Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Erstes Vierteljahr.Zu dein jüngste" Entwurf eines Pwzoßkostengesctzes, walte, im Jcihrc 1885 dagegen 4536 vorhanden. Das ergiebt eine Ver¬ Die Verminderung der Praxis der Anwälte können wir uns an folgenden Sollen nun diese Zustände in Deutschland dauernd werden? Es ist un¬ Zu dein jüngste» Entwurf eines Pwzoßkostengesctzes, walte, im Jcihrc 1885 dagegen 4536 vorhanden. Das ergiebt eine Ver¬ Die Verminderung der Praxis der Anwälte können wir uns an folgenden Sollen nun diese Zustände in Deutschland dauernd werden? Es ist un¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0367" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/200472"/> <fw type="header" place="top"> Zu dein jüngste» Entwurf eines Pwzoßkostengesctzes,</fw><lb/> <p xml:id="ID_1163" prev="#ID_1162"> walte, im Jcihrc 1885 dagegen 4536 vorhanden. Das ergiebt eine Ver¬<lb/> mehrung um 10,9 Prozent. Diese Vermehrung hat aber nicht gleichmäßig<lb/> stattgefunden. In einigen Ländern ist die Zahl der Anwälte sogar erheblich<lb/> zurückgegangen. So namentlich in Mecklenburg und Hamburg, in Sachsen und<lb/> Thüringen, auch in einigen baierischen Bezirken. Umso größer ist die Ver¬<lb/> mehrung an andern Orten gewesen. In vierzehn Oberlandesgerichtsbczirkcn hat<lb/> sich die Zahl um 33,4 Prozent, in den acht altpreußischen Provinzen allein<lb/> um 45,7 Prozent, in Berlin sogar um 79,7 Prozent vermehrt. Gleichwohl<lb/> kommt auch jetzt noch ein Anwalt in Mecklenburg schon auf 3337 Einwohner,<lb/> in Hamburg auf 3793, in Sachsen auf 5772, während in Berlin, wo die<lb/> größte Steigerung stattgefunden hat, ein Anwalt doch nur auf 8167 Einwohner<lb/> kommt. Danach scheinen auch an den Orten, wo eine Minderung eingetreten ist,<lb/> immer noch für das wirkliche Bedürfnis nicht zu wenig Anwälte vorhanden zu<lb/> sein. Endlich ist auch innerhalb der einzelnen Gerichtsbezirke die Verteilung<lb/> der Anwälte eine andre geworden. Die Anwälte haben sich nach den größern<lb/> Städten gedrängt, und das übrige Land ist von ihnen entleert. Durch diese<lb/> an einzelnen Orten eingetretene starke Konkurrenz ist natürlich die Praxis der¬<lb/> jenigen Anwälte, welche nicht ganz obenauf schwimmen, sehr vermindert; und<lb/> es ist daher sehr glaublich, daß in letzter Reihe sich Anwälte finden, die nur<lb/> wenig zu thun und deshalb auch nur wenig zu leben haben.</p><lb/> <p xml:id="ID_1164"> Die Verminderung der Praxis der Anwälte können wir uns an folgenden<lb/> Zahlen anschaulich machen. Nehmen wir an, daß die für das Jahr 1880 ge¬<lb/> meldete Zahl von Anwälten (4091) auch in dem Geschäftsjahre 1878/79 vor¬<lb/> handen gewesen sei, so fielen damals in Preußen auf einen Anwalt 511 nen<lb/> anhängig gewordene Sachen. Nach den Zahlen des Jahres 1885 fielen aber<lb/> auf einen Anwalt nur noch 216 neue Sachen. Ein gewaltiger Unterschied!</p><lb/> <p xml:id="ID_1165" next="#ID_1166"> Sollen nun diese Zustände in Deutschland dauernd werden? Es ist un¬<lb/> zweifelhaft, daß dadurch der Wert der Justiz, mindestens im Bewußtsein unsers<lb/> Volkes, mehr und mehr sinken würde. Wir Deutschen sind nun einmal nicht<lb/> so reich wie die Engländer, welche fabelhafte Summen für ihre Prozesse be¬<lb/> zahlen können. Vorzugsweise der Mittelstand und die ärmern Klassen sind<lb/> es, welche bei uns in Prozesse verfallen, und diese werden dnrch die enormen<lb/> Kosten überaus hart getroffen. Schon jetzt scheuen alle Verständigen (so<lb/> namentlich der Kaufmannsstand) einen Prozeß wie das Feuer; und man leidet<lb/> vielfach lieber Unrecht, als daß man den Gang zum Anwalt und Richter wagt.<lb/> Wenn — wie verlautet — die Gerichte sich dahin ausgesprochen haben, daß<lb/> die bestehenden Kosten nicht so hoch seien, so möchten wir — mit Verlaub zu<lb/> sagen — behaupten, daß die Gerichte als solche über diese Frage kein Urteil<lb/> haben. Sie sehen nur die Prozesse, die geführt werden, nicht aber die, welche<lb/> durch die hohen Kosten unterdrückt werden. Sie werden auch nicht die Em¬<lb/> pfindungen gewahr, mit welchen die hincingefallenen Parteien die hohen Kosten-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0367]
