Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Erstes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Landwirtschaft und Bodenmonopol.

auch den (neuen) Bodenwert steigern muß, wird der Wirt das größte Interesse
daran haben, die Preise bis aufs Äußerste in die Höhe zu treiben. Und
wir müssen -- wie ich gleich erklären werde -- annehme", daß er dazu nicht
nur den Willen, sondern die Macht haben und somit die Konsumenten ohne
alle Schonung ausbeuten wird. Dies trifft allerdings mir zu, wenn wir
einen Zustand im Auge haben, in welchem von einer Konkurrenz der Nahvungs-
mittelprvdnzenten nicht mehr die Rede ist, sondern die Nachfrage, abgesehen von
geringen Schwankungen, dem Angebote mindestens gleichsteht und eine Ver¬
mehrung des Angebots durch Erschließung neuer Produktionsquelleu nicht mehr
zu erwarten ist, also einen Zustand, der nur möglich ist, wenn die Malthussche
Lehre wenigstens so viel wahres enthält, daß die Vermehrung der Bevölkerung
der Erde größer ist als die der Nahrungsmittelproduktion, und daß dennoch
letztere vor ersterer an ihrer äußersten Grenze angelangt sein wird. Aber wir
müssen einen solchen Zustand ja notwendigerweise voraussetzen, wenn wir über¬
haupt vou einem Bedürfnis reden wollen, Maßregeln zum dereinstigen Schutze
der Gesamtheit gegen die Ausbeutung durch die Grundbesitzer zu treffen. Denn
so lange die Produktion die Nachfrage befriedigen kaun, ohne an der Grenze
ihrer Steigerungsfühigkeit angelangt zu sein, wird jede andauernde Preis¬
steigerung eine preismindernde Steigerung der Produktion nach sich ziehen und
so ihr Korrektiv in sich selbst tragen.

Indem ich nach dieser Abschweifung wieder zur Sache zurückkehre, habe
ich aus dem oben gesagten lediglich noch den Schluß zu ziehen, daß eine Ver¬
staatlichung des Grundbesitzes uuter denjenigen Verhältnissen, unter welchen sie
überhaupt in Betracht zu ziehen wäre, die Nachteile des Privatgrundbesitzes
keineswegs beseitigen würde, wenn nicht auch die Unternehmereigeuschaft auf
den Staat überginge. Sonach kann ich mich anch nur unter der Voraussetzung
der Unternehmereigenschaft des Staates mit der Idee der Verstaatlichung des
Bodens befreunden. Daß ich alsdann in der Maßregel nicht wie Henry George
in erster Linie eine Vorkehrung zum Schutze der Arbeit, sondern vielmehr eine
solche zum Schutze der Konsumenten gegen den Grundbesitz erblicke, ist selbst¬
verständlich. Doch scheint es nicht ausgeschlossen, daß auch die Arbeit als
solche einen Anteil an den wohlthätigen Wirkungen der Änderung nehmen
würde. Denn in der Hand des Staates als des Eigentümers läge es ja, die
Güterverteilung allmählich derart zu regeln, daß möglichst viele Brotstellen für
Wirtschafter sich ergeben, und namentlich anch weder ungefüge Niesenwirtschaften
noch lebensunfähige Bettelmirtschaften möglich sein würden.

Beiläufig sei erwähnt, daß ich die Frage, ob es ersprießlicher wäre, daß
die Wirte als Verwalter oder als Pächter auf den Gütern des Staates säßen,
absichtlich nicht näher erörtern will, da mir dies eine Nebenfrage zu sein scheint.
Aus mancherlei Gründen schiene mir die Pächtcrcigenschaft den Vorzug zu
verdienen.


Landwirtschaft und Bodenmonopol.

auch den (neuen) Bodenwert steigern muß, wird der Wirt das größte Interesse
daran haben, die Preise bis aufs Äußerste in die Höhe zu treiben. Und
wir müssen — wie ich gleich erklären werde — annehme», daß er dazu nicht
nur den Willen, sondern die Macht haben und somit die Konsumenten ohne
alle Schonung ausbeuten wird. Dies trifft allerdings mir zu, wenn wir
einen Zustand im Auge haben, in welchem von einer Konkurrenz der Nahvungs-
mittelprvdnzenten nicht mehr die Rede ist, sondern die Nachfrage, abgesehen von
geringen Schwankungen, dem Angebote mindestens gleichsteht und eine Ver¬
mehrung des Angebots durch Erschließung neuer Produktionsquelleu nicht mehr
zu erwarten ist, also einen Zustand, der nur möglich ist, wenn die Malthussche
Lehre wenigstens so viel wahres enthält, daß die Vermehrung der Bevölkerung
der Erde größer ist als die der Nahrungsmittelproduktion, und daß dennoch
letztere vor ersterer an ihrer äußersten Grenze angelangt sein wird. Aber wir
müssen einen solchen Zustand ja notwendigerweise voraussetzen, wenn wir über¬
haupt vou einem Bedürfnis reden wollen, Maßregeln zum dereinstigen Schutze
der Gesamtheit gegen die Ausbeutung durch die Grundbesitzer zu treffen. Denn
so lange die Produktion die Nachfrage befriedigen kaun, ohne an der Grenze
ihrer Steigerungsfühigkeit angelangt zu sein, wird jede andauernde Preis¬
steigerung eine preismindernde Steigerung der Produktion nach sich ziehen und
so ihr Korrektiv in sich selbst tragen.

