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Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Erstes Vierteljahr.

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Bewegungen in der katholischen Welt.

zu den vielen Abhandlungen über den Grenzstreit zwischen weltlichen und kirch¬
liche" Dingen noch eine neue hinzuzufügen. Bezüglich der zweiten Frage aber
giebt es für die Katholiken nur eine Antwort: Ob eine Angelegenheit einen
kirchlichen Charakter hat, darüber entscheidet eben der Papst. Er allein ver¬
tritt, wie es in dem Jaeobinischen Erlasse heißt, die Interessen der Kirche, das
Zentrum ist zu diesem Amte nicht berufen. Als zum erstenmale die Frage auf¬
tauchte, ob der Papst dem Zentrum empfohlen habe, für das Septenuat zu
stimmen, da lag es Wohl sehr nahe, zu untersuchen, welche Legitimation Leo XIII.
zu einem solchen Wunsche haben mochte. Man braucht nicht Katholik, sondern
nur ein gerechter, nicht vom Parteifanatismus geblendeter Feind des Reichs¬
kanzlers zu sein, um diese Legitimation für begründet zu erachten. Oder soll
man es als thöricht bezeichnen, daß bei Beurteilung der Septennatsvorlage der
Papst lieber der Autorität des Feldmarschalls Moltke als der der Abgeordneten
Windthorst, Richter und Grillenberger folgt? Der berühmte Feldherr aber hat
vor Europa wie vor dem Reichstage erklärt, daß die Ablehnung des Septennats
den Krieg bedeute, die Bewilligung aber ein wirksames Mittel zum Frieden sei.
Es ist unnötig, nochmals auf diese Erklärung hier einzugehen. Jedenfalls ist
sie von Leo XIII. für richtig befunden worden. Wie es in dem Erlasse des
Kardiualstaatssekretärs heißt, ist die Frage des Septeunats mit Fragen mora¬
lische" und kirchlichen Inhalts verknüpft, und es kann sich nur darum handeln,
nach diesen sehr deutlichen Hinweisungen deu Gedankengang des Papstes zu er¬
mitteln. Dieser ist nicht schwer zu finden, wenn man daran festhält, daß das
Septcnnat eine Stärkung des Friedens bedeutet. Denn dann darf man Wohl
sagen, auch ohne Katholik zu sein, daß es für den Papst keine höhere und
edlere Aufgabe geben könne, als das Seinige zur Erhaltung des Friedens bei¬
zutragen. Und es handelt sich hier nicht um einen lokalisirten Frieden, sondern
um die Verhinderung eines Weltbraudes. Schon einmal hat der Papst seiue
Friedcnsmission bethätigt, als er im Jahre 1885 durch sein geschicktes Ein¬
greifen dazu beitrug, daß eine, wenn auch ans geringfügigen Anlaß entstandene,
aber sehr tiefgehende und ernste Verstimmung zwischen Deutschland und Spa¬
nien zu einem friedlichen Ausgleiche gebracht und ein Krieg vermieden wurde,
der unheilvoll nicht bloß für die beteiligten Nationen, sondern für die Welt
und die Zivilisation hätte werden können. Auch jetzt wieder steht ein Krieg
von den schwersten Folgen in Aussicht, es steht in Frage, ob zwei Nationen im
Herzen Europas und berufen, vor allen andern Kultur und Menschlichkeit zu
pflegen, in blutigem Streite ihre besten Kräfte vergeuden, ihre edelsten Söhne
opfern wollen. Fürwahr, wenn hier der Papst das Seinige dazu beiträgt, der
Welt diesen blutigen Kampf zu ersparen, dann wird nur ein blinder Partei¬
fanatiker oder ein Heuchler davon reden können, daß ein fremder Souverän
sich in die innern Angelegenheiten eines Staates mische. Der friedliebende
Teil unsers Volkes wird die Berechtigung dieser Einmischung anerkennen und


Bewegungen in der katholischen Welt.

