Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Erstes Vierteljahr.Ungehaltene Reden eines Nichtgewählten. genommen hat, hättet ihr nicht geglaubt. Doch das ist noch garnichts. Durch Damit noch nicht genug. Die Franzosen sind bekanntlich die friedliebendste Von Frankreich haben wir also nichts zu befürchten. Etwas andres ist es Ungehaltene Reden eines Nichtgewählten. genommen hat, hättet ihr nicht geglaubt. Doch das ist noch garnichts. Durch Damit noch nicht genug. Die Franzosen sind bekanntlich die friedliebendste Von Frankreich haben wir also nichts zu befürchten. Etwas andres ist es <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0240" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/200345"/> <fw type="header" place="top"> Ungehaltene Reden eines Nichtgewählten.</fw><lb/> <p xml:id="ID_690" prev="#ID_689"> genommen hat, hättet ihr nicht geglaubt. Doch das ist noch garnichts. Durch<lb/> meine Beziehungen zu Hirsch Oppert aus Blowitz, Wippchen und einigen andern<lb/> gntunterrichteten und wahrheitsliebenden Journalisten bin ich in den Stand ge¬<lb/> setzt, das ganze gegen uns, die Paladine der Freiheit, ins Werk gesetzte Getriebe<lb/> zu enthüllen. Da hat ein Franzose, Graf d'Herisson, welcher Ordonnanzoffizier<lb/> bei Trochu gewesen ist, ein Buch herausgegeben, welches die verwerflichsten<lb/> Dinge enthält. Einmal behauptet er, daß die politischen Reden in Paris den<lb/> deutschen Armeen beinahe ebenso nutzbringend gewesen seien wie ein Sieg. Ein<lb/> andermal läßt er den Ministerpräsidenten Grafen Montauban sagen: „Die Ab¬<lb/> geordneten vertreiben sich die Zeit und rauben mir die meinige, indem sie mich<lb/> mit naseweisen, unnützen Fragen bestürmen, und sich den Mund ausspülen mit<lb/> großen Redensarten, die nichts bedeuten." Dann wieder versteigt er sich zu<lb/> der Lästerung: „Wenn die Kanone spricht, sollten die Advokaten wenigstens den<lb/> Mund halten," während doch jeder Vernünftige einsehen muß, daß gerade dann<lb/> die Advokaten — damit meint er uns! — sich anstrengen müssen, um deu<lb/> Kanonendonner zu überschreien. Auf Seite 31 erklärt er ganz ungescheut: „Um<lb/> zu wissen, ob eine Truppe gut ist, bedarf es keiner Schlacht, die Probe würde<lb/> teuer zu flehen kommen. Es giebt Aeußerlichkeiten, Kleinigkeiten, welche nicht<lb/> täuschen. Seht ihr Soldaten, welche ihre Uniform sauber, ihre Waffen blank<lb/> erhalten, ihre Vorgesetzten respektvoll grüßen, so kommt ihr euch dreist an ihre<lb/> Spitze stellen, und sie führen, wohin ihr wollt. Aber diese Freude an der<lb/> Nettigkeit, dieses ehrerbietige Wesen erlernt sich nicht in einer Stunde und nicht<lb/> in wenigen Wochen. Sie find Früchte der Erziehung. Daß den Mobilgarden<lb/> diese Erziehung fehlte, war nicht ihre, sondern die Schuld der Oppositions-<lb/> mcuschen, die mit ihrem unaufhörlichen Gezänk die ernstliche Organisation der<lb/> jungen Mannschaft verhinderten n. s. w." Ja sogar gegen das allgemeine<lb/> Stimmrecht erlaubt er sich despettirliche Aeußerungen, meint, das Votum eines<lb/> Generals oder eines Staatsmannes wiege schwerer als das eines Offiziers¬<lb/> burschen oder eines Thürhüters, und eine Nation, deren Leben auf einem so<lb/> barbarischen Mechanismus basire, könne keine Dauer haben. Ich will euch,<lb/> freisinnig-illtraniviitaii-partikularistisch-sozialdeuivkratischc Bürger, nicht durch die<lb/> Mitteilung weiterer Abscheulichkeiten aus jenem Buche in gerechte Entrüstung<lb/> versetzen. Zweierlei aber wird für euch keines Beweises bedürfen: erstens, daß<lb/> alle die Sätze auf uns gemünzt sind, und zweitens, daß der Franzose sie nicht<lb/> geschrieben haben würde, wenn der Reichskanzler sie ihm nicht in die Feder<lb/> diktirt hätte.</p><lb/> <p xml:id="ID_691"> Damit noch nicht genug. Die Franzosen sind bekanntlich die friedliebendste<lb/> Nation der Welt, und Republiken führen überhaupt keine Kriege, haben nie<lb/> welche geführt. Das bischen Zeitalter Ludwigs XIV. und der Revolution und<lb/> der beiden Napoleons — mein Gott, Ausnahmen bestätigen ja die Regel. Aber<lb/> Dervnlede und die Boulevardblätter? Das ists ja ebeu! Lauter ii-nsirw xro-<lb/> voc^le-ars, vom Reichskanzler bezahlt, um die Deutschen zu ängstigen und für<lb/> seine schwarzen Anschläge gefügig zu machen. Ja er wäre imstande, Voulanger<lb/> zu bestechen, damit er wirklich einen .Krieg anfinge und während dessen das<lb/> Tabaksmonopol eingeführt werden könnte. Glücklicherweise denkt Boulanger<lb/> zu edel.</p><lb/> <p xml:id="ID_692" next="#ID_693"> Von Frankreich haben wir also nichts zu befürchten. Etwas andres ist es<lb/> mit Nußland, d. h. zu befürchten haben wir von dem auch nichts. Ihr wißt<lb/> ja, daß es ein Koloß mit thönernen Füßen ist, ein Stoß — bums! da liegt</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0240]
Ungehaltene Reden eines Nichtgewählten.
