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Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Erstes Vierteljahr.

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Gespenster.

O, ich fürchte mich vor keinem Verhör.


Helene.

Als Dritter. o: Sagen Sie, was halten Sie von ihrer verheirateten
Schwester?

D Helene. er Kammerrätin? O es ist die beste, liebste Frau von der
Welt, etwas ängstlich und schüchtern, aber gerade weil sie so edel und wacker
ist, so viel besser, als andre Menschen. Solch eine Mutter und Frau und
dabei so treu anhänglich an die Familie --

H Dritter. in! Was ist das nun wohl für eine Ehe, eine aus Kon-
venienz oder aus Liebe?

Wi Helene. e können Sie hier mit solchen Unterscheidungen kommen, das
Paßt ja auf diesen Fall garnicht.

Wi Dritter. e vielleicht auf die meisten. Aber Sie sind trotzdem überzeugt,
daß die Ehe glücklich ist.


Helene
(lacht).

Das wissen Sie doch selbst.

Wi Dritter. r könnten uns beide täuschen; die ganze Welt könnte sich
täuschen. Denken Sie an die Gespenster! Es könnte ja sein, daß der Herr
Kammerrat auch solch ein sauberer Herr Gemahl --

(mit blitzenden Augen).
N
Helene ein, das könnte nicht sein, weil ich einen
solchen Wicht niederschießen würde --

Dritter. Es ist hier nicht die Frage, was Sie thun würden, mein mutiges
Philosophisches Fräulein, sondern was Ihre Frau Schwester thun würde, die
ja, wie Sie selbst sagten, etwas schüchtern und ängstlich ist, die vor dem offenen
Bruch zurttckbebt, die auf die Kinder Rücksicht nimmt, auf die Familie, die den
Skandal vermeiden --

Helene. Nun hören Sie auf! Das trauen Sie meiner Schwester zu?
Gerade weil sie schüchtern und ängstlich ist, würde sie schon im ersten Augen¬
blick das Haus verlassen haben.

J Dritter. a, um zu irgend einer Jugendflamme zu gehen, sich der ein
die Brust zu werfen und zu sagen: "Da bin ich!"

Helene. Ach, ich merke schon, Sie wolle" mich schrauben. Aber ich habe
Ihnen schon gesagt, der Vergleich jener Ehe in den Gespenstern mit der Ehe
meiner Schwester trifft erstens garnicht zu, und zweitens ist meine Schwester
eine ganz andre Frau.

D
Dritter. as glaube ich. Aber nun ruft jemand -- nicht ich, sondern
ein Bewunderer des großen Dichters --: Seht, seht, die scheinheiligen, die
Pharisäer, wie sie die Augen verdrehen und jeder sagt: Wir sind nicht so. Ja
vielleicht andre! Aber wir, z. B. ich --

Helene. Ich will Ihnen zugeben, daß der Fall in jenem Drama ganz
besonders schroff gewählt ist. Aber das muß eben der Dichter, um eindringlich
SU sein. Wenn auch nicht ganz genau so, so geht's doch oft ganz ähnlich zu,
wenn auch nicht ganz so schlimm, so doch schlimm genug.


Gespenster.

O, ich fürchte mich vor keinem Verhör.


Helene.

Als Dritter. o: Sagen Sie, was halten Sie von ihrer verheirateten
Schwester?

D Helene. er Kammerrätin? O es ist die beste, liebste Frau von der
Welt, etwas ängstlich und schüchtern, aber gerade weil sie so edel und wacker
ist, so viel besser, als andre Menschen. Solch eine Mutter und Frau und
dabei so treu anhänglich an die Familie —

H Dritter. in! Was ist das nun wohl für eine Ehe, eine aus Kon-
venienz oder aus Liebe?

Wi Helene. e können Sie hier mit solchen Unterscheidungen kommen, das
Paßt ja auf diesen Fall garnicht.

Wi Dritter. e vielleicht auf die meisten. Aber Sie sind trotzdem überzeugt,
daß die Ehe glücklich ist.


Helene
(lacht).

Das wissen Sie doch selbst.

Wi Dritter. r könnten uns beide täuschen; die ganze Welt könnte sich
täuschen. Denken Sie an die Gespenster! Es könnte ja sein, daß der Herr
Kammerrat auch solch ein sauberer Herr Gemahl —

(mit blitzenden Augen).
N
Helene ein, das könnte nicht sein, weil ich einen
solchen Wicht niederschießen würde —

Dritter. Es ist hier nicht die Frage, was Sie thun würden, mein mutiges
Philosophisches Fräulein, sondern was Ihre Frau Schwester thun würde, die
ja, wie Sie selbst sagten, etwas schüchtern und ängstlich ist, die vor dem offenen
Bruch zurttckbebt, die auf die Kinder Rücksicht nimmt, auf die Familie, die den
Skandal vermeiden —

Helene. Nun hören Sie auf! Das trauen Sie meiner Schwester zu?
Gerade weil sie schüchtern und ängstlich ist, würde sie schon im ersten Augen¬
blick das Haus verlassen haben.