Indem ich nach dieser Abschweifung wieder zur Sache zurückkehre, habe
ich aus dem oben gesagten lediglich noch den Schluß zu ziehen, daß eine Ver¬
staatlichung des Grundbesitzes uuter denjenigen Verhältnissen, unter welchen sie
überhaupt in Betracht zu ziehen wäre, die Nachteile des Privatgrundbesitzes
keineswegs beseitigen würde, wenn nicht auch die Unternehmereigeuschaft auf
den Staat überginge. Sonach kann ich mich anch nur unter der Voraussetzung
der Unternehmereigenschaft des Staates mit der Idee der Verstaatlichung des
Bodens befreunden. Daß ich alsdann in der Maßregel nicht wie Henry George
in erster Linie eine Vorkehrung zum Schutze der Arbeit, sondern vielmehr eine
solche zum Schutze der Konsumenten gegen den Grundbesitz erblicke, ist selbst¬
verständlich. Doch scheint es nicht ausgeschlossen, daß auch die Arbeit als
solche einen Anteil an den wohlthätigen Wirkungen der Änderung nehmen
würde. Denn in der Hand des Staates als des Eigentümers läge es ja, die
Güterverteilung allmählich derart zu regeln, daß möglichst viele Brotstellen für
Wirtschafter sich ergeben, und namentlich anch weder ungefüge Niesenwirtschaften
noch lebensunfähige Bettelmirtschaften möglich sein würden.

Beiläufig sei erwähnt, daß ich die Frage, ob es ersprießlicher wäre, daß
die Wirte als Verwalter oder als Pächter auf den Gütern des Staates säßen,
absichtlich nicht näher erörtern will, da mir dies eine Nebenfrage zu sein scheint.
Aus mancherlei Gründen schiene mir die Pächtcrcigenschaft den Vorzug zu
verdienen.


