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Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Erstes Vierteljahr.

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Martin Salander.

saubern Gesellen sich so rein als nur möglich zu halten das Bedürfnis fühlt
und künstlerisch diese Gestalten fast zu kurz kommen läßt.

Im Mittelpunkte der Erzählung stehen der ehrenwerte Münsterburger
Bürger und Handelsherr Martin Salander mit seiner herrlichen Frau Marie,
den Töchtern Sekel und Nelli und dem Sohne Arnold. Das ist eine Familie
so recht vom tüchtigen schweizer Menschenschlag, aus der Mitte des Bürgertums,
weder zu hoch noch zu tief gestellt. Martin Salander ist nichts weniger als
ein sogenannter Nomcmheld. Von Haus aus ein bescheidner Schulmeister, zwang
ihn die frühe Ehe, nach einem größern Einkommen zu trachten. Da er ein
thätiger Mensch war, pflichteifrig, mutig, mit offenen Sinnen, so glückte es ihm
anfänglich recht leidlich, bis ihn eine unkluge Bürgschaft in den Bankerott eines
schurkischen Jugendgenossen mithineinriß und um das Vermögen brachte. Dieser
Jugendfreund, gleichfalls Schulmeister von Beruf, Louis Wvhlwend, soll noch
später die Wege des gutmütigen Salander unglücklich kreuzen. Nach seinem
Unglück ging Martin nach Brasilien hinüber, wo es ihm nach siebenjähriger
Thätigkeit gelang, sich ein Vermögen von etwa hundertsiebzigtausend Franken
zu erwerben. Während dieser Zeit lebte seine Frau mit den im zartesten
Jugendalter von drei bis ein Jahren verlassenen Kindern von einer kleinen
Milch- und Kaffeewirtschaft, die sie sich auf einem beliebten Aussichtspunkte in
nächster Nähe Münsterburgs eingerichtet hatte. Sie lebte so sparsam, daß sie
von ihrem Gatten keinerlei Zuschuß verlangte, damit er durch Zusammenhalten
seines erworbenen Kapitals umso rascher vorwärts kommen könne. Allein die
sich immer mehr ausdehnende Stadt legte auch an das kleine Gehölz der
Salanderschen Milchwirtschaft die Axt, und mit den gefällten Bäumen kam auch
das Geschäft an den Ruin. Am Ende der sieben Jahre steht Marie Salander
mit den drei Kindern vor dem nackten, hungrigen Elend. Da gerade in der
ersten Nacht, in der die Familie "ungegessen schlafen" (S. 41) gehen soll, kehrt
Martin endlich heim. Allein kaum angekommen -- und damit wird die Er¬
zählung eröffnet --, muß er das fürchterlichste erfahren, daß ihn eben jener
Wvhlwend, wie schon früher einmal, so auch jetzt wieder um die Früchte seiner sieben-
jährigen angestrengten Arbeit betrogen, ja geradezu ihrer beraubt hat. Salander
hatte nämlich sein ganzes Vermögen bei einer Bank in Rio de Janeiro hinterlegt,
welche ihm dafür einen Chen auf das mit ihr geschäftlich verbundene Münster¬
burger Haus Xaverius Schadenmüllcr und Kompagnie ausstellte. Gleich beim
Eintritt in die heimatliche Stadt erfährt Salander von einem jener Allerwelts-
frennde, die nichts thun, als sich um die Sachen der andern kümmern und
auf Neuigkeiten Jagd machen, von einem gewissen Moni Wighart, daß hinter
der Firma Schadenmüller kein andrer als Wvhlwend stecke, ein Mann halb
Narr, h^h Gauner, und daß dieser gerade wieder in Konkurs geraten sei.
Salander beeilt sich, diesen Wohlwend aufzusuchen, ihn zur Anerkennung der in
Rio ausgestellten Anweisung zu veranlassen, durch einen Rechtsanwalt die An-


Martin Salander.

saubern Gesellen sich so rein als nur möglich zu halten das Bedürfnis fühlt
und künstlerisch diese Gestalten fast zu kurz kommen läßt.