zu den vielen Abhandlungen über den Grenzstreit zwischen weltlichen und kirch¬
liche» Dingen noch eine neue hinzuzufügen. Bezüglich der zweiten Frage aber
giebt es für die Katholiken nur eine Antwort: Ob eine Angelegenheit einen
kirchlichen Charakter hat, darüber entscheidet eben der Papst. Er allein ver¬
tritt, wie es in dem Jaeobinischen Erlasse heißt, die Interessen der Kirche, das
Zentrum ist zu diesem Amte nicht berufen. Als zum erstenmale die Frage auf¬
tauchte, ob der Papst dem Zentrum empfohlen habe, für das Septenuat zu
stimmen, da lag es Wohl sehr nahe, zu untersuchen, welche Legitimation Leo XIII.
zu einem solchen Wunsche haben mochte. Man braucht nicht Katholik, sondern
nur ein gerechter, nicht vom Parteifanatismus geblendeter Feind des Reichs¬
kanzlers zu sein, um diese Legitimation für begründet zu erachten. Oder soll
man es als thöricht bezeichnen, daß bei Beurteilung der Septennatsvorlage der
Papst lieber der Autorität des Feldmarschalls Moltke als der der Abgeordneten
Windthorst, Richter und Grillenberger folgt? Der berühmte Feldherr aber hat
vor Europa wie vor dem Reichstage erklärt, daß die Ablehnung des Septennats
den Krieg bedeute, die Bewilligung aber ein wirksames Mittel zum Frieden sei.
Es ist unnötig, nochmals auf diese Erklärung hier einzugehen. Jedenfalls ist
sie von Leo XIII. für richtig befunden worden. Wie es in dem Erlasse des
Kardiualstaatssekretärs heißt, ist die Frage des Septeunats mit Fragen mora¬
lische» und kirchlichen Inhalts verknüpft, und es kann sich nur darum handeln,
nach diesen sehr deutlichen Hinweisungen deu Gedankengang des Papstes zu er¬
mitteln. Dieser ist nicht schwer zu finden, wenn man daran festhält, daß das
Septcnnat eine Stärkung des Friedens bedeutet. Denn dann darf man Wohl
sagen, auch ohne Katholik zu sein, daß es für den Papst keine höhere und
edlere Aufgabe geben könne, als das Seinige zur Erhaltung des Friedens bei¬
zutragen. Und es handelt sich hier nicht um einen lokalisirten Frieden, sondern
um die Verhinderung eines Weltbraudes. Schon einmal hat der Papst seiue
Friedcnsmission bethätigt, als er im Jahre 1885 durch sein geschicktes Ein¬
greifen dazu beitrug, daß eine, wenn auch ans geringfügigen Anlaß entstandene,
aber sehr tiefgehende und ernste Verstimmung zwischen Deutschland und Spa¬
nien zu einem friedlichen Ausgleiche gebracht und ein Krieg vermieden wurde,
der unheilvoll nicht bloß für die beteiligten Nationen, sondern für die Welt
und die Zivilisation hätte werden können. Auch jetzt wieder steht ein Krieg
von den schwersten Folgen in Aussicht, es steht in Frage, ob zwei Nationen im
Herzen Europas und berufen, vor allen andern Kultur und Menschlichkeit zu
pflegen, in blutigem Streite ihre besten Kräfte vergeuden, ihre edelsten Söhne
opfern wollen. Fürwahr, wenn hier der Papst das Seinige dazu beiträgt, der
Welt diesen blutigen Kampf zu ersparen, dann wird nur ein blinder Partei¬
fanatiker oder ein Heuchler davon reden können, daß ein fremder Souverän
sich in die innern Angelegenheiten eines Staates mische. Der friedliebende
Teil unsers Volkes wird die Berechtigung dieser Einmischung anerkennen und


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[0356] Bewegungen in der katholischen Welt. zu den vielen Abhandlungen über den Grenzstreit zwischen weltlichen und kirch¬ liche» Dingen noch eine neue hinzuzufügen. Bezüglich der zweiten Frage aber giebt es für die Katholiken nur eine Antwort: Ob eine Angelegenheit einen kirchlichen Charakter hat, darüber entscheidet eben der Papst. Er allein ver¬ tritt, wie es in dem Jaeobinischen Erlasse heißt, die Interessen der Kirche, das Zentrum ist zu diesem Amte nicht berufen. Als zum erstenmale die Frage auf¬ tauchte, ob der Papst dem Zentrum empfohlen habe, für das Septenuat zu stimmen, da lag es Wohl sehr nahe, zu untersuchen, welche Legitimation Leo XIII. zu einem solchen Wunsche haben mochte. Man braucht nicht Katholik, sondern nur ein gerechter, nicht vom Parteifanatismus geblendeter Feind des Reichs¬ kanzlers zu sein, um diese Legitimation für begründet zu erachten. Oder soll man es als thöricht bezeichnen, daß bei Beurteilung der Septennatsvorlage der Papst lieber der Autorität des Feldmarschalls Moltke als der der Abgeordneten Windthorst, Richter und Grillenberger folgt? Der berühmte Feldherr aber hat vor Europa wie vor dem Reichstage erklärt, daß die Ablehnung des Septennats den Krieg bedeute, die Bewilligung aber ein wirksames Mittel zum Frieden sei. Es ist unnötig, nochmals auf diese Erklärung hier einzugehen. Jedenfalls ist sie von Leo XIII. für richtig befunden worden. Wie es in dem Erlasse des Kardiualstaatssekretärs heißt, ist die Frage des Septeunats mit Fragen mora¬ lische» und kirchlichen Inhalts verknüpft, und es kann sich nur darum handeln, nach diesen sehr deutlichen Hinweisungen deu Gedankengang des Papstes zu er¬ mitteln. Dieser ist nicht schwer zu finden, wenn man daran festhält, daß das Septcnnat eine Stärkung des Friedens bedeutet. Denn dann darf man Wohl sagen, auch ohne Katholik zu sein, daß es für den Papst keine höhere und edlere Aufgabe geben könne, als das Seinige zur Erhaltung des Friedens bei¬ zutragen. Und es handelt sich hier nicht um einen lokalisirten Frieden, sondern um die Verhinderung eines Weltbraudes. Schon einmal hat der Papst seiue Friedcnsmission bethätigt, als er im Jahre 1885 durch sein geschicktes Ein¬ greifen dazu beitrug, daß eine, wenn auch ans geringfügigen Anlaß entstandene, aber sehr tiefgehende und ernste Verstimmung zwischen Deutschland und Spa¬ nien zu einem friedlichen Ausgleiche gebracht und ein Krieg vermieden wurde, der unheilvoll nicht bloß für die beteiligten Nationen, sondern für die Welt und die Zivilisation hätte werden können. Auch jetzt wieder steht ein Krieg von den schwersten Folgen in Aussicht, es steht in Frage, ob zwei Nationen im Herzen Europas und berufen, vor allen andern Kultur und Menschlichkeit zu pflegen, in blutigem Streite ihre besten Kräfte vergeuden, ihre edelsten Söhne opfern wollen. Fürwahr, wenn hier der Papst das Seinige dazu beiträgt, der Welt diesen blutigen Kampf zu ersparen, dann wird nur ein blinder Partei¬ fanatiker oder ein Heuchler davon reden können, daß ein fremder Souverän sich in die innern Angelegenheiten eines Staates mische. Der friedliebende Teil unsers Volkes wird die Berechtigung dieser Einmischung anerkennen und

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_200104/356>, abgerufen am 22.07.2024.