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0167" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/200272"/>
          <fw type="header" place="top"> Landwirtschaft und Bodenmonopol.</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_487" prev="#ID_486"> auch den (neuen) Bodenwert steigern muß, wird der Wirt das größte Interesse<lb/>
daran haben, die Preise bis aufs Äußerste in die Höhe zu treiben. Und<lb/>
wir müssen &#x2014; wie ich gleich erklären werde &#x2014; annehme», daß er dazu nicht<lb/>
nur den Willen, sondern die Macht haben und somit die Konsumenten ohne<lb/>
alle Schonung ausbeuten wird. Dies trifft allerdings mir zu, wenn wir<lb/>
einen Zustand im Auge haben, in welchem von einer Konkurrenz der Nahvungs-<lb/>
mittelprvdnzenten nicht mehr die Rede ist, sondern die Nachfrage, abgesehen von<lb/>
geringen Schwankungen, dem Angebote mindestens gleichsteht und eine Ver¬<lb/>
mehrung des Angebots durch Erschließung neuer Produktionsquelleu nicht mehr<lb/>
zu erwarten ist, also einen Zustand, der nur möglich ist, wenn die Malthussche<lb/>
Lehre wenigstens so viel wahres enthält, daß die Vermehrung der Bevölkerung<lb/>
der Erde größer ist als die der Nahrungsmittelproduktion, und daß dennoch<lb/>
letztere vor ersterer an ihrer äußersten Grenze angelangt sein wird. Aber wir<lb/>
müssen einen solchen Zustand ja notwendigerweise voraussetzen, wenn wir über¬<lb/>
haupt vou einem Bedürfnis reden wollen, Maßregeln zum dereinstigen Schutze<lb/>
der Gesamtheit gegen die Ausbeutung durch die Grundbesitzer zu treffen. Denn<lb/>
so lange die Produktion die Nachfrage befriedigen kaun, ohne an der Grenze<lb/>
ihrer Steigerungsfühigkeit angelangt zu sein, wird jede andauernde Preis¬<lb/>
steigerung eine preismindernde Steigerung der Produktion nach sich ziehen und<lb/>
so ihr Korrektiv in sich selbst tragen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_488"> Indem ich nach dieser Abschweifung wieder zur Sache zurückkehre, habe<lb/>
ich aus dem oben gesagten lediglich noch den Schluß zu ziehen, daß eine Ver¬<lb/>
staatlichung des Grundbesitzes uuter denjenigen Verhältnissen, unter welchen sie<lb/>
überhaupt in Betracht zu ziehen wäre, die Nachteile des Privatgrundbesitzes<lb/>
keineswegs beseitigen würde, wenn nicht auch die Unternehmereigeuschaft auf<lb/>
den Staat überginge. Sonach kann ich mich anch nur unter der Voraussetzung<lb/>
der Unternehmereigenschaft des Staates mit der Idee der Verstaatlichung des<lb/>
Bodens befreunden. Daß ich alsdann in der Maßregel nicht wie Henry George<lb/>
in erster Linie eine Vorkehrung zum Schutze der Arbeit, sondern vielmehr eine<lb/>
solche zum Schutze der Konsumenten gegen den Grundbesitz erblicke, ist selbst¬<lb/>
verständlich. Doch scheint es nicht ausgeschlossen, daß auch die Arbeit als<lb/>
solche einen Anteil an den wohlthätigen Wirkungen der Änderung nehmen<lb/>
würde. Denn in der Hand des Staates als des Eigentümers läge es ja, die<lb/>
Güterverteilung allmählich derart zu regeln, daß möglichst viele Brotstellen für<lb/>
Wirtschafter sich ergeben, und namentlich anch weder ungefüge Niesenwirtschaften<lb/>
noch lebensunfähige Bettelmirtschaften möglich sein würden.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_489"> Beiläufig sei erwähnt, daß ich die Frage, ob es ersprießlicher wäre, daß<lb/>
die Wirte als Verwalter oder als Pächter auf den Gütern des Staates säßen,<lb/>
absichtlich nicht näher erörtern will, da mir dies eine Nebenfrage zu sein scheint.<lb/>
Aus mancherlei Gründen schiene mir die Pächtcrcigenschaft den Vorzug zu<lb/>
verdienen.</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0167] Landwirtschaft und Bodenmonopol. auch den (neuen) Bodenwert steigern muß, wird der Wirt das größte Interesse daran haben, die Preise bis aufs Äußerste in die Höhe zu treiben. Und wir müssen — wie ich gleich erklären werde — annehme», daß er dazu nicht nur den Willen, sondern die Macht haben und somit die Konsumenten ohne alle Schonung ausbeuten wird. Dies trifft allerdings mir zu, wenn wir einen Zustand im Auge haben, in welchem von einer Konkurrenz der Nahvungs- mittelprvdnzenten nicht mehr die Rede ist, sondern die Nachfrage, abgesehen von geringen Schwankungen, dem Angebote mindestens gleichsteht und eine Ver¬ mehrung des Angebots durch Erschließung neuer Produktionsquelleu nicht mehr zu erwarten ist, also einen Zustand, der nur möglich ist, wenn die Malthussche Lehre wenigstens so viel wahres enthält, daß die Vermehrung der Bevölkerung der Erde größer ist als die der Nahrungsmittelproduktion, und daß dennoch letztere vor ersterer an ihrer äußersten Grenze angelangt sein wird. Aber wir müssen einen solchen Zustand ja notwendigerweise voraussetzen, wenn wir über¬ haupt vou einem Bedürfnis reden wollen, Maßregeln zum dereinstigen Schutze der Gesamtheit gegen die Ausbeutung durch die Grundbesitzer zu treffen. Denn so lange die Produktion die Nachfrage befriedigen kaun, ohne an der Grenze ihrer Steigerungsfühigkeit angelangt zu sein, wird jede andauernde Preis¬ steigerung eine preismindernde Steigerung der Produktion nach sich ziehen und so ihr Korrektiv in sich selbst tragen. Indem ich nach dieser Abschweifung wieder zur Sache zurückkehre, habe ich aus dem oben gesagten lediglich noch den Schluß zu ziehen, daß eine Ver¬ staatlichung des Grundbesitzes uuter denjenigen Verhältnissen, unter welchen sie überhaupt in Betracht zu ziehen wäre, die Nachteile des Privatgrundbesitzes keineswegs beseitigen würde, wenn nicht auch die Unternehmereigeuschaft auf den Staat überginge. Sonach kann ich mich anch nur unter der Voraussetzung der Unternehmereigenschaft des Staates mit der Idee der Verstaatlichung des Bodens befreunden. Daß ich alsdann in der Maßregel nicht wie Henry George in erster Linie eine Vorkehrung zum Schutze der Arbeit, sondern vielmehr eine solche zum Schutze der Konsumenten gegen den Grundbesitz erblicke, ist selbst¬ verständlich. Doch scheint es nicht ausgeschlossen, daß auch die Arbeit als solche einen Anteil an den wohlthätigen Wirkungen der Änderung nehmen würde. Denn in der Hand des Staates als des Eigentümers läge es ja, die Güterverteilung allmählich derart zu regeln, daß möglichst viele Brotstellen für Wirtschafter sich ergeben, und namentlich anch weder ungefüge Niesenwirtschaften noch lebensunfähige Bettelmirtschaften möglich sein würden. Beiläufig sei erwähnt, daß ich die Frage, ob es ersprießlicher wäre, daß die Wirte als Verwalter oder als Pächter auf den Gütern des Staates säßen, absichtlich nicht näher erörtern will, da mir dies eine Nebenfrage zu sein scheint. Aus mancherlei Gründen schiene mir die Pächtcrcigenschaft den Vorzug zu verdienen.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_200104
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_200104/167
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_200104/167>, abgerufen am 01.10.2024.