Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Erstes Vierteljahr.In den Tagen des Kampfes. jene Erzählung für bösliche Erfindung gehalten haben, wenn sie nicht aus Denn im übrigen lischen die Herren ihre alte verlegene Waare auf, machen Da sah unser Wilhelm Rexe Herr Richter thut ihm leid deswegen, daß er immer in seiner, Windthorsts, Grenzboten I. 1387. 37
In den Tagen des Kampfes. jene Erzählung für bösliche Erfindung gehalten haben, wenn sie nicht aus Denn im übrigen lischen die Herren ihre alte verlegene Waare auf, machen Da sah unser Wilhelm Rexe Herr Richter thut ihm leid deswegen, daß er immer in seiner, Windthorsts, Grenzboten I. 1387. 37
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In den Tagen des Kampfes.
jene Erzählung für bösliche Erfindung gehalten haben, wenn sie nicht aus
Blättern stammte, die dem Redner nahestehen. Daß er mit solchem Aberwitz
donnernden Beifall entfesselt habe, glauben wir schon eher: in jeder großen
öffentlichen Versammlung giebt es ja eine, wenn auch nicht räumlich getrennte,
Galerie des Janhagels, welche die Leistungen der ärgsten Kulissenreißer mit
Stampfen und Johlen begleitet. Indessen werde» doch auch andre Leute zngegen-
gewcscn sein: sollten die gar keine Empfindung dafür haben, wie beleidigend es
ist, wenn Herr Richter meint, ihrem beschränkten Freisinnigenverstaude der¬
gleichen bieten zu dürfen? Und Herr Virchow! Eine so lächerliche Figur er
als Politiker vorstellt, dauert er uus doch in seiner Eigenschaft als Gelehrter.
Sich anpreisen lassen zu müssen wie der starke Mann oder das Kalb mit zwei
Köpfen auf der Leipziger Messe! „Ich bin kein Kliniker," schrieb er vor
mehreren Jahrzehnten, um eine mißglückte Publikation zu entschuldigen, und
nun heilt er die Wunden, die andre, natürlich Feldmarschall Moltke, schlägt,
und als Chirurg, der er nicht ist, muß er in den Reichstag, anstatt Moltkes!
Diese Szene im Tivoli darf nicht in den Tagesblättern verloren gehen, sie muß
registrirt werden zur Charakteristik der diesmalige» Wahlkämpfe, und weil wir
schon wiederholt erlebt haben, daß ähnliche Schlagwörter hinterdrein dreist ab¬
geleugnet wurden. Dieses hat wenigstens das Verdienst der Neuheit für sich.
Denn im übrigen lischen die Herren ihre alte verlegene Waare auf, machen
auch gelegentlich Anleihen in gleicher Qualität. Herr Richter deckt wieder mit
seinem Leibe die armen Hohenzollern gegen den heimtückischen Kanzler. Der
groteske Einfall, die Wilhelme und Friedriche mit den Chilperichs und Chil-
derichs zu vergleiche», ist dem geistreiche» Herr» schon einmal schlecht bekommen,
aber es scheint ihm garnichts andres mehr eingefallen zu sein als Hausmcier
und Monopol. Herr Windthorst aber, der gewiegte, feine Diplomat, versuchte
wieder besonders glücklich bei diesem Anlaß den Kronprinzen als geheimen Pro¬
tektor der freisinnigen Brüderschaft auszuspielen. Denn es ist ja so glaub¬
würdig, daß der Sieger von China, Weißenburg, Wörth ?e. mit denen sym-
pathisiren muß, die das Heer uuter parlamentarische Oberhoheit bringen mochten.
Und einem Freiherrn, einem Oberbürgermeister, einem Geheimrat könne man
doch nicht destruktive Tendenzen zutrauen! So unschuldig ist der alte Herr,
er weiß garnicht, daß es selbst Exzellenzen giebt, die aus solchen Ten¬
denzen kaum ein Hehl machen! Und nun vollends der Meisterzug des Ministers
in xg.rtidu8, von dem aktiven Minister Scholz die Erklärung zu fordern, ob
derselbe sür alle Ewigkeit auf Monopole verzichte oder nicht? Dachte er dabei
an Bencdetti und jenen 13. Juli in Ems? Die Stellung der bei»del»den Per¬
sonen zu einander war ja in beiden Fällen ungefähr gleich, und auch das schöne
Lied von damals könnte mit angemessenen Veränderungen wieder gesungen werden:
Da sah unser Wilhelm Rexe
Sich das klägliche Gewächse
Mit den Königsaugen an.
Herr Richter thut ihm leid deswegen, daß er immer in seiner, Windthorsts,
Gesellschaft genannt wird. Die Empfindung ist menschlich — wer möchte sich
auch wünschen, als sein Kompagnon angesehen zu werden! —, aber in diesem
Falle ebensowenig am Platze, als wenn Herr Richter eben deswegen Herrn
Windthorst bemitleiden wollte: sie sind einander wert, und es würde schwer sein,
ein besser passendes Gespann zu finden.
Grenzboten I. 1387. 37
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