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Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Erstes Vierteljahr.

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Gin deutscher Maler in Rom.

gehabt. Aber trotz der Wünsche des Marchese selbst und einflußreicher Ver¬
wendungen war del Fratte fest entschlossen, sich mit seiner Arbeit.neben den
Deutschen zu behaupten, und Schmorr meinte 1821 etwas schwermütig: "Ein
schlimmes Schicksal. Erst konnte ich nicht wollen, und nun konnte es das Wollen
nicht. Soll ich die letzte Entscheidung wohl als eine Strafe ansehen, daß ich
früher durch Krankheit mutlos geworden?" Aber noch in demselben Jahre,
im Herbst, starb del Fratte plötzlich und unerwartet, und nun wurde Schmorr
die Arbeit zum zweitenmale und endgiltig übertragen. Ehe er mit derselben
(1827) zu Ende kam, eröffneten sich ihm Aussichten nach Berlin und München,
die letztere war die willkommenere, und als künftiger Professor an der Akademie
der Künste in München, als erwählter Maler der neuen Residenz, welche König
Ludwig eben erst aufführen ließ, kehrte Schmorr nach Deutschland zurück.
Gewiß kann man sagen, daß eine ungewöhnliche Gunst des Geschickes dem
Streben des Taleutreichen zu Hilfe kam, Schmorr selbst in seinem frommen
Sinn erkannte das vollauf an und pries das väterliche Walten Gottes. Doch
ebenso gewiß ist, daß der sittliche Ernst, die tiefe Hingabe an den erwählten
Künstlerberuf, der rastlose Fleiß und der unermüdliche Bildungsdrang Schmorrs
das Glück verdient hatten, das ihm zu Teil ward.

Es ist in erster Linie das geschichtliche Interesse, das seine Befriedigung
bei den "Briefen aus Italien" finden wird. Wir haben schon angedeutet, in
wie verschiednen Richtungen der Kunst- und der Zeitgeschichte diese alten Fa¬
milien- und Freundesbriefe wichtig sind, wie viele halbvergessene Namen und
Schicksale durch sie wieder aufgefrischt und neu erhellt werden. Das Namens¬
register, welches der Herausgeber beigefügt hat, giebt in zuverlässigster Weise
kleine biographische Notizen über alle in den Briefen vorübergleitenden Persön¬
lichkeiten und unterstützt diejenigen Leser, die sich in das Kunst- und Literatur-
lcben der zwanziger Jahre unsers Jahrhunderts zurückversetzen "vollen. Nicht
bloß auf dem Gebiete der Malerei erscheint Julius Schmorr als ein geborner
Vorkämpfer des Echten, Großen, gesund Tüchtigen, als geborner Gegner krank¬
hafter Richtungen und modischer Fratzen. Man lese, was er S. 227 über die
weibliche Kritik im damaligen (Schornschen) "Kunstblatt" schreibt, mit welcher
kräftigen Nichtachtung er sich S. 268 über die dramatischen Fratzen Houwalds
und Müllners (die 1823 bis Rom gelangt waren) ausspricht, mit welcher
Wärme er S. 497 Deutschland und deutsches Geistesleben gegen Qucmdts
etwas verwaschene und traditionelle Bewunderung Italiens verteidigt, und man
wird empfinden, welch eine ganze und große Persönlichkeit hinter diesen Briefen
steht. Nicht ohne Schmerz aber wird man sich auch eingestehen, daß die Stellung
und Geltung einer solchen Persönlichkeit in den hinter uns liegenden Zeiten denn
doch eine andre, unendlich günstigere war als heute. Das Hebbelschc Epigramm:


Lumpe giebt es beständig, doch scheiden sich darnach die Zeiten,
Ob man sie rühmt und betlascht oder sie nötigt zur Scham!

Gin deutscher Maler in Rom.

gehabt. Aber trotz der Wünsche des Marchese selbst und einflußreicher Ver¬
wendungen war del Fratte fest entschlossen, sich mit seiner Arbeit.neben den
Deutschen zu behaupten, und Schmorr meinte 1821 etwas schwermütig: „Ein
schlimmes Schicksal. Erst konnte ich nicht wollen, und nun konnte es das Wollen
nicht. Soll ich die letzte Entscheidung wohl als eine Strafe ansehen, daß ich
früher durch Krankheit mutlos geworden?" Aber noch in demselben Jahre,
im Herbst, starb del Fratte plötzlich und unerwartet, und nun wurde Schmorr
die Arbeit zum zweitenmale und endgiltig übertragen. Ehe er mit derselben
(1827) zu Ende kam, eröffneten sich ihm Aussichten nach Berlin und München,
die letztere war die willkommenere, und als künftiger Professor an der Akademie
der Künste in München, als erwählter Maler der neuen Residenz, welche König
Ludwig eben erst aufführen ließ, kehrte Schmorr nach Deutschland zurück.
Gewiß kann man sagen, daß eine ungewöhnliche Gunst des Geschickes dem
Streben des Taleutreichen zu Hilfe kam, Schmorr selbst in seinem frommen
Sinn erkannte das vollauf an und pries das väterliche Walten Gottes. Doch
ebenso gewiß ist, daß der sittliche Ernst, die tiefe Hingabe an den erwählten
Künstlerberuf, der rastlose Fleiß und der unermüdliche Bildungsdrang Schmorrs
das Glück verdient hatten, das ihm zu Teil ward.

