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Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Erstes Vierteljahr.

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1809 und 1812 bis zur Katastrophe in Moskau, von wo er auf eigne Faust unter
hundert Gefahren noch zur rechten Zeit die Rückreise antrat, bevor er in den
schreckensvollen Rückzug der großen Armee verwickelt wurde. In dem ersten Feldzuge
ein Schützling des baierischen Generals Grafen Froberg, später als Maler im Solde
des Herzogs Eugen von Leuchtenberg, hatte er Gelegenheit, allen größern Schlachten
und Gefechten von sichern Beobachtungsposten aus beizuwohnen und einen tiefen
Einblick in das französische Heerwesen nud in die Taktik und das Gebahren Napoleons
zu gewinnen. Insbesondre durch die Mitteilungen aus dem russischen Feldzuge
wachsen seine Aufzeichnungen über das rein Persönliche in den Rahmen geschicht¬
licher Memoiren hinein, und diese und jene Einzelheit, z. B, die Schilderung der
Schlacht von Borodino und des Brandes von Moskau, wird auch dem Geschicht¬
schreiber wertvolles Material bieten. Das Künstlerische tritt hier hinter dem
Gang der geschichtlichen Ereignisse zurück. Nur in den beiden einleitenden Kapiteln
schildert Adam seine künstlerische Entwicklung, welche im wesentlichen eine auto¬
didaktische war. Von seinem Vater, einem Konditor, für den gleichen Beruf bestimmt,
kounte er sein früh erwachendes bildnerisches Talent nur in wenigen Mußestunden
fördern. Seine ebenso frühzeitig sich offenbarende Liebe zu Pferden führte ihn nach
dem Marstalle des nahe bei seiner Geburtsstadt Nördlingen gelegnen Schlosses
Wallenstein, und hier malte er mit achtzehn Jahren ein Gruppenbild der vier
Prinzen zu Pferde und eine Reihe der schönsten Pferde mit Reitknechten in
Aquarell, welche als "treffliche Jugendarbeiten" des Meisters bezeichnet werden. Im
Jahre 1804 ging Adam, uoch als Konditorgchilfe, nach Nürnberg, wo ihn jedoch
die Bekanntschaft mit dem Direktor der Zcichenschule, Christoph Zwinger, schon nach
wenigen Monaten zur Aufgebung seines Handwerks bestimmte. Jetzt zeichnete er
nach Handzeichnungen älterer Meister, nach Gipsabgüssen und nach dem lebenden
Modell, erhielt auch vou Zwinger die erste Unterweisung in der Oelmalerei. Seinen
Lebensunterhalt verdiente er sich in den Abendstunden durch die seltsamsten Han-
tirungen. Er machte hölzerne Formen für Konditoren, schnitzte Tiere, menschliche Fi¬
guren, ganze Jagden u. dergl., die er auch bemalte, für Spielwaarenmagazine, radirte
Blätter für Buchhändler und malte Porträts in Oel. Im Jahre 1806 ging Adam
nach Augsburg, wo er sich besonders durch Porträtmalen ernährte, und im Herbst
1807 siedelte er nach München über. Hier bildete er sich durch Kopien nieder¬
ländischer Meister, besonders des ihm kongenialen Wouverman, weiter und bestritt
zugleich durch deu Verkauf von Kopien die äußerst geringen Kosten seines Unter¬
halts -- er brauchte 24 Kreuzer täglich --, bis er in dem Grafen Froberg eiuen
wohlwollenden Beschützer fand.

Aus deu Schilderungen, welche Adam vou seiner Jugend entwirft, von dem
mannichfaltigen Frohndienste, der aber niemals seinen Lebensmut niederdrückte,
könnten viele unsrer Künstler eine Lehre ziehen. Auch heute siud die Wege zur
Kunst für ihre Jünger mit Dornen besetzt, und Not und Elend sind nur zu oft
ihre Begleiter. Aber uur wenige sind es, die den Mut oder die Selbstüberwindung
besitzen, mit allen Mitteln, wie es Adam gethan, den Kampf ums Dasein aufzu¬
nehmen. Bei Bildhauern kommt es schon häufiger vor, daß sie sich, wenn die
Not drängt, in den Dienst des Kunsthandwerks oder des Baugewerkes stellen. Da¬
gegen können sich unsre Maler in Fällen der Not uur schwer entschließen, den
stolzen Namen eines Historien- oder Porträtmalers zeitweilig abzulegen nud sich
als Lithographen, Nadirer, Illustratoren, Musterzeichner u. dergl. durchzuschlagen.
Freilich war auch Adams Bedürfnislosigkeit groß, und man erfährt auch nicht, daß
es seiue erste Sorge gewesen wäre, nachdem er zu einigem Wohlstande gelangt war,