J Dritter. a, um zu irgend einer Jugendflamme zu gehen, sich der ein
die Brust zu werfen und zu sagen: „Da bin ich!"

Helene. Ach, ich merke schon, Sie wolle» mich schrauben. Aber ich habe
Ihnen schon gesagt, der Vergleich jener Ehe in den Gespenstern mit der Ehe
meiner Schwester trifft erstens garnicht zu, und zweitens ist meine Schwester
eine ganz andre Frau.

D
Dritter. as glaube ich. Aber nun ruft jemand — nicht ich, sondern
ein Bewunderer des großen Dichters —: Seht, seht, die scheinheiligen, die
Pharisäer, wie sie die Augen verdrehen und jeder sagt: Wir sind nicht so. Ja
vielleicht andre! Aber wir, z. B. ich —

Helene. Ich will Ihnen zugeben, daß der Fall in jenem Drama ganz
besonders schroff gewählt ist. Aber das muß eben der Dichter, um eindringlich
SU sein. Wenn auch nicht ganz genau so, so geht's doch oft ganz ähnlich zu,
wenn auch nicht ganz so schlimm, so doch schlimm genug.


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[0333] Gespenster. O, ich fürchte mich vor keinem Verhör. Helene. Als Dritter. o: Sagen Sie, was halten Sie von ihrer verheirateten Schwester? D Helene. er Kammerrätin? O es ist die beste, liebste Frau von der Welt, etwas ängstlich und schüchtern, aber gerade weil sie so edel und wacker ist, so viel besser, als andre Menschen. Solch eine Mutter und Frau und dabei so treu anhänglich an die Familie — H Dritter. in! Was ist das nun wohl für eine Ehe, eine aus Kon- venienz oder aus Liebe? Wi Helene. e können Sie hier mit solchen Unterscheidungen kommen, das Paßt ja auf diesen Fall garnicht. Wi Dritter. e vielleicht auf die meisten. Aber Sie sind trotzdem überzeugt, daß die Ehe glücklich ist. Helene (lacht). Das wissen Sie doch selbst. Wi Dritter. r könnten uns beide täuschen; die ganze Welt könnte sich täuschen. Denken Sie an die Gespenster! Es könnte ja sein, daß der Herr Kammerrat auch solch ein sauberer Herr Gemahl — (mit blitzenden Augen). N Helene ein, das könnte nicht sein, weil ich einen solchen Wicht niederschießen würde — Dritter. Es ist hier nicht die Frage, was Sie thun würden, mein mutiges Philosophisches Fräulein, sondern was Ihre Frau Schwester thun würde, die ja, wie Sie selbst sagten, etwas schüchtern und ängstlich ist, die vor dem offenen Bruch zurttckbebt, die auf die Kinder Rücksicht nimmt, auf die Familie, die den Skandal vermeiden — Helene. Nun hören Sie auf! Das trauen Sie meiner Schwester zu? Gerade weil sie schüchtern und ängstlich ist, würde sie schon im ersten Augen¬ blick das Haus verlassen haben. J Dritter. a, um zu irgend einer Jugendflamme zu gehen, sich der ein die Brust zu werfen und zu sagen: „Da bin ich!" Helene. Ach, ich merke schon, Sie wolle» mich schrauben. Aber ich habe Ihnen schon gesagt, der Vergleich jener Ehe in den Gespenstern mit der Ehe meiner Schwester trifft erstens garnicht zu, und zweitens ist meine Schwester eine ganz andre Frau. D Dritter. as glaube ich. Aber nun ruft jemand — nicht ich, sondern ein Bewunderer des großen Dichters —: Seht, seht, die scheinheiligen, die Pharisäer, wie sie die Augen verdrehen und jeder sagt: Wir sind nicht so. Ja vielleicht andre! Aber wir, z. B. ich — Helene. Ich will Ihnen zugeben, daß der Fall in jenem Drama ganz besonders schroff gewählt ist. Aber das muß eben der Dichter, um eindringlich SU sein. Wenn auch nicht ganz genau so, so geht's doch oft ganz ähnlich zu, wenn auch nicht ganz so schlimm, so doch schlimm genug.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_200104/333>, abgerufen am 22.07.2024.