Es ist in erster Linie das geschichtliche Interesse, das seine Befriedigung
bei den „Briefen aus Italien" finden wird. Wir haben schon angedeutet, in
wie verschiednen Richtungen der Kunst- und der Zeitgeschichte diese alten Fa¬
milien- und Freundesbriefe wichtig sind, wie viele halbvergessene Namen und
Schicksale durch sie wieder aufgefrischt und neu erhellt werden. Das Namens¬
register, welches der Herausgeber beigefügt hat, giebt in zuverlässigster Weise
kleine biographische Notizen über alle in den Briefen vorübergleitenden Persön¬
lichkeiten und unterstützt diejenigen Leser, die sich in das Kunst- und Literatur-
lcben der zwanziger Jahre unsers Jahrhunderts zurückversetzen »vollen. Nicht
bloß auf dem Gebiete der Malerei erscheint Julius Schmorr als ein geborner
Vorkämpfer des Echten, Großen, gesund Tüchtigen, als geborner Gegner krank¬
hafter Richtungen und modischer Fratzen. Man lese, was er S. 227 über die
weibliche Kritik im damaligen (Schornschen) „Kunstblatt" schreibt, mit welcher
kräftigen Nichtachtung er sich S. 268 über die dramatischen Fratzen Houwalds
und Müllners (die 1823 bis Rom gelangt waren) ausspricht, mit welcher
Wärme er S. 497 Deutschland und deutsches Geistesleben gegen Qucmdts
etwas verwaschene und traditionelle Bewunderung Italiens verteidigt, und man
wird empfinden, welch eine ganze und große Persönlichkeit hinter diesen Briefen
steht. Nicht ohne Schmerz aber wird man sich auch eingestehen, daß die Stellung
und Geltung einer solchen Persönlichkeit in den hinter uns liegenden Zeiten denn
doch eine andre, unendlich günstigere war als heute. Das Hebbelschc Epigramm:


Lumpe giebt es beständig, doch scheiden sich darnach die Zeiten,
Ob man sie rühmt und betlascht oder sie nötigt zur Scham!

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[0389] Gin deutscher Maler in Rom. gehabt. Aber trotz der Wünsche des Marchese selbst und einflußreicher Ver¬ wendungen war del Fratte fest entschlossen, sich mit seiner Arbeit.neben den Deutschen zu behaupten, und Schmorr meinte 1821 etwas schwermütig: „Ein schlimmes Schicksal. Erst konnte ich nicht wollen, und nun konnte es das Wollen nicht. Soll ich die letzte Entscheidung wohl als eine Strafe ansehen, daß ich früher durch Krankheit mutlos geworden?" Aber noch in demselben Jahre, im Herbst, starb del Fratte plötzlich und unerwartet, und nun wurde Schmorr die Arbeit zum zweitenmale und endgiltig übertragen. Ehe er mit derselben (1827) zu Ende kam, eröffneten sich ihm Aussichten nach Berlin und München, die letztere war die willkommenere, und als künftiger Professor an der Akademie der Künste in München, als erwählter Maler der neuen Residenz, welche König Ludwig eben erst aufführen ließ, kehrte Schmorr nach Deutschland zurück. Gewiß kann man sagen, daß eine ungewöhnliche Gunst des Geschickes dem Streben des Taleutreichen zu Hilfe kam, Schmorr selbst in seinem frommen Sinn erkannte das vollauf an und pries das väterliche Walten Gottes. Doch ebenso gewiß ist, daß der sittliche Ernst, die tiefe Hingabe an den erwählten Künstlerberuf, der rastlose Fleiß und der unermüdliche Bildungsdrang Schmorrs das Glück verdient hatten, das ihm zu Teil ward. Es ist in erster Linie das geschichtliche Interesse, das seine Befriedigung bei den „Briefen aus Italien" finden wird. Wir haben schon angedeutet, in wie verschiednen Richtungen der Kunst- und der Zeitgeschichte diese alten Fa¬ milien- und Freundesbriefe wichtig sind, wie viele halbvergessene Namen und Schicksale durch sie wieder aufgefrischt und neu erhellt werden. Das Namens¬ register, welches der Herausgeber beigefügt hat, giebt in zuverlässigster Weise kleine biographische Notizen über alle in den Briefen vorübergleitenden Persön¬ lichkeiten und unterstützt diejenigen Leser, die sich in das Kunst- und Literatur- lcben der zwanziger Jahre unsers Jahrhunderts zurückversetzen »vollen. Nicht bloß auf dem Gebiete der Malerei erscheint Julius Schmorr als ein geborner Vorkämpfer des Echten, Großen, gesund Tüchtigen, als geborner Gegner krank¬ hafter Richtungen und modischer Fratzen. Man lese, was er S. 227 über die weibliche Kritik im damaligen (Schornschen) „Kunstblatt" schreibt, mit welcher kräftigen Nichtachtung er sich S. 268 über die dramatischen Fratzen Houwalds und Müllners (die 1823 bis Rom gelangt waren) ausspricht, mit welcher Wärme er S. 497 Deutschland und deutsches Geistesleben gegen Qucmdts etwas verwaschene und traditionelle Bewunderung Italiens verteidigt, und man wird empfinden, welch eine ganze und große Persönlichkeit hinter diesen Briefen steht. Nicht ohne Schmerz aber wird man sich auch eingestehen, daß die Stellung und Geltung einer solchen Persönlichkeit in den hinter uns liegenden Zeiten denn doch eine andre, unendlich günstigere war als heute. Das Hebbelschc Epigramm: Lumpe giebt es beständig, doch scheiden sich darnach die Zeiten, Ob man sie rühmt und betlascht oder sie nötigt zur Scham!

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_200104/389>, abgerufen am 22.07.2024.