Im Mittelpunkte der Erzählung stehen der ehrenwerte Münsterburger
Bürger und Handelsherr Martin Salander mit seiner herrlichen Frau Marie,
den Töchtern Sekel und Nelli und dem Sohne Arnold. Das ist eine Familie
so recht vom tüchtigen schweizer Menschenschlag, aus der Mitte des Bürgertums,
weder zu hoch noch zu tief gestellt. Martin Salander ist nichts weniger als
ein sogenannter Nomcmheld. Von Haus aus ein bescheidner Schulmeister, zwang
ihn die frühe Ehe, nach einem größern Einkommen zu trachten. Da er ein
thätiger Mensch war, pflichteifrig, mutig, mit offenen Sinnen, so glückte es ihm
anfänglich recht leidlich, bis ihn eine unkluge Bürgschaft in den Bankerott eines
schurkischen Jugendgenossen mithineinriß und um das Vermögen brachte. Dieser
Jugendfreund, gleichfalls Schulmeister von Beruf, Louis Wvhlwend, soll noch
später die Wege des gutmütigen Salander unglücklich kreuzen. Nach seinem
Unglück ging Martin nach Brasilien hinüber, wo es ihm nach siebenjähriger
Thätigkeit gelang, sich ein Vermögen von etwa hundertsiebzigtausend Franken
zu erwerben. Während dieser Zeit lebte seine Frau mit den im zartesten
Jugendalter von drei bis ein Jahren verlassenen Kindern von einer kleinen
Milch- und Kaffeewirtschaft, die sie sich auf einem beliebten Aussichtspunkte in
nächster Nähe Münsterburgs eingerichtet hatte. Sie lebte so sparsam, daß sie
von ihrem Gatten keinerlei Zuschuß verlangte, damit er durch Zusammenhalten
seines erworbenen Kapitals umso rascher vorwärts kommen könne. Allein die
sich immer mehr ausdehnende Stadt legte auch an das kleine Gehölz der
Salanderschen Milchwirtschaft die Axt, und mit den gefällten Bäumen kam auch
das Geschäft an den Ruin. Am Ende der sieben Jahre steht Marie Salander
mit den drei Kindern vor dem nackten, hungrigen Elend. Da gerade in der
ersten Nacht, in der die Familie „ungegessen schlafen" (S. 41) gehen soll, kehrt
Martin endlich heim. Allein kaum angekommen — und damit wird die Er¬
zählung eröffnet —, muß er das fürchterlichste erfahren, daß ihn eben jener
Wvhlwend, wie schon früher einmal, so auch jetzt wieder um die Früchte seiner sieben-
jährigen angestrengten Arbeit betrogen, ja geradezu ihrer beraubt hat. Salander
hatte nämlich sein ganzes Vermögen bei einer Bank in Rio de Janeiro hinterlegt,
welche ihm dafür einen Chen auf das mit ihr geschäftlich verbundene Münster¬
burger Haus Xaverius Schadenmüllcr und Kompagnie ausstellte. Gleich beim
Eintritt in die heimatliche Stadt erfährt Salander von einem jener Allerwelts-
frennde, die nichts thun, als sich um die Sachen der andern kümmern und
auf Neuigkeiten Jagd machen, von einem gewissen Moni Wighart, daß hinter
der Firma Schadenmüller kein andrer als Wvhlwend stecke, ein Mann halb
Narr, h^h Gauner, und daß dieser gerade wieder in Konkurs geraten sei.
Salander beeilt sich, diesen Wohlwend aufzusuchen, ihn zur Anerkennung der in
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[0283] Martin Salander. saubern Gesellen sich so rein als nur möglich zu halten das Bedürfnis fühlt und künstlerisch diese Gestalten fast zu kurz kommen läßt. Im Mittelpunkte der Erzählung stehen der ehrenwerte Münsterburger Bürger und Handelsherr Martin Salander mit seiner herrlichen Frau Marie, den Töchtern Sekel und Nelli und dem Sohne Arnold. Das ist eine Familie so recht vom tüchtigen schweizer Menschenschlag, aus der Mitte des Bürgertums, weder zu hoch noch zu tief gestellt. Martin Salander ist nichts weniger als ein sogenannter Nomcmheld. Von Haus aus ein bescheidner Schulmeister, zwang ihn die frühe Ehe, nach einem größern Einkommen zu trachten. Da er ein thätiger Mensch war, pflichteifrig, mutig, mit offenen Sinnen, so glückte es ihm anfänglich recht leidlich, bis ihn eine unkluge Bürgschaft in den Bankerott eines schurkischen Jugendgenossen mithineinriß und um das Vermögen brachte. Dieser Jugendfreund, gleichfalls Schulmeister von Beruf, Louis Wvhlwend, soll noch später die Wege des gutmütigen Salander unglücklich kreuzen. Nach seinem Unglück ging Martin nach Brasilien hinüber, wo es ihm nach siebenjähriger Thätigkeit gelang, sich ein Vermögen von etwa hundertsiebzigtausend Franken zu erwerben. Während dieser Zeit lebte seine Frau mit den im zartesten Jugendalter von drei bis ein Jahren verlassenen Kindern von einer kleinen Milch- und Kaffeewirtschaft, die sie sich auf einem beliebten Aussichtspunkte in nächster Nähe Münsterburgs eingerichtet hatte. Sie lebte so sparsam, daß sie von ihrem Gatten keinerlei Zuschuß verlangte, damit er durch Zusammenhalten seines erworbenen Kapitals umso rascher vorwärts kommen könne. Allein die sich immer mehr ausdehnende Stadt legte auch an das kleine Gehölz der Salanderschen Milchwirtschaft die Axt, und mit den gefällten Bäumen kam auch das Geschäft an den Ruin. Am Ende der sieben Jahre steht Marie Salander mit den drei Kindern vor dem nackten, hungrigen Elend. Da gerade in der ersten Nacht, in der die Familie „ungegessen schlafen" (S. 41) gehen soll, kehrt Martin endlich heim. Allein kaum angekommen — und damit wird die Er¬ zählung eröffnet —, muß er das fürchterlichste erfahren, daß ihn eben jener Wvhlwend, wie schon früher einmal, so auch jetzt wieder um die Früchte seiner sieben- jährigen angestrengten Arbeit betrogen, ja geradezu ihrer beraubt hat. Salander hatte nämlich sein ganzes Vermögen bei einer Bank in Rio de Janeiro hinterlegt, welche ihm dafür einen Chen auf das mit ihr geschäftlich verbundene Münster¬ burger Haus Xaverius Schadenmüllcr und Kompagnie ausstellte. Gleich beim Eintritt in die heimatliche Stadt erfährt Salander von einem jener Allerwelts- frennde, die nichts thun, als sich um die Sachen der andern kümmern und auf Neuigkeiten Jagd machen, von einem gewissen Moni Wighart, daß hinter der Firma Schadenmüller kein andrer als Wvhlwend stecke, ein Mann halb Narr, h^h Gauner, und daß dieser gerade wieder in Konkurs geraten sei. Salander beeilt sich, diesen Wohlwend aufzusuchen, ihn zur Anerkennung der in Rio ausgestellten Anweisung zu veranlassen, durch einen Rechtsanwalt die An-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_200104/283>, abgerufen am 22.07.2024.