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Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Erstes Vierteljahr.

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Kleinere Mitteilungen,

Bauer auf reines Blut, weshalb Mißheiraten nur ausnahmsweise vorkamen.
Es wurde stillschweigend als selbstverständlich angenommen, daß die Tochter
eines Bauern auch nur einen ebenbürtigen Bauernsohn heiraten könne, falls
dieser den Besitz eines eignen Hofes nachweisen konnte.

So streng aufrecht erhaltene konventionelle Einrichtungen mußten in Fällen
der Nichtachtung zu heftigen Auftritten, ja selbst zu Konflikten führen, die bei
der bekannten Hartnäckigkeit des beleidigten Bauernstolzes einen tragischen Aus¬
gang nicht unmöglich machten. Einen Fall dieser Art, der haarscharf die
Grenze des Tragischen streifte, erlebte ich selbst in meinem Geburtsorte, und
ich habe versucht, ihn in meiner Erzählung "Martin Ulrich" poetisch darzustellen.

Meine Neigung, mich als Knabe schon unter die Knechte zu mischen und
ihnen ihre Handgriffe abzulauschen, war demnach ein dreister Schritt, die
Standesvorurteile gering zu achten und verbotene Wege einzuschlagen. Ich
selbst dachte freilich nicht daran, wie ich denn überhaupt das Denken noch andern
überließ; ich wollte mich bloß Vergnügen, wollte etwas thun, was mir Spaß
machte, auch einigen Nutzen brachte, und hinter den Fertigkeiten unsers ver¬
trauten Gespielen nicht zurückbleiben. Mein Bruder war andrer Meinung und
beschäftigte sich lieber mit Latein und Griechisch, was ohne Zweifel für den
Sohn eines Geistlichen, der später selbst Pastor werden wollte, viel standes¬
gemäßer war. (Fortsetzung folgt.)




Kleinere Mitteilungen.
Deutsch-Afrika.

Schon seit geraumer Zeit wird nur noch von der Ver¬
blendung und oppositionellen Voreingenommenheit gewisser Frccktiousredner vom
geraden oder krummen Horne bezweifelt und mit allerlei Scheingründen bestritten,
daß Deutschland Kolonien bedarf, und daß es in denen, die es bis jetzt erworben
hat, sich eines entwicklungsfähigen und verheißuugsreicheu Besitzes erfreut. Gleichwohl
giebt es uoch zwischen denen, welche für, und denen, welche gegen die Kolonialbewegung
Partei genommen haben, breite Schichte", welche von der Bedeutung derselben für die
Wohlfahrt der Nation und von ihren bisherigen Erfolgen überhaupt uoch nichts wissen
oder sich wenigstens gleichgiltig zu ihr verhalten. Diesen Kreisen sei die vor kurzem
erschienene Schrift: "Die deutschen Kolonien und die nationalen Interessen" Von
Dr. Vaumgarten (Köln, Dumont-Schauverg) angelegentlich empfohlen. Sie bespricht
alle einschlagenden Fragen auf Grund fleißiger Studien, der Verfasser steht mit seinem
Urteil über den Gegenstand außerhalb der politischen Parteien, und er weiß, was er
zu sagen hat, klar und wvhlgefügt auszudrücken. Durchaus zutreffend find die Kapitel
des ersten Teils, in denen er über die Uebervölkerung und Auswanderung in wirt¬
schaftlicher und sozialer Hinsicht, über die Notwendigkeit der Erwerbung neuer
Absatzgebiete bei der Gefahr der Ueberproduktion, über das wirtschaftliche Ueber¬
gewicht des angelsächsischen Stammes über den deutschen und über unsre Ziele in
dieser Beziehung und über die Fortschritte spricht, die wir in den letzten Jahren nach


Kleinere Mitteilungen,

Bauer auf reines Blut, weshalb Mißheiraten nur ausnahmsweise vorkamen.
Es wurde stillschweigend als selbstverständlich angenommen, daß die Tochter
eines Bauern auch nur einen ebenbürtigen Bauernsohn heiraten könne, falls
dieser den Besitz eines eignen Hofes nachweisen konnte.

So streng aufrecht erhaltene konventionelle Einrichtungen mußten in Fällen
der Nichtachtung zu heftigen Auftritten, ja selbst zu Konflikten führen, die bei
der bekannten Hartnäckigkeit des beleidigten Bauernstolzes einen tragischen Aus¬
gang nicht unmöglich machten. Einen Fall dieser Art, der haarscharf die
Grenze des Tragischen streifte, erlebte ich selbst in meinem Geburtsorte, und
ich habe versucht, ihn in meiner Erzählung „Martin Ulrich" poetisch darzustellen.

Meine Neigung, mich als Knabe schon unter die Knechte zu mischen und
ihnen ihre Handgriffe abzulauschen, war demnach ein dreister Schritt, die
Standesvorurteile gering zu achten und verbotene Wege einzuschlagen. Ich
selbst dachte freilich nicht daran, wie ich denn überhaupt das Denken noch andern
überließ; ich wollte mich bloß Vergnügen, wollte etwas thun, was mir Spaß
machte, auch einigen Nutzen brachte, und hinter den Fertigkeiten unsers ver¬
trauten Gespielen nicht zurückbleiben. Mein Bruder war andrer Meinung und
beschäftigte sich lieber mit Latein und Griechisch, was ohne Zweifel für den
Sohn eines Geistlichen, der später selbst Pastor werden wollte, viel standes¬
gemäßer war. (Fortsetzung folgt.)




Kleinere Mitteilungen.
Deutsch-Afrika.

Schon seit geraumer Zeit wird nur noch von der Ver¬
blendung und oppositionellen Voreingenommenheit gewisser Frccktiousredner vom
geraden oder krummen Horne bezweifelt und mit allerlei Scheingründen bestritten,
daß Deutschland Kolonien bedarf, und daß es in denen, die es bis jetzt erworben
hat, sich eines entwicklungsfähigen und verheißuugsreicheu Besitzes erfreut. Gleichwohl
giebt es uoch zwischen denen, welche für, und denen, welche gegen die Kolonialbewegung
Partei genommen haben, breite Schichte«, welche von der Bedeutung derselben für die
Wohlfahrt der Nation und von ihren bisherigen Erfolgen überhaupt uoch nichts wissen
oder sich wenigstens gleichgiltig zu ihr verhalten. Diesen Kreisen sei die vor kurzem
erschienene Schrift: „Die deutschen Kolonien und die nationalen Interessen" Von
Dr. Vaumgarten (Köln, Dumont-Schauverg) angelegentlich empfohlen. Sie bespricht
alle einschlagenden Fragen auf Grund fleißiger Studien, der Verfasser steht mit seinem
Urteil über den Gegenstand außerhalb der politischen Parteien, und er weiß, was er
zu sagen hat, klar und wvhlgefügt auszudrücken. Durchaus zutreffend find die Kapitel
des ersten Teils, in denen er über die Uebervölkerung und Auswanderung in wirt¬
schaftlicher und sozialer Hinsicht, über die Notwendigkeit der Erwerbung neuer
Absatzgebiete bei der Gefahr der Ueberproduktion, über das wirtschaftliche Ueber¬
gewicht des angelsächsischen Stammes über den deutschen und über unsre Ziele in
dieser Beziehung und über die Fortschritte spricht, die wir in den letzten Jahren nach


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_200104/400>, abgerufen am 22.12.2024.