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Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Erstes Vierteljahr.

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Punkten geändert werde. Zuvörderst müßte der § 470 der Zivilprozeßordnung,
welcher dem Amtsrichter bei Feststellung des Prozeßstoffes die vollste Willkür
in die Hand giebt, dahin geändert werden, daß der Thatbestand des Rechtsstreites,
soweit nicht dafür auf Schriften der Parteien Bezug genommen werden kann,
sofort durch das Terminsprotokoll festgestellt werde. Bei einer ausgedehnteren
Zuständigkeit wäre das Pcischatum des gegenwärtige,, amtsgerichtlichen Prozesses
vollends unerträglich. Sodann müßte bei den Amtsgerichten der Selbstbetrieb
des Prozesses durch die Parteien fallen. Für ein Verfahren, das darauf be¬
rechnet ist, auch ohne Anwalt von den Parteien geführt zu werden, hat dieser
Selbstbetrieb keinen Sinn.

Wenn in dieser Weise den Anwälten wieder ein gebührendes Einkommen
gesichert wird und durch Verminderung der Zahl der Richter die Kosten der
Rechtspflege wieder in ein angemessenes Verhältnis zu ihren Leistungen gebracht
sein werden, dann werden damit die Hauptgründe, die man jetzt eiuer Minderung
der Prvzeßgcbühren entgegensetzen kann, beseitigt sein. Bleibt der gegenwärtige
Zustand mit seinen hohen Kosten, so wird sich im deutscheu Volke mehr und
mehr der Glaube festsetzen, daß die Justiz weniger auf das Wohlergehen als
auf die Nusbeutuug der Menschen berechnet sei.




Gin englischer Taktiker über den deutsch-französischen
Krieg.

usre Vettern jenseits des Kanals haben es uns gegenüber ziemlich
häusig an verwandtschaftlicher Gesinnung fehlen lassen, und uicht
zum wenigsten hatten wir uns über ihre verdächtige Haltung zu
beklagen während des schweren Waffenganges, der zwischen uns
und unserm Erbfeinde jenseits der Vogesen entschied. Es gab gewiß
nicht wenige in den vereinigten Königreichen, welche eine deutsche Niederlage
nicht nur erwarteten, sondern wünschten, und das ist umso erstaunlicher, als die
Franzosen auch den Engländern seit Jahrhunderten als Erbfeinde galten,
während sich zwischen Großbritannien und Deutschland niemals im Laufe der
Geschichte ernstliche Reibungen ereignet haben.

Anderseits muß anerkannt werden, daß die Engländer allen übrigen
Nationen vorangingen, den Deutschen volle Gerechtigkeit widerfahren zu lassen,
nachdem diese ihre Überlegenheit über das Volk, das sich für das erste der Welt


Punkten geändert werde. Zuvörderst müßte der § 470 der Zivilprozeßordnung,
welcher dem Amtsrichter bei Feststellung des Prozeßstoffes die vollste Willkür
in die Hand giebt, dahin geändert werden, daß der Thatbestand des Rechtsstreites,
soweit nicht dafür auf Schriften der Parteien Bezug genommen werden kann,
sofort durch das Terminsprotokoll festgestellt werde. Bei einer ausgedehnteren
Zuständigkeit wäre das Pcischatum des gegenwärtige,, amtsgerichtlichen Prozesses
vollends unerträglich. Sodann müßte bei den Amtsgerichten der Selbstbetrieb
des Prozesses durch die Parteien fallen. Für ein Verfahren, das darauf be¬
rechnet ist, auch ohne Anwalt von den Parteien geführt zu werden, hat dieser
Selbstbetrieb keinen Sinn.

Wenn in dieser Weise den Anwälten wieder ein gebührendes Einkommen
gesichert wird und durch Verminderung der Zahl der Richter die Kosten der
Rechtspflege wieder in ein angemessenes Verhältnis zu ihren Leistungen gebracht
sein werden, dann werden damit die Hauptgründe, die man jetzt eiuer Minderung
der Prvzeßgcbühren entgegensetzen kann, beseitigt sein. Bleibt der gegenwärtige
Zustand mit seinen hohen Kosten, so wird sich im deutscheu Volke mehr und
mehr der Glaube festsetzen, daß die Justiz weniger auf das Wohlergehen als
auf die Nusbeutuug der Menschen berechnet sei.




