Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Erstes Vierteljahr.Jugenderinnerungen. dessen Thür die früher eingetroffenen Eltern unser scholl sehnsüchtig 2. Meine Großeltern mütterlicherseits wohnten in einem großen Giebelhause Unser plötzlicher Umzug vom Lande in die Stadt machte einen tiefen Ein¬ Jugenderinnerungen. dessen Thür die früher eingetroffenen Eltern unser scholl sehnsüchtig 2. Meine Großeltern mütterlicherseits wohnten in einem großen Giebelhause Unser plötzlicher Umzug vom Lande in die Stadt machte einen tiefen Ein¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0253" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/200358"/> <fw type="header" place="top"> Jugenderinnerungen.</fw><lb/> <p xml:id="ID_764" prev="#ID_763"> dessen Thür die früher eingetroffenen Eltern unser scholl sehnsüchtig<lb/> harrten.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> <div n="2"> <head> 2.</head><lb/> <p xml:id="ID_765"> Meine Großeltern mütterlicherseits wohnten in einem großen Giebelhause<lb/> auf der Neustadt. Es ist dies ein marktähnlicher Platz an der Ostseite der<lb/> Stadt, welcher sich gegen Süden zur Böttchergassc verlängert. Zwei Brunnen<lb/> mit stets fließendem Wasser, gewöhnlich „Rohrhütten" genannt, schmückten den<lb/> Platz und konnten auch für eine Art architektonischer Zier gelten, da aus der<lb/> Mitte derselbe» erträglich gemeißelte Sandsteinfiguren emporragten. Eine der¬<lb/> selben stellt den Neptun mit erhobenem Dreizack vor. Zwischen diesen Brunnen<lb/> lag die Hauptwache, im Süden derselbe» schließt der Marstall, der auch als<lb/> städtisches Getreidemagazi» benutzt wurde und die Dienstwohnung des Kämmerci-<lb/> verwaltcrs enthielt, die Neustadt ab.</p><lb/> <p xml:id="ID_766"> Unser plötzlicher Umzug vom Lande in die Stadt machte einen tiefen Ein¬<lb/> druck auf mich, weil sich damit eine ganz neue, ungewohnte Lebensweise ver¬<lb/> knüpfte. Daheim gehörte uns nicht bloß ein großes Haus, sondern auch aus¬<lb/> gedehnte Gärten mit daran grenzenden Wiesen und Feldern, ans denen wir<lb/> uns nach Herzenslust tummeln konnte». Bei den Großeltern waren wir auf<lb/> ein abgeschlossenes Stockwerk beschränkt, das zwar keineswegs eng genannt<lb/> werden konnte, für unsre gewohnte Art zu sein aber sich doch nicht recht eignete.<lb/> Ich und nieine jüngere Schwester fühlten uus deshalb in diese» beschräickte»<lb/> Nummer, zumal da uns alles Lärmen wegen der Großeltern wie »»fers Schwer¬<lb/> kranke» Bruders Wege» streiig untersagt wurde, uicht soiiderlich behaglich. Nur das<lb/> stets heitere Wesen der Großmutter, einer kleinen, sehr zierlichen und ungeachtet<lb/> ihres Alters noch äußerst beweglichen Frau, sprach mich an. In ihrer Gesell¬<lb/> schaft durfte ich immer sei», wenn die Pflege des kranken Bruders die Mutter<lb/> in Anspruch nahm. Sie plauderte unablässig mit mir, während sie an, Fenster<lb/> sitzend flink die Stricknadeln rührte, erzählte Märchen oder kleine Geschichten<lb/> und lachte über die mancherlei Eulenspiegeleien, die ich trieb und z» denen ihre<lb/> Lustigkeit mich nur noch mehr anspornte. (Fortsetzung folgt.)</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0253]
Jugenderinnerungen.
dessen Thür die früher eingetroffenen Eltern unser scholl sehnsüchtig
harrten.
2.
Meine Großeltern mütterlicherseits wohnten in einem großen Giebelhause
auf der Neustadt. Es ist dies ein marktähnlicher Platz an der Ostseite der
Stadt, welcher sich gegen Süden zur Böttchergassc verlängert. Zwei Brunnen
mit stets fließendem Wasser, gewöhnlich „Rohrhütten" genannt, schmückten den
Platz und konnten auch für eine Art architektonischer Zier gelten, da aus der
Mitte derselbe» erträglich gemeißelte Sandsteinfiguren emporragten. Eine der¬
selben stellt den Neptun mit erhobenem Dreizack vor. Zwischen diesen Brunnen
lag die Hauptwache, im Süden derselbe» schließt der Marstall, der auch als
städtisches Getreidemagazi» benutzt wurde und die Dienstwohnung des Kämmerci-
verwaltcrs enthielt, die Neustadt ab.
Unser plötzlicher Umzug vom Lande in die Stadt machte einen tiefen Ein¬
druck auf mich, weil sich damit eine ganz neue, ungewohnte Lebensweise ver¬
knüpfte. Daheim gehörte uns nicht bloß ein großes Haus, sondern auch aus¬
gedehnte Gärten mit daran grenzenden Wiesen und Feldern, ans denen wir
uns nach Herzenslust tummeln konnte». Bei den Großeltern waren wir auf
ein abgeschlossenes Stockwerk beschränkt, das zwar keineswegs eng genannt
werden konnte, für unsre gewohnte Art zu sein aber sich doch nicht recht eignete.
Ich und nieine jüngere Schwester fühlten uus deshalb in diese» beschräickte»
Nummer, zumal da uns alles Lärmen wegen der Großeltern wie »»fers Schwer¬
kranke» Bruders Wege» streiig untersagt wurde, uicht soiiderlich behaglich. Nur das
stets heitere Wesen der Großmutter, einer kleinen, sehr zierlichen und ungeachtet
ihres Alters noch äußerst beweglichen Frau, sprach mich an. In ihrer Gesell¬
schaft durfte ich immer sei», wenn die Pflege des kranken Bruders die Mutter
in Anspruch nahm. Sie plauderte unablässig mit mir, während sie an, Fenster
sitzend flink die Stricknadeln rührte, erzählte Märchen oder kleine Geschichten
und lachte über die mancherlei Eulenspiegeleien, die ich trieb und z» denen ihre
Lustigkeit mich nur noch mehr anspornte. (Fortsetzung folgt.)
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