1809 und 1812 bis zur Katastrophe in Moskau, von wo er auf eigne Faust unter
hundert Gefahren noch zur rechten Zeit die Rückreise antrat, bevor er in den
schreckensvollen Rückzug der großen Armee verwickelt wurde. In dem ersten Feldzuge
ein Schützling des baierischen Generals Grafen Froberg, später als Maler im Solde
des Herzogs Eugen von Leuchtenberg, hatte er Gelegenheit, allen größern Schlachten
und Gefechten von sichern Beobachtungsposten aus beizuwohnen und einen tiefen
Einblick in das französische Heerwesen nud in die Taktik und das Gebahren Napoleons
zu gewinnen. Insbesondre durch die Mitteilungen aus dem russischen Feldzuge
wachsen seine Aufzeichnungen über das rein Persönliche in den Rahmen geschicht¬
licher Memoiren hinein, und diese und jene Einzelheit, z. B, die Schilderung der
Schlacht von Borodino und des Brandes von Moskau, wird auch dem Geschicht¬
schreiber wertvolles Material bieten. Das Künstlerische tritt hier hinter dem
Gang der geschichtlichen Ereignisse zurück. Nur in den beiden einleitenden Kapiteln
schildert Adam seine künstlerische Entwicklung, welche im wesentlichen eine auto¬
didaktische war. Von seinem Vater, einem Konditor, für den gleichen Beruf bestimmt,
kounte er sein früh erwachendes bildnerisches Talent nur in wenigen Mußestunden
fördern. Seine ebenso frühzeitig sich offenbarende Liebe zu Pferden führte ihn nach
dem Marstalle des nahe bei seiner Geburtsstadt Nördlingen gelegnen Schlosses
Wallenstein, und hier malte er mit achtzehn Jahren ein Gruppenbild der vier
Prinzen zu Pferde und eine Reihe der schönsten Pferde mit Reitknechten in
Aquarell, welche als „treffliche Jugendarbeiten" des Meisters bezeichnet werden. Im
Jahre 1804 ging Adam, uoch als Konditorgchilfe, nach Nürnberg, wo ihn jedoch
die Bekanntschaft mit dem Direktor der Zcichenschule, Christoph Zwinger, schon nach
wenigen Monaten zur Aufgebung seines Handwerks bestimmte. Jetzt zeichnete er
nach Handzeichnungen älterer Meister, nach Gipsabgüssen und nach dem lebenden
Modell, erhielt auch vou Zwinger die erste Unterweisung in der Oelmalerei. Seinen
Lebensunterhalt verdiente er sich in den Abendstunden durch die seltsamsten Han-
tirungen. Er machte hölzerne Formen für Konditoren, schnitzte Tiere, menschliche Fi¬
guren, ganze Jagden u. dergl., die er auch bemalte, für Spielwaarenmagazine, radirte
Blätter für Buchhändler und malte Porträts in Oel. Im Jahre 1806 ging Adam
nach Augsburg, wo er sich besonders durch Porträtmalen ernährte, und im Herbst
1807 siedelte er nach München über. Hier bildete er sich durch Kopien nieder¬
ländischer Meister, besonders des ihm kongenialen Wouverman, weiter und bestritt
zugleich durch deu Verkauf von Kopien die äußerst geringen Kosten seines Unter¬
halts — er brauchte 24 Kreuzer täglich —, bis er in dem Grafen Froberg eiuen
wohlwollenden Beschützer fand.

Aus deu Schilderungen, welche Adam vou seiner Jugend entwirft, von dem
mannichfaltigen Frohndienste, der aber niemals seinen Lebensmut niederdrückte,
könnten viele unsrer Künstler eine Lehre ziehen. Auch heute siud die Wege zur
Kunst für ihre Jünger mit Dornen besetzt, und Not und Elend sind nur zu oft
ihre Begleiter. Aber uur wenige sind es, die den Mut oder die Selbstüberwindung
besitzen, mit allen Mitteln, wie es Adam gethan, den Kampf ums Dasein aufzu¬
nehmen. Bei Bildhauern kommt es schon häufiger vor, daß sie sich, wenn die
Not drängt, in den Dienst des Kunsthandwerks oder des Baugewerkes stellen. Da¬
gegen können sich unsre Maler in Fällen der Not uur schwer entschließen, den
stolzen Namen eines Historien- oder Porträtmalers zeitweilig abzulegen nud sich
als Lithographen, Nadirer, Illustratoren, Musterzeichner u. dergl. durchzuschlagen.
Freilich war auch Adams Bedürfnislosigkeit groß, und man erfährt auch nicht, daß
es seiue erste Sorge gewesen wäre, nachdem er zu einigem Wohlstande gelangt war,


