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Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Erstes Vierteljahr.

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Jugenderinnerungen,

mcmdircnder der Truppe, mit einer Anzahl militärischer Trabanten und ver-
schiednen dienstbaren Geistern sein Absteigequartier. Infolgedessen entfaltete sich
um uns her ein militärisch buntes Leben zum großen Verdruß der Eltern, ins¬
besondre des Vaters, der in seiner Amtsthätigkeit durch den Lärm der kriegerischen
Gäste in empfindlichster Weise gestört wurde, uns Kindern aber zum höchsten
Genuß.

Schlimm geartet waren diese Polen nicht, eines im allgemeinen nicht schwer
zufrieden zu stellen. Die Mehrzahl radebrechte das Deutsche, sodaß sie sich mit
den Quartierqeberu notdürftig verständlich machen konnte. Schwieriger war der
Verkehr mit dem Oberst und den übrigen Offizieren, die sich meistenteils der
französischen Sprache bedienten, welche meinen Eltern keineswegs geläufig war.
So half man sich denn, wie es eben gehen mochte, und es ging über Erwarten
gut, da man sich auf die nötigsten Redensarten beschränkte und es stets an höflicher
Begegnung nicht fehlen ließ.

Die Qual des Vaters, der keine ruhige Stunde mehr zur Ausarbeitung
seiner Predigten fand, war die Lust für uns Kinder. Wir schlössen sehr bald
Freundschaft mit den uns zutraulich begegnenden Polen, von denen wir be¬
sonders einen Sergeanten mit schwarzem Bart, der oft zum Obersten kam, sehr
gern hatten. In seinem Schutze, begleitet von der Kindermagd, wagten wir uns
bis in die Nähe der Batterie, wenn im Feuer exerzirt wurde, was häusig ge¬
schah. Am größten aber war unsre Freude beim Ausmarschiren der Wacht-
parade. Dann erschien im geräumigen Hofraum des Pastorats das gesamte
Musikkorps mit etwa zwanzig Trommelschlägern, die auf Kommando des statt¬
lichen Tambonrmajors mit fürchterlicher Energie ihre Instrumente bearbeiteten.
Dieser Spektakel wiederholte sich an jedem Vormittage zur bestimmten Stunde.
Dann versammelte sich auch das gesamte Offizierkorps im Hofe, um von dem
Obersten die nötigen Befehle in Empfang zu nehmen. Manchmal ward anch
vor Tagesanbruch von den Trommlern Reveille geschlagen, wodurch das ganze
Dorf in Bewegung kam, denn sämtliche Mannschaften mußten dann ans den
nahen Feldern manövriren.

Einmal fand sich aus irgend einem Anlaß der Oberst gemüßigt, ein großes
Gastmahl zu geben. Meine Mutter wurde dnrch seinen Koch von diesem Unter¬
nehmen in Kenntnis gesetzt und um Herbeischaffung des dazu erforderlichen
angegangen. Fleisch, Geflügel, Eier und was etwa sonst noch von dem sehr
unappetitlich aussehenden Koch begehrt wurde, konnte leicht verabreicht werden.
Nun sollte aber auch als ganz besondres Zwischengericht noch ein polnischer
Kräuterpndding auf die Tafel kommen, und dazu verlangte der Koch insbesondre
ein ganzes Faß von Sauerampfer. Wir besaßen nun zwar in der Nähe
Gärten von ziemlicher Ausdehnung, in denen Sauerampfer häufig genug wild
wuchs. Da aber Gärten und Wiesen längst abgemäht waren und der Sommer
sich dem Ende zuneigte, so gab es das gewünschte Kraut nicht mehr in Menge.


Jugenderinnerungen,

mcmdircnder der Truppe, mit einer Anzahl militärischer Trabanten und ver-
schiednen dienstbaren Geistern sein Absteigequartier. Infolgedessen entfaltete sich
um uns her ein militärisch buntes Leben zum großen Verdruß der Eltern, ins¬
besondre des Vaters, der in seiner Amtsthätigkeit durch den Lärm der kriegerischen
Gäste in empfindlichster Weise gestört wurde, uns Kindern aber zum höchsten
Genuß.

Schlimm geartet waren diese Polen nicht, eines im allgemeinen nicht schwer
zufrieden zu stellen. Die Mehrzahl radebrechte das Deutsche, sodaß sie sich mit
den Quartierqeberu notdürftig verständlich machen konnte. Schwieriger war der
Verkehr mit dem Oberst und den übrigen Offizieren, die sich meistenteils der
französischen Sprache bedienten, welche meinen Eltern keineswegs geläufig war.
So half man sich denn, wie es eben gehen mochte, und es ging über Erwarten
gut, da man sich auf die nötigsten Redensarten beschränkte und es stets an höflicher
Begegnung nicht fehlen ließ.