Zu dein jüngste» Entwurf eines Pwzoßkostengesctzes,
walte, im Jcihrc 1885 dagegen 4536 vorhanden. Das ergiebt eine Ver¬
mehrung um 10,9 Prozent. Diese Vermehrung hat aber nicht gleichmäßig
stattgefunden. In einigen Ländern ist die Zahl der Anwälte sogar erheblich
zurückgegangen. So namentlich in Mecklenburg und Hamburg, in Sachsen und
Thüringen, auch in einigen baierischen Bezirken. Umso größer ist die Ver¬
mehrung an andern Orten gewesen. In vierzehn Oberlandesgerichtsbczirkcn hat
sich die Zahl um 33,4 Prozent, in den acht altpreußischen Provinzen allein
um 45,7 Prozent, in Berlin sogar um 79,7 Prozent vermehrt. Gleichwohl
kommt auch jetzt noch ein Anwalt in Mecklenburg schon auf 3337 Einwohner,
in Hamburg auf 3793, in Sachsen auf 5772, während in Berlin, wo die
größte Steigerung stattgefunden hat, ein Anwalt doch nur auf 8167 Einwohner
kommt. Danach scheinen auch an den Orten, wo eine Minderung eingetreten ist,
immer noch für das wirkliche Bedürfnis nicht zu wenig Anwälte vorhanden zu
sein. Endlich ist auch innerhalb der einzelnen Gerichtsbezirke die Verteilung
der Anwälte eine andre geworden. Die Anwälte haben sich nach den größern
Städten gedrängt, und das übrige Land ist von ihnen entleert. Durch diese
an einzelnen Orten eingetretene starke Konkurrenz ist natürlich die Praxis der¬
jenigen Anwälte, welche nicht ganz obenauf schwimmen, sehr vermindert; und
es ist daher sehr glaublich, daß in letzter Reihe sich Anwälte finden, die nur
wenig zu thun und deshalb auch nur wenig zu leben haben.
Die Verminderung der Praxis der Anwälte können wir uns an folgenden
Zahlen anschaulich machen. Nehmen wir an, daß die für das Jahr 1880 ge¬
meldete Zahl von Anwälten (4091) auch in dem Geschäftsjahre 1878/79 vor¬
handen gewesen sei, so fielen damals in Preußen auf einen Anwalt 511 nen
anhängig gewordene Sachen. Nach den Zahlen des Jahres 1885 fielen aber
auf einen Anwalt nur noch 216 neue Sachen. Ein gewaltiger Unterschied!
Sollen nun diese Zustände in Deutschland dauernd werden? Es ist un¬
zweifelhaft, daß dadurch der Wert der Justiz, mindestens im Bewußtsein unsers
Volkes, mehr und mehr sinken würde. Wir Deutschen sind nun einmal nicht
so reich wie die Engländer, welche fabelhafte Summen für ihre Prozesse be¬
zahlen können. Vorzugsweise der Mittelstand und die ärmern Klassen sind
es, welche bei uns in Prozesse verfallen, und diese werden dnrch die enormen
Kosten überaus hart getroffen. Schon jetzt scheuen alle Verständigen (so
namentlich der Kaufmannsstand) einen Prozeß wie das Feuer; und man leidet
vielfach lieber Unrecht, als daß man den Gang zum Anwalt und Richter wagt.
Wenn — wie verlautet — die Gerichte sich dahin ausgesprochen haben, daß
die bestehenden Kosten nicht so hoch seien, so möchten wir — mit Verlaub zu
sagen — behaupten, daß die Gerichte als solche über diese Frage kein Urteil
haben. Sie sehen nur die Prozesse, die geführt werden, nicht aber die, welche
durch die hohen Kosten unterdrückt werden. Sie werden auch nicht die Em¬
pfindungen gewahr, mit welchen die hincingefallenen Parteien die hohen Kosten-
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