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[0197] 1809 und 1812 bis zur Katastrophe in Moskau, von wo er auf eigne Faust unter hundert Gefahren noch zur rechten Zeit die Rückreise antrat, bevor er in den schreckensvollen Rückzug der großen Armee verwickelt wurde. In dem ersten Feldzuge ein Schützling des baierischen Generals Grafen Froberg, später als Maler im Solde des Herzogs Eugen von Leuchtenberg, hatte er Gelegenheit, allen größern Schlachten und Gefechten von sichern Beobachtungsposten aus beizuwohnen und einen tiefen Einblick in das französische Heerwesen nud in die Taktik und das Gebahren Napoleons zu gewinnen. Insbesondre durch die Mitteilungen aus dem russischen Feldzuge wachsen seine Aufzeichnungen über das rein Persönliche in den Rahmen geschicht¬ licher Memoiren hinein, und diese und jene Einzelheit, z. B, die Schilderung der Schlacht von Borodino und des Brandes von Moskau, wird auch dem Geschicht¬ schreiber wertvolles Material bieten. Das Künstlerische tritt hier hinter dem Gang der geschichtlichen Ereignisse zurück. Nur in den beiden einleitenden Kapiteln schildert Adam seine künstlerische Entwicklung, welche im wesentlichen eine auto¬ didaktische war. Von seinem Vater, einem Konditor, für den gleichen Beruf bestimmt, kounte er sein früh erwachendes bildnerisches Talent nur in wenigen Mußestunden fördern. Seine ebenso frühzeitig sich offenbarende Liebe zu Pferden führte ihn nach dem Marstalle des nahe bei seiner Geburtsstadt Nördlingen gelegnen Schlosses Wallenstein, und hier malte er mit achtzehn Jahren ein Gruppenbild der vier Prinzen zu Pferde und eine Reihe der schönsten Pferde mit Reitknechten in Aquarell, welche als „treffliche Jugendarbeiten" des Meisters bezeichnet werden. Im Jahre 1804 ging Adam, uoch als Konditorgchilfe, nach Nürnberg, wo ihn jedoch die Bekanntschaft mit dem Direktor der Zcichenschule, Christoph Zwinger, schon nach wenigen Monaten zur Aufgebung seines Handwerks bestimmte. Jetzt zeichnete er nach Handzeichnungen älterer Meister, nach Gipsabgüssen und nach dem lebenden Modell, erhielt auch vou Zwinger die erste Unterweisung in der Oelmalerei. Seinen Lebensunterhalt verdiente er sich in den Abendstunden durch die seltsamsten Han- tirungen. Er machte hölzerne Formen für Konditoren, schnitzte Tiere, menschliche Fi¬ guren, ganze Jagden u. dergl., die er auch bemalte, für Spielwaarenmagazine, radirte Blätter für Buchhändler und malte Porträts in Oel. Im Jahre 1806 ging Adam nach Augsburg, wo er sich besonders durch Porträtmalen ernährte, und im Herbst 1807 siedelte er nach München über. Hier bildete er sich durch Kopien nieder¬ ländischer Meister, besonders des ihm kongenialen Wouverman, weiter und bestritt zugleich durch deu Verkauf von Kopien die äußerst geringen Kosten seines Unter¬ halts — er brauchte 24 Kreuzer täglich —, bis er in dem Grafen Froberg eiuen wohlwollenden Beschützer fand. Aus deu Schilderungen, welche Adam vou seiner Jugend entwirft, von dem mannichfaltigen Frohndienste, der aber niemals seinen Lebensmut niederdrückte, könnten viele unsrer Künstler eine Lehre ziehen. Auch heute siud die Wege zur Kunst für ihre Jünger mit Dornen besetzt, und Not und Elend sind nur zu oft ihre Begleiter. Aber uur wenige sind es, die den Mut oder die Selbstüberwindung besitzen, mit allen Mitteln, wie es Adam gethan, den Kampf ums Dasein aufzu¬ nehmen. Bei Bildhauern kommt es schon häufiger vor, daß sie sich, wenn die Not drängt, in den Dienst des Kunsthandwerks oder des Baugewerkes stellen. Da¬ gegen können sich unsre Maler in Fällen der Not uur schwer entschließen, den stolzen Namen eines Historien- oder Porträtmalers zeitweilig abzulegen nud sich als Lithographen, Nadirer, Illustratoren, Musterzeichner u. dergl. durchzuschlagen. Freilich war auch Adams Bedürfnislosigkeit groß, und man erfährt auch nicht, daß es seiue erste Sorge gewesen wäre, nachdem er zu einigem Wohlstande gelangt war,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_200104/197>, abgerufen am 22.12.2024.