humboldt als Sitzbild in Auftrag gab.


Moderne Denkmäler.

bald durch die Ruhmsucht und Eitelkeit der Keinen italienischen Dynasten des
sechzehnten Jahrhunderts unterdrückt. Aber selbst die fenster und gesinnungs¬
losesten Künstler bewahrten sich noch so viel Idealismus — in ihrem Sinne
wenigstens —, das; sie die Mediceer, die Estes, die Sforzas, die Gonzagas im
Kostüm der römischen Imperatoren und Feldherren darstellten, was zum Teil
freilich durch die damals alle Kultur beherrschende Begeisterung für die Antike
bedingt worden ist. Aber diese italienische Neigung gewann sehr bald, gestützt
durch den Gang der politischen Ereignisse, die Oberhand über die nordischen
Kuustbestrebungen, welche vom Typus zur Individualität emporgeführt hatten,
während die Italiener nach kurzem, glänzendem Aufschwünge von der Darstellung
des Individuums wieder zum charakterlose» Typus zurückkehrten.

Dieser Typus ist sür das moderne Fürsten- und Hcldendenkmal noch bis
zum Anfang dieses Jahrhunderts maßgebend gewesen, wo der prcußichc Rea¬
lismus eines Schadow und Rauch mit dem falschen Römertumc der Franzosen
aufräumte und in Frankreich selbst David von Angers die pseudoklassischen
Theorien seines malenden Namensvetters nmstieß. Als man nach den Freiheits¬
kriegen auf den Gedanken kam, anch bürgerlichen Geisteshelden öffentliche Denk¬
mäler zu setzen, war es selbstverständlich, auch diese in ganzer Figur, und zwar
in derjenigen Tracht darzustellen, in welcher sie bei Lebzeiten auf Erden ge¬
wandelt waren. An diesem Gedanken ist mit einer Energie, die schließlich zur Ge¬
dankenlosigkeit ausartete, bis auf den heutigen Tag festgehalten worden, und
nur sehr vereinzelt sind die Versuche der Künstler gewesen, von dem konventio¬
nellen Typus abzuweichen, wobei wir von dem Grabmonument absehen, welches
nicht den Charakter eines öffentlichen Denkmals im eigentlichen Sinne hat.
Franzosen und Italiener sind uns Dentschen in solchen Versuchen vorausgegangen,
was in der größern Beweglichkeit der romanischen Phantasie und in der feinern
Ausbildung ihres malerischen Sinnes begründet sein mag. Doch haben wir
auch in Deutschland einige vortreffliche Beispiele auszuweisen, mit welchen neue
Wege eingeschlagen worden sind. Wir nennen nur das Nictschcldenkmal von
Schilling auf der Brühlschen Terrasse in Dresden und das Goethedenkmal von
Donndorf in Karlsbad. Zwei andre Versuche, die genialsten vielleicht, welche
nach dieser Richtung gemacht worden sind, sind nicht zur Ausführung gelangt.
Es sind die Entwürfe, die Reinhold Vegas zur Konkurrenz um die Denkmäler
für die Brüder von Humboldt in Berlin einlieferte, die aber vom Komitee ab¬
gelehnt wurden, weil es, wie jedes reguläre Komitee, nur Stand- oder Sitz¬
bilder haben wollte. Vegas hatte die Büsten der Gefeierten auf Pilaster gesetzt,
die er mit lebensvolle», von sprühender Genialität durchströmten Figuren
umgab, welche die geistige Thätigkeit der beiden Gelehrten fein und sinnreich
charakterisierten. Gleichwohl führten diese Entwürfe eine so beredte Sprache,
daß sich das Komitee dieser Demonstration nicht zu entziehen vermochte und dem
Künstler wenigstens den Alexander von Humboldt als Sitzbild in Auftrag gab.


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[0044] Moderne Denkmäler. bald durch die Ruhmsucht und Eitelkeit der Keinen italienischen Dynasten des sechzehnten Jahrhunderts unterdrückt. Aber selbst die fenster und gesinnungs¬ losesten Künstler bewahrten sich noch so viel Idealismus — in ihrem Sinne wenigstens —, das; sie die Mediceer, die Estes, die Sforzas, die Gonzagas im Kostüm der römischen Imperatoren und Feldherren darstellten, was zum Teil freilich durch die damals alle Kultur beherrschende Begeisterung für die Antike bedingt worden ist. Aber diese italienische Neigung gewann sehr bald, gestützt durch den Gang der politischen Ereignisse, die Oberhand über die nordischen Kuustbestrebungen, welche vom Typus zur Individualität emporgeführt hatten, während die Italiener nach kurzem, glänzendem Aufschwünge von der Darstellung des Individuums wieder zum charakterlose» Typus zurückkehrten. Dieser Typus ist sür das moderne Fürsten- und Hcldendenkmal noch bis zum Anfang dieses Jahrhunderts maßgebend gewesen, wo der prcußichc Rea¬ lismus eines Schadow und Rauch mit dem falschen Römertumc der Franzosen aufräumte und in Frankreich selbst David von Angers die pseudoklassischen Theorien seines malenden Namensvetters nmstieß. Als man nach den Freiheits¬ kriegen auf den Gedanken kam, anch bürgerlichen Geisteshelden öffentliche Denk¬ mäler zu setzen, war es selbstverständlich, auch diese in ganzer Figur, und zwar in derjenigen Tracht darzustellen, in welcher sie bei Lebzeiten auf Erden ge¬ wandelt waren. An diesem Gedanken ist mit einer Energie, die schließlich zur Ge¬ dankenlosigkeit ausartete, bis auf den heutigen Tag festgehalten worden, und nur sehr vereinzelt sind die Versuche der Künstler gewesen, von dem konventio¬ nellen Typus abzuweichen, wobei wir von dem Grabmonument absehen, welches nicht den Charakter eines öffentlichen Denkmals im eigentlichen Sinne hat. Franzosen und Italiener sind uns Dentschen in solchen Versuchen vorausgegangen, was in der größern Beweglichkeit der romanischen Phantasie und in der feinern Ausbildung ihres malerischen Sinnes begründet sein mag. Doch haben wir auch in Deutschland einige vortreffliche Beispiele auszuweisen, mit welchen neue Wege eingeschlagen worden sind. Wir nennen nur das Nictschcldenkmal von Schilling auf der Brühlschen Terrasse in Dresden und das Goethedenkmal von Donndorf in Karlsbad. Zwei andre Versuche, die genialsten vielleicht, welche nach dieser Richtung gemacht worden sind, sind nicht zur Ausführung gelangt. Es sind die Entwürfe, die Reinhold Vegas zur Konkurrenz um die Denkmäler für die Brüder von Humboldt in Berlin einlieferte, die aber vom Komitee ab¬ gelehnt wurden, weil es, wie jedes reguläre Komitee, nur Stand- oder Sitz¬ bilder haben wollte. Vegas hatte die Büsten der Gefeierten auf Pilaster gesetzt, die er mit lebensvolle», von sprühender Genialität durchströmten Figuren umgab, welche die geistige Thätigkeit der beiden Gelehrten fein und sinnreich charakterisierten. Gleichwohl führten diese Entwürfe eine so beredte Sprache, daß sich das Komitee dieser Demonstration nicht zu entziehen vermochte und dem Künstler wenigstens den Alexander von Humboldt als Sitzbild in Auftrag gab.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_200104/44>, abgerufen am 01.07.2024.