Gin englischer Taktiker über den deutsch-französischen
Krieg.

usre Vettern jenseits des Kanals haben es uns gegenüber ziemlich
häusig an verwandtschaftlicher Gesinnung fehlen lassen, und uicht
zum wenigsten hatten wir uns über ihre verdächtige Haltung zu
beklagen während des schweren Waffenganges, der zwischen uns
und unserm Erbfeinde jenseits der Vogesen entschied. Es gab gewiß
nicht wenige in den vereinigten Königreichen, welche eine deutsche Niederlage
nicht nur erwarteten, sondern wünschten, und das ist umso erstaunlicher, als die
Franzosen auch den Engländern seit Jahrhunderten als Erbfeinde galten,
während sich zwischen Großbritannien und Deutschland niemals im Laufe der
Geschichte ernstliche Reibungen ereignet haben.

Anderseits muß anerkannt werden, daß die Engländer allen übrigen
Nationen vorangingen, den Deutschen volle Gerechtigkeit widerfahren zu lassen,
nachdem diese ihre Überlegenheit über das Volk, das sich für das erste der Welt


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[0371] Punkten geändert werde. Zuvörderst müßte der § 470 der Zivilprozeßordnung, welcher dem Amtsrichter bei Feststellung des Prozeßstoffes die vollste Willkür in die Hand giebt, dahin geändert werden, daß der Thatbestand des Rechtsstreites, soweit nicht dafür auf Schriften der Parteien Bezug genommen werden kann, sofort durch das Terminsprotokoll festgestellt werde. Bei einer ausgedehnteren Zuständigkeit wäre das Pcischatum des gegenwärtige,, amtsgerichtlichen Prozesses vollends unerträglich. Sodann müßte bei den Amtsgerichten der Selbstbetrieb des Prozesses durch die Parteien fallen. Für ein Verfahren, das darauf be¬ rechnet ist, auch ohne Anwalt von den Parteien geführt zu werden, hat dieser Selbstbetrieb keinen Sinn. Wenn in dieser Weise den Anwälten wieder ein gebührendes Einkommen gesichert wird und durch Verminderung der Zahl der Richter die Kosten der Rechtspflege wieder in ein angemessenes Verhältnis zu ihren Leistungen gebracht sein werden, dann werden damit die Hauptgründe, die man jetzt eiuer Minderung der Prvzeßgcbühren entgegensetzen kann, beseitigt sein. Bleibt der gegenwärtige Zustand mit seinen hohen Kosten, so wird sich im deutscheu Volke mehr und mehr der Glaube festsetzen, daß die Justiz weniger auf das Wohlergehen als auf die Nusbeutuug der Menschen berechnet sei. Gin englischer Taktiker über den deutsch-französischen Krieg. usre Vettern jenseits des Kanals haben es uns gegenüber ziemlich häusig an verwandtschaftlicher Gesinnung fehlen lassen, und uicht zum wenigsten hatten wir uns über ihre verdächtige Haltung zu beklagen während des schweren Waffenganges, der zwischen uns und unserm Erbfeinde jenseits der Vogesen entschied. Es gab gewiß nicht wenige in den vereinigten Königreichen, welche eine deutsche Niederlage nicht nur erwarteten, sondern wünschten, und das ist umso erstaunlicher, als die Franzosen auch den Engländern seit Jahrhunderten als Erbfeinde galten, während sich zwischen Großbritannien und Deutschland niemals im Laufe der Geschichte ernstliche Reibungen ereignet haben. Anderseits muß anerkannt werden, daß die Engländer allen übrigen Nationen vorangingen, den Deutschen volle Gerechtigkeit widerfahren zu lassen, nachdem diese ihre Überlegenheit über das Volk, das sich für das erste der Welt

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_200104/371>, abgerufen am 03.07.2024.