Die Qual des Vaters, der keine ruhige Stunde mehr zur Ausarbeitung
seiner Predigten fand, war die Lust für uns Kinder. Wir schlössen sehr bald
Freundschaft mit den uns zutraulich begegnenden Polen, von denen wir be¬
sonders einen Sergeanten mit schwarzem Bart, der oft zum Obersten kam, sehr
gern hatten. In seinem Schutze, begleitet von der Kindermagd, wagten wir uns
bis in die Nähe der Batterie, wenn im Feuer exerzirt wurde, was häusig ge¬
schah. Am größten aber war unsre Freude beim Ausmarschiren der Wacht-
parade. Dann erschien im geräumigen Hofraum des Pastorats das gesamte
Musikkorps mit etwa zwanzig Trommelschlägern, die auf Kommando des statt¬
lichen Tambonrmajors mit fürchterlicher Energie ihre Instrumente bearbeiteten.
Dieser Spektakel wiederholte sich an jedem Vormittage zur bestimmten Stunde.
Dann versammelte sich auch das gesamte Offizierkorps im Hofe, um von dem
Obersten die nötigen Befehle in Empfang zu nehmen. Manchmal ward anch
vor Tagesanbruch von den Trommlern Reveille geschlagen, wodurch das ganze
Dorf in Bewegung kam, denn sämtliche Mannschaften mußten dann ans den
nahen Feldern manövriren.

Einmal fand sich aus irgend einem Anlaß der Oberst gemüßigt, ein großes
Gastmahl zu geben. Meine Mutter wurde dnrch seinen Koch von diesem Unter¬
nehmen in Kenntnis gesetzt und um Herbeischaffung des dazu erforderlichen
angegangen. Fleisch, Geflügel, Eier und was etwa sonst noch von dem sehr
unappetitlich aussehenden Koch begehrt wurde, konnte leicht verabreicht werden.
Nun sollte aber auch als ganz besondres Zwischengericht noch ein polnischer
Kräuterpndding auf die Tafel kommen, und dazu verlangte der Koch insbesondre
ein ganzes Faß von Sauerampfer. Wir besaßen nun zwar in der Nähe
Gärten von ziemlicher Ausdehnung, in denen Sauerampfer häufig genug wild
wuchs. Da aber Gärten und Wiesen längst abgemäht waren und der Sommer
sich dem Ende zuneigte, so gab es das gewünschte Kraut nicht mehr in Menge.


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[0245] Jugenderinnerungen, mcmdircnder der Truppe, mit einer Anzahl militärischer Trabanten und ver- schiednen dienstbaren Geistern sein Absteigequartier. Infolgedessen entfaltete sich um uns her ein militärisch buntes Leben zum großen Verdruß der Eltern, ins¬ besondre des Vaters, der in seiner Amtsthätigkeit durch den Lärm der kriegerischen Gäste in empfindlichster Weise gestört wurde, uns Kindern aber zum höchsten Genuß. Schlimm geartet waren diese Polen nicht, eines im allgemeinen nicht schwer zufrieden zu stellen. Die Mehrzahl radebrechte das Deutsche, sodaß sie sich mit den Quartierqeberu notdürftig verständlich machen konnte. Schwieriger war der Verkehr mit dem Oberst und den übrigen Offizieren, die sich meistenteils der französischen Sprache bedienten, welche meinen Eltern keineswegs geläufig war. So half man sich denn, wie es eben gehen mochte, und es ging über Erwarten gut, da man sich auf die nötigsten Redensarten beschränkte und es stets an höflicher Begegnung nicht fehlen ließ. Die Qual des Vaters, der keine ruhige Stunde mehr zur Ausarbeitung seiner Predigten fand, war die Lust für uns Kinder. Wir schlössen sehr bald Freundschaft mit den uns zutraulich begegnenden Polen, von denen wir be¬ sonders einen Sergeanten mit schwarzem Bart, der oft zum Obersten kam, sehr gern hatten. In seinem Schutze, begleitet von der Kindermagd, wagten wir uns bis in die Nähe der Batterie, wenn im Feuer exerzirt wurde, was häusig ge¬ schah. Am größten aber war unsre Freude beim Ausmarschiren der Wacht- parade. Dann erschien im geräumigen Hofraum des Pastorats das gesamte Musikkorps mit etwa zwanzig Trommelschlägern, die auf Kommando des statt¬ lichen Tambonrmajors mit fürchterlicher Energie ihre Instrumente bearbeiteten. Dieser Spektakel wiederholte sich an jedem Vormittage zur bestimmten Stunde. Dann versammelte sich auch das gesamte Offizierkorps im Hofe, um von dem Obersten die nötigen Befehle in Empfang zu nehmen. Manchmal ward anch vor Tagesanbruch von den Trommlern Reveille geschlagen, wodurch das ganze Dorf in Bewegung kam, denn sämtliche Mannschaften mußten dann ans den nahen Feldern manövriren. Einmal fand sich aus irgend einem Anlaß der Oberst gemüßigt, ein großes Gastmahl zu geben. Meine Mutter wurde dnrch seinen Koch von diesem Unter¬ nehmen in Kenntnis gesetzt und um Herbeischaffung des dazu erforderlichen angegangen. Fleisch, Geflügel, Eier und was etwa sonst noch von dem sehr unappetitlich aussehenden Koch begehrt wurde, konnte leicht verabreicht werden. Nun sollte aber auch als ganz besondres Zwischengericht noch ein polnischer Kräuterpndding auf die Tafel kommen, und dazu verlangte der Koch insbesondre ein ganzes Faß von Sauerampfer. Wir besaßen nun zwar in der Nähe Gärten von ziemlicher Ausdehnung, in denen Sauerampfer häufig genug wild wuchs. Da aber Gärten und Wiesen längst abgemäht waren und der Sommer sich dem Ende zuneigte, so gab es das gewünschte Kraut nicht mehr in Menge.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_200104/245>, abgerufen am 03.07.2024.