genommen hat, hättet ihr nicht geglaubt. Doch das ist noch garnichts. Durch
meine Beziehungen zu Hirsch Oppert aus Blowitz, Wippchen und einigen andern
gntunterrichteten und wahrheitsliebenden Journalisten bin ich in den Stand ge¬
setzt, das ganze gegen uns, die Paladine der Freiheit, ins Werk gesetzte Getriebe
zu enthüllen. Da hat ein Franzose, Graf d'Herisson, welcher Ordonnanzoffizier
bei Trochu gewesen ist, ein Buch herausgegeben, welches die verwerflichsten
Dinge enthält. Einmal behauptet er, daß die politischen Reden in Paris den
deutschen Armeen beinahe ebenso nutzbringend gewesen seien wie ein Sieg. Ein
andermal läßt er den Ministerpräsidenten Grafen Montauban sagen: „Die Ab¬
geordneten vertreiben sich die Zeit und rauben mir die meinige, indem sie mich
mit naseweisen, unnützen Fragen bestürmen, und sich den Mund ausspülen mit
großen Redensarten, die nichts bedeuten." Dann wieder versteigt er sich zu
der Lästerung: „Wenn die Kanone spricht, sollten die Advokaten wenigstens den
Mund halten," während doch jeder Vernünftige einsehen muß, daß gerade dann
die Advokaten — damit meint er uns! — sich anstrengen müssen, um deu
Kanonendonner zu überschreien. Auf Seite 31 erklärt er ganz ungescheut: „Um
zu wissen, ob eine Truppe gut ist, bedarf es keiner Schlacht, die Probe würde
teuer zu flehen kommen. Es giebt Aeußerlichkeiten, Kleinigkeiten, welche nicht
täuschen. Seht ihr Soldaten, welche ihre Uniform sauber, ihre Waffen blank
erhalten, ihre Vorgesetzten respektvoll grüßen, so kommt ihr euch dreist an ihre
Spitze stellen, und sie führen, wohin ihr wollt. Aber diese Freude an der
Nettigkeit, dieses ehrerbietige Wesen erlernt sich nicht in einer Stunde und nicht
in wenigen Wochen. Sie find Früchte der Erziehung. Daß den Mobilgarden
diese Erziehung fehlte, war nicht ihre, sondern die Schuld der Oppositions-
mcuschen, die mit ihrem unaufhörlichen Gezänk die ernstliche Organisation der
jungen Mannschaft verhinderten n. s. w." Ja sogar gegen das allgemeine
Stimmrecht erlaubt er sich despettirliche Aeußerungen, meint, das Votum eines
Generals oder eines Staatsmannes wiege schwerer als das eines Offiziers¬
burschen oder eines Thürhüters, und eine Nation, deren Leben auf einem so
barbarischen Mechanismus basire, könne keine Dauer haben. Ich will euch,
freisinnig-illtraniviitaii-partikularistisch-sozialdeuivkratischc Bürger, nicht durch die
Mitteilung weiterer Abscheulichkeiten aus jenem Buche in gerechte Entrüstung
versetzen. Zweierlei aber wird für euch keines Beweises bedürfen: erstens, daß
alle die Sätze auf uns gemünzt sind, und zweitens, daß der Franzose sie nicht
geschrieben haben würde, wenn der Reichskanzler sie ihm nicht in die Feder
diktirt hätte.
Damit noch nicht genug. Die Franzosen sind bekanntlich die friedliebendste
Nation der Welt, und Republiken führen überhaupt keine Kriege, haben nie
welche geführt. Das bischen Zeitalter Ludwigs XIV. und der Revolution und
der beiden Napoleons — mein Gott, Ausnahmen bestätigen ja die Regel. Aber
Dervnlede und die Boulevardblätter? Das ists ja ebeu! Lauter ii-nsirw xro-
voc^le-ars, vom Reichskanzler bezahlt, um die Deutschen zu ängstigen und für
seine schwarzen Anschläge gefügig zu machen. Ja er wäre imstande, Voulanger
zu bestechen, damit er wirklich einen .Krieg anfinge und während dessen das
Tabaksmonopol eingeführt werden könnte. Glücklicherweise denkt Boulanger
zu edel.
Von Frankreich haben wir also nichts zu befürchten. Etwas andres ist es
mit Nußland, d. h. zu befürchten haben wir von dem auch nichts. Ihr wißt
ja, daß es ein Koloß mit thönernen Füßen ist, ein Stoß — bums! da liegt
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |